Journey to Jah

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein Musiker und Gentleman

Mit dem Namen Tillmann Otto können wohl nur eingefleischte Fans etwas anfangen. Ganz anders sieht es hingegen aus, wenn man den Künstlernamen des Mannes nennt, um den es hier geht: Als „Gentleman“ ist Otto der wohl bekannteste Reggae-Musiker Deutschlands und begeistert seit vielen Jahren mit seinem authentischen jamaikanischen Sound die Massen, die seine Konzerte besuchen. In Journey to Jah haben sich die beiden Dokumentarfilmer Noël Dernesch und Moritz Springer zusammen mit ihrem Kameramann Marcus Winterbauer (Rhythm Is It!) auf den Weg gemacht, um Gentleman auf einer Reise in seine Wahlheimat zu begleiten. Das Ergebnis ist ein sehr überzeugender Film über das Reisen und das Ankommen, das Leben, die Musik und über die Verständigung über Grenzen, Sprachen und Kulturen hinweg.
Im Falle von Tillmann Otto war es eine Zufallsbekanntschaft, die sein weiteres Leben prägen sollte. Durch einen Freund kam der Pfarrerssohn aus Köln in jungen Jahren mit dem Reggae in Berührung, brach mit 16 Jahren die Schule ab und reiste nach Jamaika, um dort in den Bergen bei einer Farmerfamilie zu leben. Dort findet er etwas, dass er zuhause in Deutschland und bei seiner Familie nicht fand: Spiritualität ist das Stichwort, das auch im Film selbst einen großen Raum einnimmt. Immer wieder geht es darin um Erfahrungen, die Gentleman und Alborosie mit den Menschen auf der Insel gemacht haben – und es ist keinesfalls so, dass diese ausschließlich positiver Natur gewesen wären. So berichtet der aus Sizilien stammende Alborosie (mit bürgerlichem Namen Alberto D’Ascola) von einer Situation, bei der er sich plötzlich in einer engen Gasse von einer Gruppe Kids mit Pistolen und Gewehren umringt sah – ein Erlebnis, das glücklicherweise glimpflich ausging. Dann lacht er und sagt: „Da habe ich kapiert, was Reggae ist.“

Überhaupt ist die Musik das verbindende Element des vielschichtigen Films, der weitaus mehr sein will als „nur“ das Porträt zweier außergewöhnlicher Männer – und dem genau das auch gelingt. Durch die vielfältigen Begegnungen mit Musikern wie Damian Marley, Jack Radics, Richie Stephens und der Sängerin Terry Lynn, mit dem Rastafari Natty und der Professorin Carolyn Cooper eröffnen sich immer wieder neue Blickwinkel auf das Leben und die Kultur Jamaikas, die der (Außen)Sicht von Gentleman und Alborosie andere Perspektiven hinzufügen. Und zumeist stehen diese im krassen Widerspruch zu den Klischees von friedlichen Zuständen auf der Insel, die in Wirklichkeit unter Armut und Gewalt, unter Homophobie und gewaltigen Drogenproblemen leidet. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen gibt es hier zugleich auch einen enormen Zusammenhalt unter den Menschen, eine Solidarität und Mitmenschlichkeit, die man in Deutschland und Europa oftmals vergeblich sucht.

Natürlich stehen Jamaica und die beiden Musiker Gentleman und Alborosie im Mittelpunkt des Geschehens. Doch zwischen den Bildern, die die beiden auf Konzerten, in spontanen Gigs auf den Straßen Kingstons und im lockeren Spazieren durch die Straßen zeigen, geht es auch um etwas ganz anderes – nämlich um die Fragen, die der Film selbst zu Beginn formuliert und die man sich unweigerlich auch selbst stellt: Was ist dran an dieser Faszination von Gentleman und Alborosie für die Kultur der Rastafari? Ist ihre Verbundenheit mit den Menschen und der Musik nicht eine weitere Variante der Weltflucht, der Sehnsucht nach einem vermeintlichen besseren Leben unter karibischer Sonne, die die gewaltigen Probleme des kleinen Inselstaates ignoriert? Die Antwort geben die Musiker selbst – und sie tun es auf sehr sympathische und authentische Weise.

Journey to Jah

Mit dem Namen Tillmann Otto können wohl nur eingefleischte Fans etwas anfangen. Ganz anders sieht es hingegen aus, wenn man den Künstlernamen des Mannes nennt, um den es hier geht: Als „Gentleman“ ist Otto der wohl bekannteste Reggae-Musiker Deutschlands und begeistert seit vielen Jahren mit seinem authentischen jamaikanischen Sound die Massen, die seine Konzerte besuchen.
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