Intruders

Eine Filmkritik von Lida Bach

Kinder des Schattens

„Dass du mir jetzt nicht von Monstern träumst!“ Träumt man nicht immer von Monstern, wenn die Eltern davor warnen? Als würden Worte wie die von Juans Mutter Luisa (Pilar López de Ayala) in der Anfangsszene die nächtlichen Besucher erst beschwören, die sie vertreiben sollen. Als wollten die Eltern, dass man sich fürchtet und Schutz bei ihnen sucht, weil sie selbst Angst allein im Dunkeln haben. Im Schattenreich von Intruders heißt dieses Dunkel nur in der Kindheit Nacht, später Verlassensein und Einsamkeit. Sie vereinen sich zu der dämonischen Präsenz, die zum Bindeglied der einander spiegelnden Handlungsebenen von Juan Carlos Fresnadillos psychologischem Gruselmärchen wird. Die Titelcharaktere sind jedoch andere Eindringlinge in die kindliche Fantasiewelt, nicht unheimlich fremd, sondern erschreckend vertraut.
Mit ihrer Mahnung öffnet Luisa die Tür für das Monster aus dessen Einschlafgeschichte. Ein symbolischer Akt, den sie später mit dem Auflassen von Juans Zimmerfenster praktisch wiederholt. Statt der Hauskatze klettert von draußen das Grauen herein, als käme es direkt aus der Einschlafgeschichte, die der kleine Junge (Izan Corchero) seiner Mutter erzählt. Unbeendete Geschichten sind gefährlich in dem mit einer Vielzahl allegorischer Motive gespickten Horrorfilm. Dass Fresnadillos Werk selbst eine dieser unbeendeten Geschichten ist, macht es auf der einen Seite dramaturgisch unbefriedigend, verleiht ihm jedoch auf der anderen Seite den mysteriösen Reiz, den die Klassenlehrerin der jungen Mia (Ella Purnell) lobt: „Du hast uns alle gefesselt und das Ende unserer Fantasie überlassen.“

Der Schulaufsatz der Zwölfjährigen schildert die gleiche Geschichte, die Jahrzehnte zuvor Juan aufschrieb, während er sie seiner Mutter erzählte. Der Schrecken, der ihm in jener Nacht widerfährt, wirkt wie eine Strafe für Juans Übernahme der Erwachsenenrolle als eigenständiger Geschichtenerzähler. Jahre später trifft die gleiche Strafe Mia für den gleichen Verstoß. Die Verbindung zwischen den Handlungssträngen ist nicht so geheimnisvoll wie es die Inszenierung vorgibt. Vielmehr betonen die Parallelen überdeutlich die psychologischen Konturen, mit denen Fresnadillos originell, doch nicht immer sicher den Plot umrahmt. Aus Juans Leben kann der Schrecken vertrieben werden, in seiner Vorstellung jedoch nistet er sich häuslich ein und wartet darauf auszubrechen. Als Mia Juans in einem Astloch versteckte Erzählung findet, ist die Zeit gekommen: „…weil nämlich Eltern immer bereit sind alles zu tun, um ihre Kinder zu beschützen.“ Manchmal mehr, als für die Kinder gut ist.

Die Eltern sind die Intruders des Titels, die in die kindliche Psyche eindringen und die Monster dort loslassen. „Hollowface“ heißt das Schreckgespenst, das Juan und Mias Gesichter stehlen will, um sie selbst zu tragen. Seine namensgebende Gesichtslosigkeit und sein Verlangen nach Liebe stehen sinnbildlich für die elterliche Furcht vor Einsamkeit. Erstmals erscheint Hollowface Mia in der Nacht ihres zwölften Geburtstags. Der Übergang zum Jugendalter beunruhigt ihren Vater John (Clive Owen) mehr als Mias Ängste. John holt ein Gute-Nacht-Buch für Kleinkinder und inszeniert eine symbolische Monsterverbrennung, die nicht nur seine Frau (Carice Van Houten) überspannt findet. Sie wüsste, dass Hollowface nicht existiert, schreibt Mia einer Psychologin auf, nachdem er ihr bei ihrer ersten Begegnung den Mund und somit die Sprache gestohlen hat: „Aber er weiß es nicht.“ Er könnte Hollowface sein, wahrscheinlicher aber Mias Vater, dem sie unwissentlich einen an Hollowface gerichteten Zettel in den Wandschrank reicht.

