Jenseits der Mauern (2012)

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Die Macht (in) der Liebe

In Jenseits der Mauern erzählt David Lambert die Geschichte zweier Menschen, die sich begegnen, sich verlieben und auf dem romantischen Höhepunkt ihrer Zweisamkeit voneinander getrennt werden. Dabei gestaltet sich das Drama auf der einen Seite ganz gewöhnlich, denn in Jenseits der Mauern geschieht nichts, was wir nicht so oder ähnlich schon einmal im Kino gesehen hätten. Dann aber wieder ist diese Liebesgeschichte doch ganz anders: Die Liebenden sind Männer. Obwohl die Homosexualität der Protagonisten für den Verlauf der Handlung im Grunde kaum eine Rolle spielt, vermag diese im Kino noch immer recht ungewöhnliche Personenkonstellation dem großen Korpus der Liebesdramen noch etwas hinzuzufügen.

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Eigentlich lebt der Stummfilmpianist Paulo (Matila Malliarakis) mit einer Frau zusammen, doch als er Ilir (Guillaume Guoix) kennenlernt, werden die Zweifel an seiner sexuellen Identität zur Gewissheit. Kurze Zeit später steht er mit gepackten Koffern bei Ilir vor der Tür. Der ist zunächst skeptisch, schließlich haben die beiden sich gerade erst kennengelernt. Da aber unter seiner harten Schale ein weicher Kern schlummert, ist auch Ilir bald bis über beide Ohren verliebt. Kaum haben die Männer sich in ihrer Partnerschaft eingerichtet und ein gemeinsames Leben begonnen, verschwindet Ilir nach einem Wochenendtrip spurlos. Als er wieder auftaucht wird die junge Liebe der beiden Männer auf eine harte Probe gestellt.

David Lambert erzählt seine Geschichte gänzlich unprätentiös und nimmt sich stellenweise viel Zeit, um die Beziehung seiner Figuren zu beleuchten. Lange Szenen und nahezu statische Kameraeinstellungen verströmen eine große Ruhe und lassen den Bruch, der durch Ilirs Verschwinden entsteht, umso stärker wirken. Zudem gelingt es Lambert und Kameramann Matthieu Poirot Delpech sowohl Intimität als auch Isolation auf rein bildlicher Ebene zu transportieren. Mal zoomt die Kamera bis zur Unschärfe in den ersten leidenschaftlichen Kuss der Protagonisten, mal weigert sie sich vehement, die Liebenden in einem einzelnen Frame einzufangen und erweckt den Eindruck, als befänden sich Paulo und Ilir in vollkommen verschiedenen Sphären. Leider bedient sich Poirot Delpech ein wenig zu oft des Zooms, um Nähe zwischen Zuschauer und Figuren zu erzeugen, wodurch dieses Stilmittel im Laufe des Films an Wirkung einbüßt.

Jenseits der Mauern lebt vor allem von der guten Chemie der beiden Hauptdarsteller. Vom Moment ihrer ersten Begegnung an ist die gegenseitige Anziehung spürbar. Guillaume Gouix überzeugt hierbei in seinem Spiel etwas mehr. Vielleicht ist es aber auch die seiner Figur eigene Melodramatik, die Matila Mailliarakis dem Zuschauer immer ein wenig fremd erscheinen lässt. Paulo ist ein sehr gefühlvoller und zarter Mann, der sich stets nach einem starken Partner sehnt. Ilir ist ihm von Beginn an sowohl physisch als auch charakterlich überlegen. Er bestimmt die Regeln der Beziehung, wie beispielsweise das Maß an legitimer Nähe, was sich im Verlauf ihrer Beziehung auch in kleinen sadomasochistischen Spielen widerspiegelt.

Doch so wie es in Jenseits der Mauern nicht um Homosexualität geht, steht auch das Thema Sadomasochismus hier nicht im Mittelpunkt. Es geht David Lambert vielmehr um ein unausgewogenes Kräftegleichgewicht, wie es in fast jeder Beziehung zu finden ist. Dass hier Männer auf Männer treffen macht diese Rollenverteilung nur offensichtlicher, weil sie in dieser Konstellation weniger vorgegeben ist als in einer heterosexuellen Liebesgeschichte. So werden Paulos Abhängigkeit von seinem Partner und seine Sehnsucht nach einem dominanten Gegenüber besonders deutlich. Jenseits der Mauern erzählt somit auch eine eindrückliche Geschichte über die der Liebe inhärenten Machtstrukturen.

Leider verliert David Lambert während des Films ein wenig seinen Fokus. Während zunächst beide Männer gleichberechtigt im Mittelpunkt stehen, konzentriert sich der Regisseur im zweiten Akt ausschließlich auf Paulo. Es entsteht der Eindruck, es ginge weniger um die Liebesgeschichte als vielmehr um die Charakterentwicklung der Figur, da der Zuschauer die Ereignisse ausschließlich aus ihrer Perspektive erlebt. Kaum ist diese Sichtweise etabliert, öffnet Lambert jedoch seinen Fokus wieder, um nun erneut auch Ilirs emotionale Welt zu beleuchten. Der Verlust des roten Fadens und der klaren Ausrichtung der Geschichte nimmt der ohnehin ruhig erzählten Geschichte ein wenig die Spannung.

Jenseits der Mauern verzichtet vollkommen auf die Dramatisierung seiner Geschichte. Unprätentiös, aber sehr gefühlvoll präsentiert David Lambert seinem Publikum eine Liebesgeschichte, die zwar nicht uneingeschränkt mitreißen, aber durch ihre komplexen Charaktere immerhin überzeugen kann.
 

Jenseits der Mauern (2012)

In „Jenseits der Mauern“ erzählt David Lambert die Geschichte zweier Menschen, die sich begegnen, sich verlieben und auf dem romantischen Höhepunkt ihrer Zweisamkeit voneinander getrennt werden. Dabei gestaltet sich das Drama auf der einen Seite ganz gewöhnlich, denn in „Jenseits der Mauern“ geschieht nichts, was wir nicht so oder ähnlich schon einmal im Kino gesehen hätten. Dann aber wieder ist diese Liebesgeschichte doch ganz anders:

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