Ich will mich nicht künstlich aufregen (2014)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Im Gefängnis der Kreativwirtschaft

„Scheiße, scheiße, scheiße“ — wie ein Mantra murmelt die Kuratorin Asta Andersen (Sarah Ralfs) diese Worte immer wieder, während sie sich am Boden wälzt. Es ist der initiale und einzige Moment, in dem die Hauptfigur von Max Linz‘ Abschlussfilm an der DFFB die Contenance verliert. Ansonsten irrlichtert die Protagonistin durch die Untiefen der Berliner Kreativwirtschaft, verliert sich in Diskursen und Diskussionen und versucht en passant, die Finanzierung der Ausstellung „Das Kino. Das Kunst!“ (sic!) zu retten, die aufgrund eines missglückten Radiointerviews auf Eis gelegt wurde.

Wie diese Ausstellung, um die sich alles dreht, aussehen könnte, davon bekommt man eine Ahnung, wenn immer wieder ganz normale Berliner unter Astas Anleitung die einschlägig bekannten Theorietexte vortragen, stockend und ohne jede Ahnung davon, was diese Ungetüme eigentlich bedeuten. Ob das wirklich die Art von Ausstellung ist, die die Kulturmetropole Berlin noch gebraucht hat, daran bekommt man trotz Astas sympathischer Erscheinung und ihrem beeindruckenden Engagement dann doch erheblichen Zweifel. Wobei aber auch unschwer zu erkennen ist, dass deren Projekt vielleicht auch deswegen so vage und wolkig gefasst sein könnte, weil es die ideale Projektionsfläche für all die anderen „Projekte“ des Berliner und bundesdeutschen Kulturprekariats bilden will.

Am Ende wird die coole Asta, die geschickt alle Fäden zu ziehen und alle Chancen zu nutzen versteht, den Sieg über das Förder- und Verwaltungssystem und dessen Vertreter davontragen. Doch ist es wirklich einer – oder nicht vielleicht doch eher ein Pyrrhus-Sieg, weil sie dem System, an dem sie sich eigentlich abarbeiten wollte, nicht entkommen kann? Anders gefragt: Haben die Theorien von einst, die Träume von einem politischen Kino in der heute restlos durchökonomisierten Welt der Kreativwirtschaft überhaupt noch irgendeine Bedeutung, irgendeine Relevanz? Oder ist das Diskursgeblubber längst zu einem Marketingfaktor und Intellektuellen-Bullshit-Bingo verkommen, bei dem weniger der „Content“ des Gesagten zählt, sondern vielmehr die Tatsache, dass die Schlagworte und relevanten Namen überhaupt irgendwann fallen? Hören wir einander überhaupt noch zu oder sind wir Stichwortgeber und Pawlowsche Hunde, die bei dem vereinbarten Signalton Speichel (oder großspurige Konzeptpapiere unserer neuesten „Projekte“) absondern?

Virtuos und mit eben jener Künstlichkeit durchsetzt, deren Anwesenheit der Filmtitel noch verneint, entwirft Max Linz in seiner wütend-sarkastischen Satire Miniaturen, die die verschiedenen Format der Bildmedien (Theater, Sitcom, Werbung, Dokumentarfilm, Online-Archiv, musealer Raum) durchspielen, verweist immer wieder auf die Vordenker des neuen deutschen Kinos und Geisteslebens (Alexander Kluge, Straub/Huillet, Horkheimer/Adorno), denen er sich bereits in der Internetserie Das Oberhausener Gefühl widmete und lässt trotz oder gerade wegen dieser Gewährsleute Asta immer wieder in Sackgassen und Einbahnstraßen tappen, aus denen es kein Entrinnen gibt.

„Kafka goes Kreativwirtschaft“, so könnte der geheime Untertitel dieser labyrinthischen Odyssee durch diverse Kunsträume und Kunstwelten (Brecht-Yoga!) lauten. Und am Ende gibt es „nur noch Festivals“, wie es an einer Stelle des Films so schön heißt. Die von Guy Debord diagnostizierte Gesellschaft des Spektakels, so könnte man die heiter-resignative Weltsicht von Max Linz ausformulieren, ist längst dabei, sich zu verwirklichen und von uns allen als Blaupause des kreativen Lebens und Handels verinnerlicht zu werden. Das Lachen, das der Film unweigerlich produziert, ist ein erschrecktes, eines, das einem im Hals stecken bleibt. Weil man das Muster erkennt und sich ihm dennoch fügen muss. So ist der Film letztendlich auch ein sehr realer Horrorfilm – gänzlich ohne Blut und Gedärme und doch mit einem Schreckensszenario, das sich tief in die Eingeweide und in den Kopf frisst.

Dass Ich will mich nicht künstlich aufregen in seiner durchdachten und klugen Systemschelte von der DFFB überhaupt produziert und zudem vom Medienboard mitfinanziert wurde, setzt Astas Marsch durch die Institutionen in die realen Entstehungsbedingungen des Films fort – eine Verlängerung und Parallelisierung des Fiktiven ins Reale, die sämtliche der erwähnten Theoretiker in helle Begeisterung versetzt hätte. Eine weitere Volte in einer herrlich entlarvenden Satire, die freilich vor allem all jene Zuschauer erreichen wird, die selbst tagtäglich als Bestandteil des Kultursystems gegen dieses ankämpfen, um am Schluss doch glücklich zu sein, sich von ihm schlucken zu lassen. Welcome to the machine! Und: There is no escape! Vielleicht erklärt sich aus diesem bitterbösen finalen Twist ja der Beginn, an dem wir sie fluchend am Boden liegen sehen: „Scheiße, scheiße, scheiße…“.

„Protect me from what I want“, lautet eine der Leuchtschriften der Künstlerin Jenny Holzer. Am Ende von Ich will mich nicht künstlich aufregen bekommen wir eine Ahnung davon, was damit gemeint sein könnte.
 

Ich will mich nicht künstlich aufregen (2014)

„Scheiße, scheiße, scheiße“ — wie ein Mantra murmelt die Kuratorin Asta Andersen (Sarah Ralfs) diese Worte immer wieder, während sie sich am Boden wälzt. Es ist der initiale und einzige Moment, in dem die Hauptfigur von Max Linz‘ Abschlussfilm an der DFFB die Contenance verliert.

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