In Umkehr des traditionellen Horrorschemas, demzufolge Kinderangst Monster stärkt, existiert Hollowface durch Johns Elternangst vor Mias erwachender Sexualität. „Sie trägt schon Lippenstift“, lässt John den Teddybär sagen, den er Mia wie eine Ermahnung zur Kindlichkeit zum Geburtstag mitbringt. Sein tatsächliches Geschenk jedoch wartet viel länger auf Mia: In der Erzählung, die wie ein Schattengesicht auseinander stiebt, bevor sie einen beruhigenden Schluss gefunden hat. Und unvollendete Geschichten sind gefährlich.

(Lida Bach)

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Horrorfilme haben momentan wieder ein kleines Hoch. Nach dem schönen Insidious, den extrem erfolgreichen Paranormal Activity-Filmen und dem miesen The Devil Inside – nur um ein paar zu nennen – kommt mit Intruders schon der nächste Grusler an den Start. Doch so richtig will das Clive Owen-Vehikel nicht in Gang kommen. Ein Grund hierfür ist unter anderem der eigentlich schöne Plan, zwei zeitliche Ebenen mit verschiedenen Stories aber ähnlicher Grundlage miteinander zu verweben. Irgendwie bremst die eine immer wieder die andere Geschichte aus. Trotz einiger schöner Ideen und optischer Ausreißer nach oben, bleibt da leider nur durchschnittliches Mainstreamkino.

Mia lebt heute, Juan in der Vergangenheit. Und beide Kinder haben den selben Albtraum, in dem ein gesichtsloser Fremder ihnen das Gesicht stehlen will. Auch Mias Vater John, der zu Anfang natürlich seiner Tochter nicht glaubt, beginnt den Schattenmann zu sehen – während Ehefrau Sue beide für verrückt hält. Doch der unheimliche Fremde wird immer aggressiver in seinem Kampf um Mias Gesicht. Und auch der kleine Juan lebt immer gefährlicher.

Eine milde Enttäuschung ist er geworden, der neue Film von Juan Carlos Fresnadillo. War sein Vorgängerfilm 28 Weeks Later noch wie aus einem Guß sowie konsequent spannend und actionreich, bietet zwar auch sein aktuelles Werk Intruders einige optische Leckerbissen und intensive Momente. Doch zu oft dümpelt der Film, dessen beide Geschichten nicht uninteressant sind, vor sich hin. Klar, es ist durchaus spannend anzusehen, wenn der nächtliche, unheimliche Besucher aus dunklen Ecken tritt und seinem Tagewerk bzw. Nachtwerk nachgeht, doch hat man immer das Gefühl, dass hier mit angezogener Handbremse gefahren wird. Auch kommt der finale Plottwist gut und überraschend, doch ist bis dahin sicher schon mancher Zuschauer ausgestiegen. Hauptproblem ist eindeutig das schwache Drehbuch, dass einfach hätte stärker fokussiert sein müssen.

Intruders macht es dem Zuseher nicht leicht, unterhält jedoch als kleiner Gruselsnack zwischendurch. Doch gerade Genrefans, die schon alles gesehen haben, werden enttäuscht sein.

Intruders

„Dass du mir jetzt nicht von Monstern träumst!“ Träumt man nicht immer von Monstern, wenn die Eltern davor warnen? Als würden Worte wie die von Juans Mutter Luisa (Pilar López de Ayala) in der Anfangsszene die nächtlichen Besucher erst beschwören, die sie vertreiben sollen.
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