Independence Day: Wiederkehr (2016)

Eine Filmkritik von Olga Galicka

Die Gefahr für die Zivilisation, das sind die Filmemacher

Die Premiere des ersten Teils von Independence Day 1996 fiel noch knapp in die magische Zeit irgendwo zwischen der Mitte der Achtziger und Ende der Neunziger Jahre, in der amerikanische Blockbuster noch funktionierten. Als es noch darum ging, einen Film durch eine solide Handlung und interessante Schauspieler und erst im letzten Schritt durch visuelle Effekte zu einem Spektakel zu machen. Dann kam das CGI, wovon Independence Day schon reichlich Gebrauch machte, und noch Schlimmeres: Michael Bay. Er zeigte, wie man Elemente, die einen Film für das Publikum ansprechend machen, recyceln und schauspielerische Leistung und Handlung zu einem insignifikanten Nebenprodukt machen kann. So wurden im darauffolgenden Jahrzehnt Action-Blockbuster am laufenden Band produziert, ohne dass auch nur einmal Innovation oder anderweitige Arbeit hineingesteckt werden musste. Schon Independence Day steht irgendwo zwischen den Stühlen, ist nicht mehr der gute Blockbuster wie Lethal Weapon, Die Hard oder Terminator, aber doch noch weit von der Uniformität und Geschmacklosigkeit von Bad Boys 2 oder schlimmer – Transformers – entfernt. Es war ein solider Sommerlochfilm mit patriotischem Anstrich, aber doch unterhaltsam.

In Independence Day 2: Wiederkehr entwirft Roland Emmerich nun eine Gesellschaft, die sich in ihrer Entwicklung von unserer entfernt hat. Der Angriff der Außerirdischen auf die menschliche Zivilisation vor genau zwanzig Jahren hat zum Weltfrieden geführt. Konflikte wurden beigelegt, ein internationales Gremium unterschiedlicher Staatsoberhäupter kümmert sich um den Erhalt der Menschheit und die Entwicklung neuer Technologie basierend auf der von den Außerirdischen zurückgelassenen Technik. An dessen Spitze stehen selbstverständlich die USA, die, wie könnte es in einer perfekten und friedlichen Zukunft anders sein, von einem weiblichen Präsidenten angeführt werden. Präsidentin Elizabeth Lanford (Sela Ward) scheint zwar in ihrem Auftreten entschieden, gerät dennoch bald vor ihrem männlich dominierten Stab in den Hintergrund. Dieses Schicksal trifft auch die anderen wenigen weiblichen Charaktere, wie sehr Emmerich auch krampfhaft versucht, ihnen in unterschiedlicher Form Bedeutung beizumessen.

Entscheidungen werden nämlich im großen Stil von Männern getroffen, aber wie sollte es auch anders sein, wenn die bösen Außerirdischen zurückkehren und das mit einem Schiff von absurden Parametern – mit ganzen 5000 Kilometern im Diameter wird es zu einem Gegner, mit dem die Erde nicht gerechnet hatte. Jeff Goldblums lapidarer Kommentar, es sei „größer als das letzte Mal“, scheint selbst bei ihm Ansätze von Selbsthass auszulösen. Alleine die Landung des Schiffs hebt das Gravitationsfeld in ganz Asien auf, um den gesamten Kontinent nachfolgend auf London stürzen zu lassen. Dass dieses Bild weder geografisch noch geometrisch aufgeht, ist schon nicht mehr einer Erwähnung wert. Wie einfallslos Emmerichs „the bigger, the better“-Motto ist, hingegen schon. Zwanzig Jahre hat Emmerich für den Nachfolgerfilm gebraucht. Diese sind offensichtlich völlig sinnlos ins Land gestrichen. Anstatt mit spannenden Zukunftsvisionen aufzutrumpfen, bedient er jedes Klischee, vor dem sich ein jeder Regisseur selbst heute noch fürchten müsste. Es reicht nicht, einen Schulbus voller schreiender Kinder vor einer überdimensionalen Alienkönigin fliehen zu lassen. Er schafft es zudem, jeden dramatischen Moment mit einem schlecht platzierten Slapstickgag enden zu lassen.

