Ich liebe dich, ich töte dich

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ein merkwürdiger Heimatfilm über Liebe und Verrat

Ein (wort)karger Menschenschlag in einem abgelegenen landschaftlichen Idyll. Frei zugängliche Drogen für alle. Ein Jagdtabu. Bedeutsame Glockentöne. Sexuelle Freizügigkeiten. Ein Lehrer. Ein Jäger. Ein Mord. Das sind die Hauptelemente, aus denen sich Ich liebe dich, ich töte dich von Uwe Brandner aus dem Jahre 1970 zusammensetzt. Als eine „Bildergeschichte aus der Heimat“ bezeichnet der Regisseur, Drehbuchautor und Produzent mit sanfter Ironie seinen Film, an dessen musikalischer Gestaltung er ebenfalls mitgewirkt hat. Und in der Tat erinnert die Dramaturgie häufig an die Struktur eines fragmentarischen, knapp untertitelten Bilderbogens.
An der Bahnstation des Dorfes, die kaum diesen Namen verdient, trifft der Lehrer (Hannes Fuchs) ein. In der Stadt war er, es ist eine Rückkehr in die Heimat. Unspektakulär empfangen wird er vom Bürgermeister (Helmut Brasch) und vom Pfarrer (Wolfgang Ebert). Zwei Polizisten (Nikolaus Dutsch, Thomas Eckelmann), zwei Frauen (Marianne Blomquist, Monika Hansen) und der Jäger (Rolf Becker) sind ebenfalls schweigsamen Statisten gleich anwesend. Mit letzteren Dreien wird er bald Sex haben, nacheinander, der Lehrer, der seinen Dienst in der Dorfschule antreten wird. Puristisch, sparsam und mit kaum näher charakterisierten Protagonisten, Örtlichkeiten und Begebenheiten beginnt der Film. Nur zögerlich gibt er seine kleine Geschichte preis, die eine geradezu parataktische Struktur aufweist. Derweil herrscht die Geruhsamkeit und Intensität der Bilder.

Dann deutet sich mit dem Tabubruch des Wilderns eine existenzielle Bedrohung für die Stabilität der seltsamen Sozietät an. Der verdeckt operierende Rebell gegen das wichtigste Gesetz der verschworenen Gemeinschaft muss gestellt werden, und dieses Mal werden die alle Aufmüpfigkeiten begradigenden Pillen – Aldous Huxleys Soma der Brave New World lässt grüßen – kaum ausreichen, um das Gleichgewicht des scheinbar so idyllischen Ortes wiederherzustellen. Es ist der Jäger, der die Aufgabe übernimmt, den dreisten Schützen zu stellen, und so nimmt er die Spur des Flüchtigen auf, den er noch eine Weile zuvor innig umschlungen hielt, um ihn einem grausamen Schicksal auszuliefern …

Ich liebe dich, ich töte dich stellt trotz seiner vordergründigen Einfachheit einen hochgradig intellektuellen Film dar, dessen tiefsinnige Implikationen sich der Zuschauer geradezu abtrotzen muss. Regisseur Uwe Brandner hat dieses eigenartige Werk, das nach seiner Präsentation auf bedeutenden Filmfestivals wie Cannes, Berlin und Locarno erstaunlich euphorisch von der internationalen Presse gefeiert wurde, dem Film Tabu – A Story of the South Seas (1931) des deutschen Regisseurs Friedrich Wilhelm Murnau (Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens, 1922) sowie dem russischen Filmtheoretiker Viktor Schlowskij gewidmet – Verbeugungen, die andeuten, welch komplexer Anspruch und Hintergrund sich in dieser Verzerrung eines klassischen Heimatfilms verbirgt. Das drastische Ende dieser skurrilen Geschichte, die durch das gelassene und gelungene Spiel von Hannes Fuchs und Rolf Becker getragen wird, bringt noch einmal die schwelende Explosivität auf den Punkt, die einer Gesellschaft innewohnt, die das Verdrängen zutiefst menschlicher Regungen kultiviert hat.

Ich liebe dich, ich töte dich

Ein (wort)karger Menschenschlag in einem abgelegenen landschaftlichen Idyll. Frei zugängliche Drogen für alle. Ein Jagdtabu. Bedeutsame Glockentöne. Sexuelle Freizügigkeiten. Ein Lehrer. Ein Jäger. Ein Mord.
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