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Ein Heim, in dem sie den ganzen Tag die Decke anstarren muss, kann sich der Vater der Dokumentarfilmerin Fanny Bräuning für ihre fast vollständig gelähmte Mutter nicht vorstellen. Noch im Alter von 70 Jahren geht er mit ihr auf Reisen. Die Krankheit hat diese Ehe regelrecht zusammengeschmiedet.

Immer und ewig (2018)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Zu zweit das Schicksal auf die Reise nehmen

Ein Ehepaar im Rentenalter packt für eine ausgedehnte Autoreise in den Süden Europas. Annette, die Frau mit den strahlenden blauen Augen, meint lächelnd: „Der Niggi findet, ich nehm viel zu viel Kleidung mit. Da sage ich, ich bin eine Frau, ich brauche Abwechslung!“ Niggi hat seinen Kleinbus innen ausgebaut, so dass er Annette mit wenigen Handgriffen Abend für Abend aus dem Rollstuhl ins Bett hieven kann. Sie leidet an Multipler Sklerose und ist seit 18 Jahren vom Hals abwärts gelähmt.

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Es ist nicht die erste Reise, die das Schweizer Ehepaar Bräuning unter diesen erschwerten Bedingungen unternimmt. Aber diesmal ist Tochter Fanny mit der Kamera dabei. Die Filmemacherin Fanny Bräuning, die in Berlin lebt, interessiert sich nicht nur dafür, wie so eine Reise verläuft, wie die Eltern sie gestalten, was sie ihnen bringt. Sie will auch das geheime Rezept dieser ungewöhnlichen Ehe ergründen und die Eltern in Einzelgesprächen befragen, wie sie über ihr Leben denken. Das Ergebnis ist ein wunderbarer Dokumentarfilm über eine große Liebe und zwei Menschen, die immer wieder für Überraschungen gut sind in ihrer Art, das Schicksal gemeinsam anzunehmen.

Die Fahrt geht zunächst nach Griechenland. Weder die Enge auf einer Autofähre, noch unbefestigte Straßen können Niggi ausbremsen. Er legt eine Rollstuhlrampe an den Bus an, schiebt Annette zu den besten Aussichtspunkten, damit sie das Meer, den Strand, den Sonnenuntergang genießen kann. Während der Fahrt sitzt Annette auf dem Platz des Beifahrers. „Sogar das Autobahnfahren mag ich“, sagt sie ihrer Tochter. „Er fährt so gut, so sicher.“ Sie stelle sich dann vor, dass sie selbst am Steuer sitze.

Niggi wirkt unermüdlich und ist offenbar ein Mensch, der sich nicht mit Kompromissen zufriedengibt. Einmal hält er seiner Frau einen großen Spiegel hin, damit sie aus dem abgestellten Auto auch das hinten liegende Gebäude sehen kann. Auf dem Außendeck eines Schiffs, auf der Terrasse einer Taverne, in der Loge eines Konzerthauses sitzen sie zusammen, nachts liegen sie nebeneinander im Bus.

Die Tochter kommt selten ins Bild, sie fängt die Situationen so ein, wie ihre Eltern sie auch sonst auf Reisen zu zweit bewältigen. Dass sie dabei ist, merkt man vor allem, wenn sie das Gespräch mit der Mutter, dem Vater sucht. Ob er mal daran gedacht habe, zu gehen und sein eigenes Leben zu leben, will sie einmal vom Vater wissen. Diese Frage habe sich ihm nie gestellt, antwortet Niggi. Auch dass er seinen Beruf als Fotograf schon vor vielen Jahren aufgab, bereue er nicht. Was er anpacke, könne er nicht halbherzig tun.

Im Verlauf der Reise wird das gegenseitige Geben und Nehmen in dieser Beziehung sichtbar. Niggi springt immer wieder mal mit dem Fotoapparat hinaus, lässt Annette für eine Weile im Auto zurück. Auf Sizilien beichtet sie der Tochter, dass sie auch ganz gerne wieder daheim wäre, in der Obhut der Pflegekräfte und Therapeuten, die dort zu ihrem Alltag gehören. Dass sie aber weiß, wie sehr Niggi diese Abwechslung liebt, die er sich ohne sie nicht gönnen würde.

Kleine Meinungsverschiedenheiten treten auf, vor allem aber rücken Gesten der Zärtlichkeit und Zuneigung ins Visier, Worte, die beweisen, wie tief diese Liebe wurzelt. Fanny Bräuning schneidet Fotos, kleine Filmauschnitte von früheren Urlauben der Eltern dazwischen. Mal sieht man das Paar beim Campen mit den kleinen Töchtern, mal die beiden jungen Verliebten, die sich glücklich aneinander schmiegen. Annette lernte Niggi mit 18 Jahren kennen, als sie ihre Ausbildung zur Grafikerin begann. Sie gingen schon in der bewegten Flower-Power-Ära zusammen auf Reisen. Seit 1977 lebt Annette mit der Diagnose Multiple Sklerose. Zuerst ging sie am Stock, dann saß sie im Rollstuhl, 1999 fiel sie ins Koma und erwachte als Tetraplegikerin. Sie musste wieder sprechen lernen.

