Jeannette - Die Kindheit der Jeanne d'Arc (2017)

Eine Filmkritik von Maria Wiesner

Innere Zerrissenheit

Entweder liebt man die Filme von Bruno Dumont oder man hasst sie. Dazwischen bleibt nicht viel. Das war bei seinem vorigen Film Die feine Gesellschaft so, der in Cannes 2016 im Wettbewerb lief, und so ist es auch bei seinem neuen Film Jeannette, l’enfance de Jeanne d’Arc, der in diesem Jahr in der Quinzaine des Realisateurs zu sehen war. Dumont hat sich dieses Mal an die Verfilmung eines Theaterstücks gemacht, das der Schriftsteller Charles Peguy 1897 über die Kindheit der französischen Nationalheiligen verfasst hat. Der Stoff strotzt vor religiösen Verweisen und Nationalpathos. Dumont lässt ihn von Kindern aufführen.

So wandert die junge Jeanette (zuerst gespielt von Lise Leplat Prudhomme, dann etwas älter von Jeanne Voisin) durch eine idyllische Heidelandschaft. Es ist das Jahr 1425, Frankreich ist in großen Teilen von englischen Truppen besetzt, die Nation ist gespalten. Jeanne d’Arc heißt noch Jeanette und hütet an der Maas ihre Schafe. In ihrem Innersten tobt jedoch schon der Kampf mit dem Glauben, ihre Seele ringt mit der Verzweiflung über den andauernden Hundertjährigen Krieg. Diese innere Zerrissenheit drückt sie in Gesang und Tanz aus. Gleich in der ersten Szene läuft sie durch einen Bach auf die Kamera zu. Das blaue Leinenkleid im Farbton des Himmels, zu dem sie im Gesang immer wieder die Augen erhebt. Die letzte Strophe ihres Gebets singt sie mit festem Blick in die Kamera.

Dass das weder in völligen Kitsch noch ins Religiös-Fanatische umkippt, liegt allein an den beiden jungen Darstellerinnen. Sie schaffen es, Jeannette mit ernsthafter Hingabe zu spielen, auch wenn die Inszenierung immer wilder und abstruser wird. Der Gesang wird durch Death-Metal-Gitarren begleitet und erinnert gegen Ende an Evanescence-Songs – nur mit religiösem Inhalt. Mal wird dazu gehüpft, mal sich im Kreis gedreht, dass das Kleid wie ein Derwischmantel zu schweben beginnt, mal arbeiten die Mädchen mit Bewegungen, die stark an Paluccaschen Ausdruckstanz erinnern. Und immer wieder enden diese Gesanggebete in exzessivem Headbangen, das ja irgendwie auch etwas von religiöser Hingabe und Gebet hat.

Komische Einlagen hat diese Inszenierung dann auch noch, beispielsweise legt der Darsteller von Jeanettes Verwandtem Durand Lassois so schräge Rap-Parts hin, dass man sich doch wieder sehr an eine Schulaufführung erinnert fühlt. Wäre Jeanette nicht mit so viel Professionalität inszeniert, man könnte den Film stellenweise für einen Witz halten. Guillaume Deffontaines‘ Kameraarbeit gibt dem Ganzen dann doch wieder die nötige Ernsthaftigkeit zurück. Der Kameramann hat mit Dumont bereits an zahlreichen Filmen zusammengearbeitet, darunter Die feine Gesellschaft, Kindkind und Camille Claudel, 1915. Seine Bilder schaffen es, dass man trotz anfänglicher Zweifel sitzen bleibt und sich von ihrem harmonischen Aufbau gefangen nehmen lässt.
 

Jeannette - Die Kindheit der Jeanne d'Arc (2017)

Entweder liebt man die Filme von Bruno Dumont oder man hasst sie. Dazwischen bleibt nicht viel. Das war bei seinem vorigen Film „Die feine Gesellschaft“ so, der in Cannes 2016 im Wettbewerb lief, und so ist es auch bei seinem neuen Film „Jeannette, l’enfance de Jeanne d’Arc“, der 2017 in der Quinzaine des Realisateurs zu sehen war.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen