Invictus - Unbezwungen

Eine Filmkritik von Paul Collmar

Mit Rugby zur Einigkeit

Man stelle sich vor, die deutsche Wiedervereinigung habe nicht 1990 stattgefunden, sondern erst im Jahre 2006. In jenem Jahr also, in den die Fußball-WM von Deutschland ausgerichtet wurde. Dann stelle man sich weiter vor, die deutsche Nationalmannschaft wäre aus jenem Turnier als strahlender und vollkommen unerwarteter Sieger hervorgegangen – das wäre wahrlich ein Sommermärchen gewesen. Natürlich ist dies nur ein Gedankenkonstrukt, doch es verdeutlicht die Grundidee von Invictus – Unbezwungen, des neuen Films von Clint Eastwood. Zwar geht es hierbei auch um Fußball, doch im Mittelpunkt des Dramas mit Morgan Freeman und Matt Damon in den Hauptrollen steht eine ganz andere Sportart, die hierzulande allenfalls ein Schattendasein führt – es geht um Rugby.
Wie tief der Graben in der südafrikanischen Gesellschaft durch das jahrzehntelange Unrecht der Apartheid ist, sieht man sogar beim Sport. Besonders offensichtlich wird dies bereits in der ersten Einstellungen. Auf einem umzäunten Sportplatz trainiert eine Rugby-Mannschaft, die ausschließlich aus weißen Spielern besteht. Beinahe zufällig und scheinbar nur dem Verlauf des Spiels geschuldet, erfasst die Kamera dann einen weiteren Zaun, hinter dem eine Gruppe von Schwarzen Fußball spielt. Es ist der 11. Februar 1990 – der Tag, an dem Nelson Mandela aus seiner 27 Jahre währenden Haft entlassen wird. Und der Tag, der den Anfang vom Ende der Apartheid markiert.

Doch auch vier Jahre später ist das Land noch zutiefst gespalten, als Nelson Mandela (Morgan Freeman), der Führer des ANC (African National Congress), zum neuen Präsidenten des Landes gewählt wird – und zum ersten schwarzen Regierungschef Südafrikas. Da im folgenden Jahr 1995 die Rugby-WM erstmals im eigenen Land ausgetragen wird, sieht Mandela darin eine Chance, eine nationale Einheit und Identität herzustellen, die es bislang schlichtweg nicht gibt – auch im Sport nicht. Denn die „Springboks“, das südafrikanische Nationalteam, gilt als Inbegriff des alten Apartheid-Regimes. Mandela aber weiß um die einende Kraft des Sports und setzt alles daran, Francois Pienaar (Matt Damon), den keinesfalls überzeugten Kapitän des Teams, für seine Sache zu begeistern. Erst mit der Zeit gelingt die Überzeugungsarbeit, doch als die Mannschaft weiß, dass es neben dem sportlichen Erfolg auch um die Zukunft ihres zerrütteten Landes geht, wächst das Team über sich hinaus…

Ein Revolutionär war Clint Eastwood in seiner Laufbahn als Regisseur noch nie. Und daran ändert sich auch mit Invictus – Unbezwungen nichts. Geradlinig und in einigen Momenten wie in der beschriebenen Eingangssequenz bewundernswert ökonomisch erzählt und durchgehend gut besetzt, ist Eastwoods neues Werk solide Hollywood-Kost mit Anspruch, aber ohne allzu große Überraschungen.

Manchmal spürt man ein wenig zu deutlich, wie sehr sich hier die Figuren und Konstellationen dem einen großen erzählerischen Ziel unterordnen. Die tatsächlichen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Afrika kann man allenfalls erahnen. Stattdessen setzt der Film auf große Gesten, die in einigen Szenen ein wenig zu groß, zu bedeutungsschwanger, zu konstruiert und nicht immer glaubwürdig ausfallen. Offensichtlich, wie man auch am Beispiel des Mandela-Films Goodbye, Bafana gesehen hat, ist die Geschichte des südafrikanischen Politikers zu gewaltig, zu unvorstellbar, um nicht den Versuchungen einer Überinszenierung zu erliegen.

In wenigen Monaten beginnt bekanntlich die Fußball-WM in Südafrika, genau 15 Jahre ist es dann her, dass die „Springboks“ mit der Unterstützung der gesamten Nation die Weltmeisterschaft im Rugby errangen. Vielleicht lässt sich der Coup von 1995 ja noch einmal wiederholen, und zwar in der Lieblingssportart der schwarzen Bevölkerungsmehrheit. Ob Clint Eastwoods neuer Film bei den Oscars punkten kann, wissen wir hingegen schon bald. Wäre die Konkurrenz in diesem Jahr nicht so stark, stünden die Chancen für das äußerst solide inszenierte Drama nicht schlecht. Schließlich bietet es genau die Mischung aus großen Emotionen, verdienten Schauspielern und milde politischer Botschaft, die die Academy gerne mal mit einem Goldjungen verziert.

Invictus - Unbezwungen

Man stelle sich vor, die deutsche Wiedervereinigung habe nicht 1990 stattgefunden, sondern erst im Jahre 2006. In jenem Jahr also, in den die Fußball-WM von Deutschland ausgerichtet wurde. Dann stelle man sich weiter vor, die deutsche Nationalmannschaft wäre aus jenem Turnier als strahlender und vollkommen unerwarteter Sieger hervorgegangen – das wäre wahrlich ein Sommermärchen gewesen.
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Meinungen

Ralf Haupts · 23.12.2009

Ein beeindruckender Mann, ein beeindruckendes Land - ein beeindruckender Film. Ich sehe den Film in Cape Town und ALLE, weiße wie schwarze, verlassen sehr bewegt das Kino.