Gerade die alten Fotos des jungen Paares lassen erahnen, welch freiheitsliebender, von Selbstvertrauen geprägter Geist in dieser Ehe weiterlebt. Er blitzt in Annettes Humor wieder auf, in Niggis schwungvoller Unternehmungslust. Einmal aber verrät der Vater seiner Tochter, dass es schwer für ihn sei, den Lebenswillen für beide zu erhalten. Annette spricht sehr offen über ihre zwiespältigen Gefühle, setzt sich mit der Frage auseinander, wie sehr sie noch am Leben hängt.

Die Intensität dieser Beziehung erinnert an Michael Hanekes Liebe, quasi als optimistisches Gegenstück zu diesem Drama. Auch weckt Bräunings berührender Dokumentarfilm Erinnerungen an das auf einer wahren Geschichte basierende englische Drama Solange ich atme von Andy Serkis, in dem eine Frau mit ihrem auf ein Beatmungsgerät angewiesenen Mann verreist. Annette und Niggi können mit ihrer Liebe, ihrem Zusammenhalt keine Wunder bewirken. Sie wussten früh, dass das Leid nur noch zunehmen wird. Aber sie haben beschlossen, ihm gemeinsam so viel Erfüllung entgegenzusetzen, wie ihre Kraft und Inspiration nur hergeben. Fanny Bräunings Porträt ihrer Eltern als Ehepaar bietet ein bereicherndes Kinoerlebnis.

Immer und ewig (2018)

Niggi, leidenschaftlicher Fotograf und Tüftler, hat seine Annette schon gefunden. Das reiselustige Paar verbindet die unerschütterliche Liebe zum Leben, obwohl es auf eine harte Probe gestellt wurde. Seit nunmehr 20 Jahren ist Annette vom Hals abwärts gelähmt und rund um die Uhr auf Hilfe und Pflege angewiesen. Nun sind beide Ende 60, aber Niggi als visionärer Pragmatist fordert das Leben immer noch heraus: Kreuz und quer durch die Weltgeschichte zu reisen, wie früher, als sie noch nicht an MS erkrankt war. Dafür machte Niggi das Unmögliche möglich und baute einen Bus so um, dass sie allen Einschränkungen zum Trotz reisen können.

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Meinungen

Martin Zopick · 23.03.2023

Weil es ein Märchen ist, das jeder kennt, ist es legitim die Handlung zu ergänzen bzw. durch Blasenbildung auszuschmücken. Das macht die Cinderella Story spannend, amüsant und zu einem Feel-Good Movie für Groß und Klein. Prall gefüllt auch mit waghalsigen Stunts um eine Love-Story, die den märchenhaften Charakter des Films grandios herausarbeitet.
Die genialste Ergänzung ist die Figur des Leonardo da Vinci (Patrick Godfrey), der in den Plot passt wie die Hand in einen Handschuh und das Niveau als Ganzes hebt. Außerdem fertigt er ein Bild der Titelfigur an, das dem Genie nachempfunden ist.
Und die Spitzfindigkeit der Dialoge erdet die Figuren wiederum, wenn z.B. Danielle de Barbarac (Drew Barrymore) – so heißt jetzt das ‘Aschenputtel‘ im Haushalt der Stiefmutter (Angelica Huston) – dem Prinzen ihres Herzens die sozialen Unterschiede erklärt. Prinz Henry (Dougray Scott) hat ein Imageproblem: mutig, charmant, ein Beau wie aus dem Bilderbuch. Danielle wird sein Herz öffnen, ohne aufdringlich zu sein hält sie mit ihrer Offenheit nicht hinterm Berg. Wenn’s draufankommt versetzt sie Stiefschwester Marguerite (Megan Dodds), dem kleinen Jähzorn, auch ein Veilchen aufs Auge.
Darstellerisch spielt aber Angelica Huston alle Kollegen an die Wand und dabei ist ihr Part der komplexeste von allen. Sie darf ihrer Tochter mit dem blau umrandeten Auge auch den Filmtitel erläutern ‘Das ist doch unsere Cousine, die du meistens Cinderella nennst.‘ Am Ende werden die beiden bösen Frauen spektakulär mit einem Sturz in den Waschzuber bestraft. Der letzte Satz enthält den Originaltitel: ‘Ever After‘: dass Cinderella und ihr Prinz auf immer und ewig glücklich zusammenlebten.‘