Johannes Mario Simmel Edition

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Extreme Emotionalitäten im sozialpolitischen Ambiente

Aus den frühen 1970er Jahren stammen diese vier Literaturverfilmungen des deutschen Regisseurs Alfred Vohrer, die allesamt auf berühmten Bestsellern jenes Autors basieren, dem diese Edition von Studiocanal ihren Titel verdankt: Der österreichische Schriftsteller Johannes Mario Simmel (1924-2009) hatte bereits zu Lebzeiten mit seinen über dreißig Romanen eine internationale Leserschaft von rund 75 Millionen Menschen erreicht.
Auch die Verfilmungen seiner Stoffe wurden hierzulande gut besucht, wobei der chronologisch erste Film der Edition Und Jimmy ging zum Regenbogen mit der Goldenen Leinwand für das Überschreiten der Drei-Millionen-Zuschauer-Marke prämiert wurde. Gleichfalls 1971 kam mit Liebe ist nur ein Wort bereits der zweite in die Kinos, dessen junger Hauptprotagonist Malte Thorsten damals als „Bester Nachwuchsdarsteller“ mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde. Im Jahre darauf folgte mit Der Stoff aus dem die Träume sind die gleichnamige Verfilmung des medienkritischen Spionageromans vom einstigen Journalisten Johannes Mario Simmel, der nach dem Zweiten Weltkrieg als Kulturredakteur der Wiener Welt am Abend auch Filmkritiken verfasste, bevor er ab 1950 für die Münchner Illustrierte Quick europaweit im Einsatz war und gleichzeitig an einigen Drehbüchern für diverse deutsche Spielfilme (mit)schrieb. Nach der Inszenierung von Die Antwort kennt nur der Wind im Jahre 1974 verabschiedete sich Regisseur Alfred Vohrer von den Simmel-Stoffen, von denen er über die in der Edition enthaltenen vier Filme hinaus noch 1973 Alle Menschen werden Brüder und Gott schützt die Liebenden realisiert hat, und fungierte fortan überwiegend als Regisseur von populären Fernsehserien wie Derrick, Der Alte, Das Traumschiff und Die Schwarzwaldklinik.

Die für die Bestseller-Romane Johannes Mario Simmels charakteristischen Elemente dominieren auch die filmischen Adaptionen, deren damalige Filmplakate sich werbewirksam am Design der erfolgreichen Bücher orientieren. Die von tragischen Umständen umwitterte Liebesgeschichte zweier Menschen aus extrem unterschiedlichen Milieus, umgeben von skurrilen, unberechenbaren Figuren, schwelende gesellschaftspolitische Hintergründe verortet in jeweils aktuellen zeitgeschichtlichen Zusammenhängen sowie kriminalistische Konstellationen komplizierter Natur prägen die geschickt konstruierten Geschichten dieses Schriftstellers, die stets auf seinen umfangreichen Recherchen zu den einzelnen Themenkomplexen basieren. Hier geht es ebenso um unverarbeitete Auswirkungen von Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg auf die Ära des so genannten Kalten Krieges (Und Jimmy ging zum Regenbogen) wie um den desorientierten bis geradezu dämonisierten Nachwuchs einer korrupten, gewinnfixierten Gesellschaft (Liebe ist nur ein Wort), um Hochglanzjournalismus und Flüchtlingskatastrophen (Der Stoff aus dem die Träume sind) sowie um die dubiosen Machenschaften internationaler Finanzmächte (Die Antwort kennt nur der Wind). Bei aller Fülle dieser ohnehin bereits dichten Erzählräume von Liebe, Erpressung, Mord, Korruption und Spionage werfen zudem die kleinen Nebenstränge der Geschichten auch noch die eine oder andere Kuriosität in Sachen Mensch und (Un-)Menschlichkeit auf, so dass eine Wucht emotionaler Extremitäten auf den Zuschauer niederprasselt.

Von ihm selbst zu Lebzeiten stets energisch bis ärgerlich abgelehnt, avancierte Johannes Mario Simmel im Rahmen der allgemeinen wie speziellen Kritik hierzulande bald zum gleichzeitig gefeierten und angefeindeten Helden der als „trivial“ etikettierten Literatur, wobei es zuvorderst die deutliche Präsenz sexueller Aspekte und Ausführlichkeiten sowie seine stark ausgeprägte Emotionalisierung waren, die ihm in dieser Hinsicht als kalkulierter Leserfang vorgeworfen wurden. Weniger berücksichtigt wurde seine mahnende moralische Haltung in Bezug auf Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichekit sowie sein entsprechendes Engagement, trotz seiner öffentlichen Auszeichnungen diesbezüglich. Wer jenseits der klassisch-konservativen Literatur- und Filmkritik in die hier zudem musikalisch und visuell stark betonte Welt dieses Autors im Flair der 1970er Jahre eintauchen mag oder aber auf eine kritische Analyse derselben in ihrer filmischen Interpretation abzielt, dem sei die Johannes Mario Simmel Edition als absolut brauchbares Anschauungsmaterial empfohlen.

Illustre Akteure der deutschen Film- und Fernsehgeschichte wie Judy Winter, Hannelore Elsner, Horst Tappert, Horst Frank und selbst der einstige WDR-Indendant Friedrich Nowottny sorgen zudem für komische bis rührende Nostalgiemomente, zusätzlich zum wilden Rausch der fiktiven Ereignisdichte mit ihren mitunter herrlich schrägen, regelrecht satirischen Details menschlicher Absurditäten. Dass der sich selbst gern als ausschweifender Sexprotz beschreibende Schriftsteller Johannes Mario Simmel in Der Stoff aus dem die Träume sind die zunächst ausbleibende Erektion eines Zuhälters (Gert Haucke), der offensichtlich jede erotische Stimulation bereits bis zum Abwinken kennt, beim Anblick einer ansehnlichen Barschaft doch noch aufleben lässt, stellt nur ein Beispiel für seine lediglich am Rande erscheinenden amüsanten Spitzen zur Demontage männlicher Machtgelüste- und fantasien dar, die für die damalige Zeit doch ungeheuer innovativ anmuten und nur teilweise Eingang in die Verfilmungen fanden.

Johannes Mario Simmel Edition

Aus den frühen 1970er Jahren stammen diese vier Literaturverfilmungen des deutschen Regisseurs Alfred Vohrer, die allesamt auf berühmten Bestsellern jenes Autors basieren, dem diese Edition von Studiocanal ihren Titel verdankt: Der österreichische Schriftsteller Johannes Mario Simmel (1924-2009) hatte bereits zu Lebzeiten mit seinen über dreißig Romanen eine internationale Leserschaft von rund 75 Millionen Menschen erreicht.
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