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Er spielte John Williams’ berühmtes Hauptthema aus Schindlers Liste und trat auch schon in der Sesamstraße auf: Itzhak Perlman gelingt scheinbar alles. Der Violinen-Virtuose hat noch nie zwischen klassischer E- und U-Musik unterscheiden. Doch welcher Mensch steckt hinter diesem musikalischen Genie?

Itzhak Perlman - Ein Leben für die Musik (2017)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Melodien für Millionen

Itzhak Perlman fühlt sich bei Präsidentenempfängen genauso wohl wie in Baseballarenen, wo er schon mal die Nationalhymne intoniert, wenn es ihm gefällt: Zur Freude tausender (Sport-)Fans. Der 1945 in Israel geborene Ausnahmeviolinist kennt überhaupt weder politische noch kulturelle Grenzen, was ihm mancher Musikjournalist in der Vergangenheit schon durchaus mal vorhielt. Ähnlich mannigfaltig sind seine heute schon legendären Plattenaufnahmen, die seine lange Karriere seit dem ersten Durchbruch als poliokranker Junge in der nicht minder legendären Ed-Sullivan-Show 1958 begleiten: (Scheinbar) alles hat er seitdem eingespielt.

Zu allererst Mozart natürlich, dessen Œuvre bis heute auf dem gesamten Globus verstanden wird. Ebenso sämtliche Violin-Klassiker von Brahms oder Vivaldi, die sowohl in den ersten Musikhäusern dieser Welt wie auch auf manchen soft-seichen „Sonntagvormittags“-Klassik-CDs erklingen. Das passt wiederum sehr gut zum selbstironischen wie Grenzen sprengenden Charakter Perlmans, der die außerordentliche Ehre hat, auf Yehudi Menuhins Edel-Instrument – einer Stradivari aus dem Jahr 1714 – spielen zu dürfen.

Er ist außerdem selbstverständlich zusammen mit Granden wie Martha Argerich oder Placido Domingo schon viele Mal aufgetreten. Itzhak Perlman investiert aber daneben mindestens genauso viel Leidenschaft in so genannte „populäre Auftritte“ wie zum Beispiel an der Seite von Billy Joel, mit dem er seit langem befreundet ist, was sicherlich nicht jedem Puristen aus der nach wie vor verhältnismäßig biederen Klassik-Szene gefallen wird. Perlman selbst zieht dazu wiederum nur ironisch seine Augenbrauen nach oben: „What’s the matter with you?!“

In den USA, wo er seit langem im Familienclan und mit seiner quirligen Ehefrau Toby lebt, ist er seit Jahrzehnten ein Superstar. Und da gehört es nun mal fast schon zum guten Ton, mit dem Mann im „Weißen Haus“ ebenso wie mit dem auf der Straße auf du und du zu sein, was sich in Alison Chernicks insgesamt zwar etwas konventioneller, aber durchaus flott montierter Portraitstudie Itzhak gleich mehrfach beobachten lässt. Nahezu überall, ob beim Essen am heimischen Herd, beim Probieren mit Studenten der New Yorker Juilliard School oder beim Small Talk mit Benjamin Netanjahu und Barack Obama gibt der stets überaus gut gelaunte Musiker jüdische Witze zum Besten. Dabei hatte seine Karriere als Musiker, denn Wunderkind war er keines, alles andere als einfach begonnen: Mit 4 Jahren erkrankte der kleine Itzhak Perlman, der später an der Musikakademie in Jaffa seinen musikalischen Werdegang startete, an einer Form von Kinderlähmung. Seitdem kann er alleine keine weiten Strecken gehen und ist beinahe permanent auf seine Stöcke oder elektrischen Rollstühle angewiesen, weshalb Perlman jedes Mal im Sitzen spielt: Mit einer eher lächelnden als ernsten Miene versteht sich, denn „ich hatte früh schon verstanden, dass es für mich unmöglich sein wird, eine Tenniskarriere zu beginnen.“ Und dann lacht er wieder in Chernicks angenehm unaufdringliche Kameralinse hinein, die sich in den kurzweiligen 83 Minuten überhaupt nie künstlich in den Vordergrund spielt.

Denn das Spielen und Vortragen, ja Ausleben und Weitergeben der Musik überlässt die bekannte New Yorker Filmemacherin und Fotografin, die bereits Rick Rubin, Pedro Almodóvar, Julian Schnabel, James Franco oder Matthew Barney mit ihrer schnell wiedererkennbaren Methode – ohne Off-Kommentar und ganz viel Nähe zu ihren Protagonisten – porträtiert hatte, von der ersten Einstellung an Itzhak Perlman, der inzwischen 15 reguläre Grammys und einen Lifetime Achievement Award sein eigen nennen darf.

Der Portraitierte kann in seinen besten musikalischen Momenten wirklich „mit der Violine beten“, wie es der renommierte Geigenbauer Amnon Weinstein einmal so passend im O-Ton formuliert, und damit schier jeden Zuhörer begeistern: Ob er nun einen Abschluss an der Standford-Universität inne hat oder im amerikanischen Schnellrestaurant an der nächsten Straßenecke sein Geld verdient.

Nicht frei von kleineren Längen (z.B. in den Konzertpassagen) und manchmal etwas zu übermäßig freundlich-retardierend im Tonfall ist Chernick mit Itzhak dennoch ein gut gemachtes Musiker-Portrait voller Schwarzweißaufnahmen und mit vielen persönlichen Begegnungen gelungen, das im Subtext auch viel über die jüdische Identität im modernen New York erzählt. Zudem wird der vibrattosatte, füllige Ton, den Perlman häufig bei seinen Auftritten anschlägt, in diesem Film reihenweise in überaus lebensbejahende Einstellungen transformiert, die sich einprägen und schlichtweg positive Schwingungen erzeugen.

Itzhak Perlman - Ein Leben für die Musik (2017)

In ihrem Dokumentarfilm Itzhak zeigt Alison Chernick den Violinisten Itzhak Perlman in seinem Alltag und gibt Einblick in sein Leben, seine Arbeit und seine religiösen Überzeugungen.

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