Jack Ryan: Shadow Recruit (2014)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Liebesgrüße aus Moskau

Geheimagent Jack Ryan hat es nicht nur in den Büchern des 2013 verstorbenen Schriftstellers Tom Clancy zu einiger Berühmtheit gebracht. Auch auf der großen Leinwand war er bereits vier Mal – von unterschiedlichen Schauspielern verkörpert – zu sehen. Kenneth Branagh führt die Figur beim Neustart der losen Filmreihe nun an ihre Anfänge zurück, wobei erstmals kein bestimmter Roman als Vorlage diente. Sichtlich anzumerken ist dem Actionthriller das Bemühen um eine Modernisierung des Protagonisten, der im Dickicht der globalen Finanzwelt mit einem terroristischen Bedrohungsszenario konfrontiert wird. Ungeachtet dieser Ausrichtung bedient sich der Film jedoch zahlreicher Klischeebausteine, wärmt abgenutzte Feindbilder auf und schlägt bisweilen unerträglich patriotische Töne an.

Der Angriff auf das World Trade Center veranlasst den in London studierenden Amerikaner Jack Ryan (Chris Pine), sich dem Kampf gegen den Terrorismus anzuschließen. In Afghanistan fällt der junge Mann allerdings einem Anschlag zum Opfer, den er nur schwer verletzt überlebt. Während er mit Hilfe der Ärztin Cathy Muller (Keira Knightley) verbissen an seiner Genesung arbeitet, beschließt Jack, die gerade erst begonnene Soldatenkarriere aufzugeben. Unterdessen hat der CIA-Agent Thomas Harper (Kevin Costner) ein Auge auf den mathematisch begabten Rekonvaleszenten geworfen und tritt kurz darauf mit einem Angebot an ihn heran. Jack soll sein Studium beenden und danach für die CIA als Analyst an der Wall Street tätig werden, um verdächtige Transaktionen frühzeitig aufzuspüren. Nach kurzem Zögern willigt der Umworbene ein und zieht schließlich nach New York. Zehn Jahre später entdeckt Jack, der mittlerweile mit Cathy liiert ist, einige versteckte Konten des russischen Oligarchen Viktor Cherevin (Kenneth Branagh). Auf Geheiß seines Mentors tritt der Geheimdienstanalyst eine Reise nach Moskau an, wo er dem mächtigen Konzernchef möglichst diskret auf die Finger schauen soll. Ein Ausflug mit ungeahnten Folgen.

Wie das Presseheft unermüdlich betont, handelt es sich bei Jack Ryan um eine geerdete und damit unübliche Agentenfigur, die nicht so sehr auf handfeste Durchschlagskraft setzt, sondern vielmehr ihrem Verstand vertraut. Im Film selbst kommt Jacks Jedermann-Image schon sehr früh zum Ausdruck, zeigen ihn die ersten Einstellungen doch als unschuldigen Studenten, der auf einer Parkbank vor sich hindöst. Anders als viele Leinwandkollegen, befindet sich der junge Mann nach seiner Anwerbung zudem in einer festen Beziehung, wobei Cathy nichts von seiner tatsächlichen Arbeit weiß. Jack ist ein Schreibtischtäter, der sich selbst nur widerwillig ins Abenteuer stürzt. Das unterstreicht auch seine turbulente Ankunft in Moskau, bei der er ganz unvermittelt in einen tödlichen Zweikampf verwickelt wird, der ihn sichtlich aufgewühlt zurücklässt.

Parallel zu diesen differenzierten Anklängen verfällt der Agententhriller allerdings immer wieder in hastig-übereilte Erklärungsmuster. So auch beim Einstieg, der sich im Grunde genommen wenig um nachhaltige Figurenzeichnung schert. Obwohl Jack als verträumter Wirtschaftsstudent eingeführt wird, lösen die Fernsehbilder der einstürzenden Zwillingstürme in ihm das unmittelbare Bedürfnis zur Verteidigung der eigenen Nation aus. Das betont Branagh überdeutlich, wenn er von Jacks Bestürzung angesichts der schrecklichen Nachrichten direkt auf seinen Einsatz im afghanischen Kampfgebiet schneidet.

Ähnlich schlicht gestalten sich schließlich auch die privaten Szenen zwischen dem Geheimdienstanalysten und seiner Freundin. Cathys Befürchtung, Jack könnte sie betrügen, dient einzig und allein dem Zweck, die junge Frau selbst in das Agentenspiel zu verwickeln. Spätestens ihr unerwartetes Auftauchen in Moskau offenbart die funktionale Rolle ihrer Figur. Willentlich lässt sich die unbescholtene Ärztin von CIA-Profi Harper für eine Intrige gegen Bösewicht Cherevin einspannen und muss kurz darauf als Entführungsopfer für weitere Spannungssteigerung herhalten. Hat sie ihre Schuldigkeit einmal getan, fällt Cathy aus der Handlung heraus, da auf der Zielgeraden vor allem physische Fähigkeiten gefragt sind.

Verglichen mit anderen Genrebeiträgen, bietet Jack Ryan: Shadow Recruit inhaltlich höchstens durchschnittliche Kost. Clever und innovativ ist die sich langsam herausschälende Verschwörung nur auf den ersten Blick. Simple Schachzüge und Manöver – unter anderem der Diebstahl einer Geldbörse aus einer Anzugstasche – werden den Ansprüchen an einen hochklassigen Agententhriller nicht gerecht und schwächen zudem den von Regisseur Branagh charmant-sinister verkörperten Antagonisten ab. Ist das Tempo lange Zeit gemächlich, zieht der Film auf der Zielgeraden noch einmal deutlich an. Hier mutiert Jack endgültig zum schlagkräftigen Superhirn, das binnen kürzester Zeit das Ziel des angekündigten Terroranschlags herausfindet und nun körperlich alle Zurückhaltung ablegen darf. Glaubwürdigkeit spielt dabei freilich nur noch eine untergeordnete Rolle.

Äußerst fragwürdig ist zweifellos die ideologische Agenda, die der Agententhriller ganz unverblümt an den Tag legt. Strahlend gute Amerikaner stehen beinahe durchweg zwielichtigen Russen gegenüber, deren Bosheit und Rachsucht auch auf dialogischer Ebene wiederholt bekräftigt wird. Eine derart einseitige Darstellung muss schon verwundern, wenn man bedenkt, dass selbst James-Bond-Filme, früher Inbegriff von Schwarz-Weiß-Malerei, heute deutlich nuancierter ausfallen. Im Vergleich fühlt sich Branaghs Neuauflage der Jack Ryan-Reihe wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten an.

Jack Ryan: Shadow Recruit (2014)

Geheimagent Jack Ryan hat es nicht nur in den Büchern des 2013 verstorbenen Schriftstellers Tom Clancy zu einiger Berühmtheit gebracht. Auch auf der großen Leinwand war er bereits vier Mal – von unterschiedlichen Schauspielern verkörpert – zu sehen. Kenneth Branagh führt die Figur beim Neustart der losen Filmreihe nun an ihre Anfänge zurück, wobei erstmals kein bestimmter Roman als Vorlage diente.

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Meinungen

Joachim Rimer · 21.03.2014

Der Film ist aktueller denn je und sicher kein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Das was in der Ukraine passiert ist, war schon 2012 absehbar. Man darf schliesslich nicht vergessen, Putin und seine Förderer sind allesamt KGBler, also Produkte aus dem kalten Krieg.

Ukraine · 03.03.2014

Was nun? Wollen Sie Ihre Rezension jetzt nicht doch partiell geringfügig ändern?