Auch auf starke Schauspieler verzichtete man. Will Smith wollte an der Produktion nicht teilnehmen und so blieb nur noch Jeff Goldblum in der Rolle von David Levinson, seit dem letzten Film zum Experten im Kampf gegen außerirdisches Leben aufgestiegen. Er wird zum letzten Strohhalm der schauspielerischen Leistung, scheint dieser Aufgabe jedoch schnell überdrüssig zu werden. Neben Goldblum tritt eine Masse an jungen Neuzugängen an, eine neue Generation, der jedoch kaum ein Gesicht gegeben wird. Doch das ist vielleicht auch nicht nötig, denn sie sind gerade deswegen der Kern des Films und seiner Problematik. Emmerich konstruiert ein Bild des amerikanischen Waisenkindes. Denn die fünf jungen Helden, die die Welt vor dem Angriff der Außerirdischen retten müssen, sind Halb- oder Vollwaisen. Zum Ende des Films verlieren jedoch alle von ihnen ihre letzten biologischen Verwandten. Doch das ist nicht weiter schlimm, denn die USA konnten ihnen über zwanzig Jahre hinweg Vater und Mutter ersetzen, aus ihnen beeindruckende Krieger machen. Sie bieten vielleicht sogar mehr als Eltern einem bieten könnten. Die USA an der Spitze der Welt sind der große Beschützer und zumindest innerhalb des eigenen Sonnensystems allmächtig. Und dass sie wie ein guter Elternteil alles für ihre Kinder, ihre Waisen gegeben haben, wird nicht nur einmal in einer pathetischen Rede samt passender Hintergrundmusik verdeutlicht.

Emmerichs „the bigger, the better“-Konzept gilt nicht nur für das Ausmaß der Katastrophe, es gilt auch für den im Film mitschwingenden Patriotismus. Als würde er statt der Tränen- eine Patriotismusdrüse suchen, auf der er so lange herumdrücken kann, bis auch der letzte Zuschauer vergisst, dass er gerade einen schlechten Film sieht. Denn zu keiner Zeit ist das Geschehen spannend. Im Gegenteil: nie glaubt man wirklich, dass die Erde in ernsthafter Gefahr ist. Es tut nicht weh, die Knightsbridge dahinstürzen zu sehen, ebenso wenig interessiert einen, dass das Weiße Haus in letzter Sekunde verschont bleibt. Doch in Zeiten politischer Unsicherheiten, der fernanklopfenden Flüchtlingswelle, der Angriffe des IS oder – noch viel schlimmer – innerer Konflikte wie die unzähligen Tode von schwarzen Mitbürgern durch weiße Polizeigewalt oder immer lauter werdenden Rufe nach Gun control, ist es doch am schönsten, sich als Nation auf der Leinwand geeint zu sehen in einem vermeintlichen Diversity-Amerika wie aus dem Bilderbuch. Mit einer Frau an der Spitze des Staates und einem schwarzen Helden, der in zweiter Generation die Welt rettet. Und die nächste Generation von Waisenkindern steht schon vor der Tür. Zu welch einer großen Zukunft es die USA im angekündigten dritten Teil bringen wird, ist eine wahrlich gruselige Vorstellung.
 

Independence Day: Wiederkehr (2016)

Die Premiere des ersten Teils von „Independence Day“ 1996 fiel noch knapp in die magische Zeit irgendwo zwischen der Mitte der Achtziger und Ende der Neunziger Jahre, in der amerikanische Blockbuster noch funktionierten. Als es noch darum ging, einen Film durch eine solide Handlung und interessante Schauspieler und erst im letzten Schritt durch visuelle Effekte zu einem Spektakel zu machen.

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