In memoria di me

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Berlinale Wettbewerb

An einem kühlen Herbsttag betritt der junge Andrea (Christo Jivkov) erstmals das Kloster, in dem er sich zum Priester ausbilden lassen will. Für ihn ist der Weg zum Priesteramt auch eine willkommene Chance seiner Sinn- und Lebenskrise zu entfliehen. Mit nur einem einzigen Schritt verlässt er seine gewohnte Umgebung und begibt sich in eine Welt, in der Entbehrung, Disziplin, Meditation, Isolation und das Schweigen regieren. Doch schon bald plagen Andrea erste Zweifel an seiner Berufung zum Priesteramt, ist die Atmosphäre im Kloster nicht die, die er sich vorgestellt hat. Die Gemeinschaft aus Priestern, Mönchen und Novizen ist ein eigenes, wenn auch kleines Universum, in dem eine nahezu perfekte Überwachung des Individuums praktiziert wird. Die Novizen sind angehalten jede auch noch so kleine Verfehlung innerhalb des strikten Tageablaufs aus Gebeten, Unterricht und christlichen Ritualen sofort der Obrigkeit zu melden. Trotz der Unterstützung durch seinen Mentor, den Abt (André Hennicke), versagt Andrea bei der Glaubensprüfung. Er beschließt das Kloster zu verlassen, doch das erweist sich als bedeutend schwerer als gedacht.

Schon mit Private, der 2004 den Goldenen Leoparden auf dem Filmfestival von Locarno gewinnen konnte, erschuf Regisseur Saverio Costanzo einen Film der in einem eng geschlossenen Raum spielte, in dem intellektuelle Freiheit und Gehorsam gegenüber den Autoritäten in den Mittelpunkt der Betrachtung rückten. War es in Private noch eine palästinensische Familie, die eine Besetzung ihres Hauses durch israelische Soldaten erleiden musste, beleuchtet Costanzo nun eine ähnliche Konstellation, basierend auf der Novelle Il gesuita perfetto (Der perfekte Jesuit) von Furio Monicelli, aus einer anderen Perspektive. „Das Kloster ist eine geschlossene Gemeinschaft, eine Metapher auf die Welt, in der sich die Dynamik der macht und des Wettbewerbs wiederholen“, so Costanzo. „Niemand muss bleiben, aber es bedarf viel Mut, um zu fliehen.“

In manchen Passagen erinnert Costanzos Film an den deutschen Dokumentarfilm Die große Stille, auch hier ist es der Blick für Details und die Macht der Stille, die die Bilder und Töne des Films beherrschen. Beindruckend ist vor allem der deutsche Schauspieler André Hennicke, der mit seinem markant-eingefallenene Gesicht genau die richtige Besetzung für die Rolle des Pater Superior ist. Ansonsten aber herrscht viel bedröppelter und weinerlicher Weltschmerz vor, und wirklich fesseln kann das schwermütige Drama nicht, zumal die beinahe schon manische Auseinandersetzung der Italiener mit dem Katholizismus beinahe schon etwas Gebetsmühlenartiges hat. Immerhin aber liefert In memoria di me in seinen guten Momenten ansehnliches Augenfutter, was man bislang beliebe nicht von jedem Film behaupten kann. Manchmal ist man eben schon mit ziemlich wenig zufrieden.
 

In memoria di me

An einem kühlen Herbsttag betritt der junge Andrea (Christo Jivkov) erstmals das Kloster, in dem er sich zum Priester ausbilden lassen will. Für ihn ist der Weg zum Priesteramt auch eine willkommene Chance seiner Sinn- und Lebenskrise zu entfliehen.

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