How to Make a Book with Steidl

Eine Filmkritik von Kirsten Kieninger

Der Duft der Bücher und der großen weiten Welt

Der Nabel der Welt der exklusiven Fotokünstler-Bücher liegt in der Düsteren Straße in Göttingen. Hier führt Gerhard Steidl seit über 40 Jahren seinen Verlag. Sein Geschäftsmodell ist aufgegangen: mit Fotokunst kann man in Deutschland nur sehr wenig Geld verdienen, also bedient er den internationalen Markt. Die Künstler, die er verlegt, kann er sich inzwischen aussuchen: Robert Frank, Joel Sternfeld, Ed Ruscha, Robert Adams, Jeff Wall. Geduldig stehen die großen Fotografen der Welt bei ihm Schlange, bis auch sie ein persönliches Exemplar der verlagsinternen Broschüre How to Make a Book with Steidl in Händen halten dürfen und endlich unter der Regie des eigenwilligen Meisters des bedruckbaren Papiers ihr Projekt veröffentlichen können. Der umtriebige und vielfliegende Verleger betreut seine Kunden persönlich und eilt fast in dem Tempo von Termin zu Termin, in dem die Bögen durch seine Druckmaschine jagen.
Die beiden Filmemacher Jörg Adolph und Gereon Wetzel fanden für ihren Dokumentarfilm How to Make a Book with Steidl ideale Drehbedingungen vor. Aufgrund der Vermittlung des befreundeten Journalisten Alex Rühle besaßen sie von Anfang an das volle Vertrauen ihres Protagonisten. So durften sie nach Belieben drehen und konnten über die Dauer eines Jahres an 46 Drehtagen alles mit der Kamera einfangen, was sie für ihren Film brauchten, von der akribischen Arbeit im Verlagshaus bis zu den rastlosen Reisen mit manchmal zehn Terminen am Tag. Bei Steidl trifft extremes Zeitmanagement auf akribisch kontrolliertes Chaos, ohne ihn wird keine Entscheidung getroffen, er checkt jeden Bogen, der aus der Druckmaschine kommt, eigenhändig. Der Verlag ist sein Reich, hier ist er der Herrscher im weißen Kittel, der einzige, der zu wissen scheint, in welcher der hunderten von Ablagen etwas einzusortieren ist – wenn auch erst nach längerem Innehalten.

Dem eingespielten Filmemacher-Team Adolph und Wetzel gelingt es mit ihrer rein beobachtenden Herangehensweise (mit der Adolph schon 2005 in Houwelandt – Ein Roman entsteht einen Blick hinter die Kulissen des Buch-Business warf) – keine Wiederholungen für die Kamera, keinerlei Regie-Anweisungen, keine von ihnen geführten Interviews – den umtriebigen Verleger und seinen hektischen Arbeitsalltag authentisch und unaufgeregt einzufangen. Sie lassen sich durch Steidls atemberaubendes Tempo nicht verrückt machen, für den 20 Begegnungen in vier Tagen zwischen Göttingen, Paris, L.A. und Nova Scotia durchaus machbar und fast Standard sind. Denn der Mann, der Beuys als seine Schule bezeichnet, pendelt heute selbstverständlich wie ein Zeitreisender zwischen der artifiziellen Modewelt seines Stammkunden Karl Lagerfeld in Paris und der ländlichen Ruhe der aus der Zeit gefallenen Idylle, in die sich Robert Frank zurückgezogen hat. Dazwischen findet er auch noch etwas Zeit, um Günther Grass unter seinen strengen Augen ein neues Umschlagmotiv für die Blechtrommel entwerfen zu lassen.

Die Filmemacher geben Steidls Begegnungen mit den einzelnen Künstlern viel Raum, in diesen Momenten entfaltet sich die Persönlichkeit ihres Protagonisten zwischen grummeliger Kauzigkeit und sympathisch jungenhaftem Charme. Eine unaufdringliche Ebene mit Hintergrundinformationen wird durch ein Radio-Interview und eine Verlagsführung Steidls geschickt eingewoben. Den roten Faden von How to Make a Book with Steidl bildet die Herstellung des Buches iDubai von Joel Sternfeld, dem Großmeister der Farbfotografie, der tatsächlich ein neues Lieblingsspielzeug gefunden zu haben scheint. Konsterniert sieht Steidl zu, wie Sternberg während seiner kostbaren Zeit im Göttinger Verlagshaus auf seinem iPhone herumdaddelt, mit dem er auch die Bilder für das Buch geschossen hat.

Adolph und Wetzel gelingt es in ihrer Montage, sowohl die absurden Augenblicke („Fuck the midtones!“), als auch die kleinen leisen Momente herauszustellen. Quasi im Alleingang haben die beiden ihren Film gemacht: Die Montage haben sie gemeinsam auf zwei Computern bewerkstelligt, indem sie sich im Ping-Pong-System ihre Schnitte hin- und her geschoben haben. Schon beim Dreh haben sie sich mit Kamera und Ton tageweise abgewechselt. Das Ergebnis dieser partnerschaftlichen Zusammenarbeit ist ein sehr unterhaltsamer und handwerklich wirklich sauber gearbeiteter Dokumentarfilm, der im Deutschen Wettbewerb der 53. DOK Leipzig zu recht mit der Goldenen Taube ausgezeichnet wurde.

How to Make a Book with Steidl

Der Nabel der Welt der exklusiven Fotokünstler-Bücher liegt in der Düsteren Straße in Göttingen. Hier führt Gerhard Steidl seit über 40 Jahren seinen Verlag. Sein Geschäftsmodell ist aufgegangen: mit Fotokunst kann man in Deutschland nur sehr wenig Geld verdienen, also bedient er den internationalen Markt.
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Meinungen

Bornefeld · 11.11.2010

Great documentary