Ich will dich - Begegnungen mit Hilde Domin

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Intimes Porträt einer großen Dichterin

Als die Filmemacherin Anna Ditges in einer Buchhandlung zufällig auf den Gedichtband Nur eine Rose als Stütze von Hilde Domin stieß, war das der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Begegnungen zwischen der jungen Frau und der großen Poetin, die schließlich in einem berührenden Filmdokument mündeten. Kurz entschlossen suchte die Studentin der Hochschule für Kunst und Medien in Köln Hilde Domin in ihrem Haus in Heidelberg auf; bereits die erste Begegnung mit der als schwierig und egozentrisch geltenden Dichterin war von einer solchen Intensität, dass Ditges sich dafür entschied, ihren ersten Film über diese ungewöhnliche Frau zu machen.
Über zwei Jahre hinweg begleitete die junge Filmemacherin Hilde Domin durch den Alltag, und fast scheint es so, als seien die beiden für die Zeit des Dokumentierens eine Lebensgemeinschaft eingegangen, als hätten die beiden Frauen, die fast siebzig Jahre trennen zusammen gewohnt, gelebt und alles geteilt. Vor diesem Hintergrund ist auch die teilweise irritierende Nähe zu erklären, die diesen Film auszeichnet, die ihn oft genug als Werk von großer Ambivalenz erscheinen lässt. Denn zum einen spricht die normalerweise Journalisten gegenüber recht scheue Hilde Domin recht freimütig über ihr bewegtes Leben, lässt Stationen wie die Kindheit in Köln, die Studienzeit in Heidelberg, die traumatische Erfahrung des Exils während des Dritten Reiches – Hilde Domin war Jüdin – und die Rückkehr nach Deutschland im Jahre 1954 Revue passieren – immer wieder untermalt von historischen Bildern, von zeitgenössischen Aufnahmen und von Gedicht-Rezitationen, die von Anna Thalbach vorgetragen werden. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder Momente, in denen aus der Nähe eine bedrängend wirkende Enge wird, wenn etwa Hilde Domin bittet, die Kamera abzuschalten und diese ungerührt weiterfilmt. Immer wieder kommt die Kamera der Dichterin sehr nahe, zu nahe und erzeugt Abwehr und Verärgerung. Ähnliches gilt für die Fragetechnik, die manchmal banal, dann wieder impertinent wirkt und die es doch immer wieder schafft, ungeahnte Einblicke in ein Jahrhundertleben freizulegen.

Ein Film von irritierender Nähe und Intimität, manchmal beiläufig beobachtend, dann wieder insistierend, forschend bis zur Penetranz, so dass die Dichterin beinahe peinlich berührt wirkt. Doch niemals hat man das Gefühl, dass hier die vielfach berührten Grenzen des Intimen überrannt werden, vielmehr haben sie sich im Laufe der Begegnungen mit Hilde Domin immer wieder verschoben, wurden neu definiert und verhandelt. Gut möglich, dass ein defensiveres Verhalten zu einem vollkommen anderen Ergebnis geführt hätte, an manchen Punkten hätte man sich ein wenig mehr Distanz der Filmemacherin gewünscht. Zugleich aber, und das zeichnet diesen Film vor allem aus, kommt man hier einer bemerkenswerten Frau so nahe wie selten zuvor in einem Künstlerporträt und durchlebt manches auf schmerzhafte Weise neu, was die im Jahre 2006 verstorbene große Lyrikerin Hilde Domin Zeit ihres Lebens erfahren musste.

Ich will dich - Begegnungen mit Hilde Domin

Als die Filmemacherin Anna Ditges in einer Buchhandlung zufällig auf den Gedichtband Nur eine Rose als Stütze von Hilde Domin stieß, war das der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Begegnungen zwischen der jungen Frau und der großen Poetin, die schließlich in einem berührenden Filmdokument mündeten.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Barbara · 20.10.2009

Anna Ditges hat es wunderbar verstanden, dass Herz der sehr agilen und selbstbewussten Hilde Domin zu erobern. Ohne Voyeurismus hat sie es geschafft, die ganz private Seite der Dichterin aufzuzeigen. Eine einzigartige Dokumentation, sie wird mir immer in Erinnerung bleiben.

Volker · 14.03.2008

Ein fantastisch, was diese Dokumentarfilm leiste.
All diese Fragen und Themen zu verknüpfen deutsche Geschichte, Literatur, persönlichste Biographie, Frauen Rollen, Männer Rollen ... Dieser Film wird mich noch Wochen beschäftigen.

Christoph · 10.03.2008

Sehr berührend, nah und intensiv.was für eine tolle Frau war Hilde Domin! Noch nach Tagen zehre ich von diesem Film.

· 18.01.2008

Meiner Meinung nach gehört es zu den großen Leistungen dieses Films, dass er eine Begegnung mit der 95 jährigen Hilde Domin nicht dadurch verhindert, dass er so tut als ob er alles über Hilde Domin schon aus ihrem Werk wüsste. (Was eine bestimmte Sorte von naiven Literaturwissenschaflern und Literaturliebhabern gerne tut.) Anna Ditges hört Frau Domin einfach mit ihrer Kamera zu. Und wir Zuschauer werden nun Zeuge davon. Das ist doch toll!

· 12.01.2008

Leider eine verpasste Gelegenheit diese großartige Frau zu porträtieren. Frau Dittges hat sich übernommen und wird Hilde Domin nicht gerecht. Eine Reduzierung ihrer Persönlichkeit auf die Beziehung Erwin-Hilde. Themen wie "Adam steh auf" wurden nicht berührt!
Wenn man mit über 20 noch nie etwas von H.D. gehört hatte, besser keinen Film drüber machen!
Nichts für ungut!

· 27.12.2007

einer der besten Dokfilme die ich bisher gesehen habe. Der Film platz vor Leben. Angesichts des Themas, 95 jährige Literatin, muss man wohl oder übel einige Vorurteile über Board werfen.

Fili · 09.12.2007

distanzlos, egomanisch und der wirklichen Persönlichkeit der Dichterin
überhaupt nicht gerecht werdend

· 28.11.2007

hallo Paul
vielleicht muss man einfach nur frech sein/bleiben.
Und man darf natürlich nicht ins Altersheim kommen.
'Nicht müde werden!'

F.

Anna · 19.11.2007

Danke für diesen berührenden Film über das Leben und die Liebe...

eva Kiefer · 09.11.2007

ich hab ihn nicht gesehen, doch, dass es diesen Film gibt , ist etwas ganz Besonderes - Dank

Paul · 30.10.2007

zuerst dachte ich was für ein spröder Film aber dann hat mich diese unglaublich wache und geistig bewegliche 90 jährige total gefesselt. Was muss man tun um im Alter so fit zu sein? Ein toller Film über eine Zeitzeugin und ihre ganz außergewöhnliche Biographie.