John Wick: Kapitel 2 (2017)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Endlose Kopfschussorgie

John Wick überraschte vor zwei Jahren gleich in mehrerlei Hinsicht. Zum einen meldete sich Keanu Reeves mit der Rolle des Profikillers im (Un-)Ruhestand endgültig im Actionfach zurück. Zum anderen beeindruckte das Regiedebüt des ehemaligen Stuntmans Chad Stahelski mit eiskalt choreografierter und ultrabrutaler Gewalt. In John Wick — Kapitel 2 bekommt es die Titelfigur dieses Mal mit der italienischen Mafia zu tun.

Der Motor des 1969er Mustangs heult bereits durch den Kinosaal, bevor der Wagen, den er mit quietschenden Reifen vorwärts treibt, überhaupt auf der Leinwand zu sehen ist. Im nächtlichen Großstadtglitzer New Yorks liefert sich der Bolide eine Verfolgungsjagd mit einem Motorrad. Inmitten dieser tödlichen Hatz flackert ein alter Buster-Keaton-Film hoch oben an einer Fassade und nimmt vorweg, was sich wenig später unten in den Straßenschluchten wiederholt. Körper, lebendige wie unbelebte, prallen aufeinander, stoßen sich gegenseitig ab und katapultieren sich durch den filmischen Raum. Diese fulminante Eingangssequenz ist reine Kinetik, virtuos inszeniertes Bewegungsbild, allerdings auch das Versprechen eines Actionkinos, das John Wick – Kapitel 2 nicht halten wird.

Am Steuer des kraftstrotzenden Oldtimers sitzt John Wick (Keanu Reeves), selbst nicht mehr das jüngste Baujahr, und beendet seine kleine Privatfehde mit der russischen Mafia. Das macht den Auftakt der Fortsetzung zu einer Art Verlängerung des Vorgängers, bevor der eigentliche Film beginnt. Danach schaltet Kapitel 2 (viel zu früh) in den für Franchises üblichen erzählerischen Autopiloten. Um den Profikiller a.D. ein zweites Mal aus dem Ruhestand zu holen, muss ein weiterer nichtiger Grund her. Dieses Mal ist John durch einen Blutschwur an Mafia-Größe Santino D’Antonio (Riccardo Scamarcio) gebunden, für den er erst widerwillig dessen Schwester Gianna (Claudia Gerini) in Roms Katakomben aus dem Weg räumt, um sich zurück in New York um Santino selbst zu kümmern. Damit die Angelegenheit wenigsten ein bisschen schwieriger als im ersten Teil wird, setzt Santino ein Kopfgeld auf John aus. Der muss fortan nicht nur an dessen Bodyguards unter Führung der stummen Ares (Ruby Rose), sondern auch an all den anderen Profikillern vorbei, die die Metropole am Hudson in diesem schrägen Paralleluniversum bevölkern.

John Wick – Kapitel 2 zählt zu einer Ausprägung des Rachefilms, die seit einigen Jahren (wieder) Konjunktur hat. Ob Liam Neeson in der 96 Hours-Reihe wiederholt seine entführten Familienmitglieder rettet, Denzel Washington in The Equalizer eine Prostituierte aus den Fängen der Russenmafia befreit oder Sean Penn in The Gunman seine ehemaligen Auftraggeber liquidiert, stets folgen diese Streifen demselben Muster: Männer jenseits der 50, die ihr altes Leben hinter sich lassen wollten, stürzen sich ein letztes Mal (unfreiwillig) ins Kampfgetümmel. Dank ihres überragenden Umgangs mit Fäusten und Waffen überstehen sie die Gefechte gegen unzählige, zumeist deutlich jüngere Kontrahenten selbst im Alleingang mühelos und unbeschadet. Ihre Charaktere sind selbstredend so hohl wie die inhaltliche Leere, die hinter der mal mehr, mal weniger gelungenen Action klafft. Schließlich dienen die bemüht konstruierten zwischenmenschlichen Beziehungen, das behauptete schlechte Gewissen und das Verantwortungsbewusstsein lediglich dazu, das Morden in Gang zu setzen und den unmenschlichen Kampfmaschinen zumindest einen Anschein Menschlichkeit zu verleihen.

Bereits unter diesem Gesichtspunkt war John Wick eine Ausnahme. Statt Figurentiefe vorzugaukeln, überzeichnete Drehbuchautor Derek Kolstad, der nun auch die Fortsetzung schrieb, bereits im ersten Teil gnadenlos alle Charaktere und deren Motive. Zusätzlich versetzte er seine Geschichte in eine comichafte Parallelwelt, in der sich Profikiller unbemerkt vom Rest der Bevölkerung in einer Art Geheimgesellschaft bewegen, eigene Nobelabsteigen inklusive. Jede Menge Ironie und abgefahrene Einfälle wie etwa die bis an die Zähne bewaffneten Priester einer orthodoxen Kirche, in der die Russenmafia ihr Geld gebunkert hat, machten auch die ultrabrutale Action erträglich. Der Fortsetzung gelingt das nur noch bedingt.

Zwar bauen Stahelski und Kolstad ihr irres Profikiller-Universum mit diversen kleinen Einfällen und Gags behutsam aus, überraschen mit dem einen oder anderen gelungenen Cameo und beweisen erneut ein Auge für atemberaubende Außen- wie Innenansichten. Ihr größtes Problem ist jedoch die große Stärke des ersten Teils: die Action. Die gerät nicht nur viel zu schnell ziemlich redundant, sondern auch viel zu lang und brutal. Immer wieder wirkt es so, als habe Chad Stahelski die zwanzig zusätzlichen Minuten Laufzeit seiner Fortsetzung lediglich dazu genutzt, noch mehr Kopfschüsse als in seinem Vorgänger unterzubringen. Doch wenn sich Keanu Reeves im großen Finale in seiner geduckten Kampfhaltung durch die verspiegelten Ausstellungssäle eines Museums schleppt, ist die kinetische Energie des Auftakts längst verbraucht. Ein Ende ist freilich noch lange nicht in Sicht. Denn der offene Ausgang und der Titel des Films weisen bereits auf den nächsten Teil voraus. Es bleibt zu hoffen, dass bis zum Epilog nicht mehr allzu viele Kapitel zu füllen sind.
 

John Wick: Kapitel 2 (2017)

„John Wick“ überraschte vor zwei Jahren gleich in mehrerlei Hinsicht. Zum einen meldete sich Keanu Reeves mit der Rolle des Profikillers im (Un-)Ruhestand endgültig im Actionfach zurück. Zum anderen beeindruckte das Regiedebüt des ehemaligen Stuntmans Chad Stahelski mit eiskalt choreografierter und ultrabrutaler Gewalt. In „John Wick — Kapitel 2“ bekommt es die Titelfigur dieses Mal mit der italienischen Mafia zu tun.

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Meinungen

michael m · 07.04.2021

hi, heute hat „john wick“ 2 auch meinen helden zerstört. jetzt muss ich schnell nochmal john wick anschauen, um nicht schlecht zu träumen.

treffende kritik - ein kleines wundpflaster