I Want to See the Manager

Eine Filmkritik von Falk Straub

Wirrungen der Weltwirtschaft

Die Weltwirtschaft ist in Bewegung. Einst zementierte Machtgefüge verschieben sich zugunsten der Schwellenländer. Doch der Traum von der globalen Umverteilung ist ein bittersüßer. I Want to See the Manager zeigt das nüchtern, aber wirkungsvoll. Deepak Daryani steht auf einer Mauer in Mumbai und referiert über die Weltwirtschaft. Ruhig und unbewegt adressiert er das Publikum. Daryani erklärt, wie und wann die Schwellenländer dieser Erde die sieben bedeutendsten Industrienationen überholen werden, und warum es sich für ihn folglich nicht mehr lohnt, in deren Märkte zu investieren. Sein schwarzer Maßanzug kontrastiert zu seiner Umgebung und konterkariert seine Aussage. Eine elaborierte Kamerafahrt offenbart den Standpunkt des Analysten: ein Slum, hinter dem die Glaspaläste des Großkapitals bereits in den Himmel schießen. Dieser Verfremdungseffekt hat Methode. Regisseur Hannes Lang stellt die Gewinner und Verlierer der globalen Kapitalflüsse kommentarlos nebeneinander. I Want to See the Manager nennt den Zuschauern weder Orte noch Namen. Erst im Abspann sind die handelnden Personen und die Schauplätze aufgeführt. Zuvor geht es in sieben Episoden einmal um den Erdball. Dieses strenge formale Korsett geht auf. In seinen minutiös durchkomponierten Tableaus erinnert Lang an Ulrich Seidls (fiktionale wie dokumentarische) Arbeiten, bringt seinen Protagonisten jedoch mehr Zuneigung entgegen als der Österreicher. Ähnlich absurd geht es auch beim gebürtigen Südtiroler zu. Den Titel seines Dokumentarfilms hat Lang einem Zitat des Schriftstellers William S. Burroughs entlehnt. Burroughs war sich sicher: Landen jemals Außerirdische auf der Erde, sie würden umgehend nach dem Verantwortlichen, dem Manager, dieses globalen Durcheinanders verlangen. Durch eine kluge Montage kehrt I Want to See the Manager die kafkaesken Kontraste des Kapitalismus heraus. Aussterbende industrielle Zentren in denen die Menschen von der Unsterblichkeit träumen, stehen neben Nekropolen, die nur noch der Tourismus belebt. Während in Pompeji die Massen im Tode Erstarrte als Kultur konsumieren, hat sich in Thailand eine Kultur um den Tod entwickelt. Alzheimerkranke Europäer kommen in Massen, weil sie sich das Sterben in ihren Heimatländern nicht mehr leisten können.
Derweil steht Peking kurz vor dem Verkehrsinfarkt. Die Zulassung von Neuwagen erfolgt über eine staatliche Lotterie, was Autohändler nicht davon abhält, ihre Absatzzahlen gnadenlos zu steigern. Nur auf diese Weise landen sie im Wettbewerb um den frisch errungenen Wohlstand nicht postwendend wieder auf der Verliererstraße. Eine absurde Logik des globalisierten Kapitalismus‘, die den Zuschauer laut auflachen oder einfach nur ungläubig den Kopf schütteln lässt.

Langs Wahl der Protagonisten und sein Einsatz der Mittel sind wohl durchdacht. Einzig Auswahl und Länge der sieben Episoden wollen sich nicht ganz erschließen. Vom aufstrebenden Indien sieht das Publikum bis auf den knappen Prolog ebenso wenig wie von den darin erwähnten Schwellenländern Mexiko und Brasilien. Stattdessen zeigt I Want to See the Manager Bilder aus Bolivien und Venezuela, die ihre Wirkung freilich nicht verfehlen. Und Während China und Thailand viel Zeit eingeräumt werden, kommt Italien recht kurz.

Um sich ein Bild von der aktuellen Lage der Menschheit zu machen, reicht das dennoch. Die Aussichten sind alles andere als rosig. Ein Manager, der die Missstände beseitigt, ist weiterhin nicht in Sicht.

I Want to See the Manager

Die Weltwirtschaft ist in Bewegung. Einst zementierte Machtgefüge verschieben sich zugunsten der Schwellenländer. Doch der Traum von der globalen Umverteilung ist ein bittersüßer. „I Want to See the Manager“ zeigt das nüchtern, aber wirkungsvoll.
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