Hotel Very Welcome

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Unterwegs zu sich selbst

Fünf junge Menschen auf der Suche nach sich selbst – das klingt bereits wie ein typischer deutscher Debütfilm und in der Tat ist Hotel Very Welcome auch genau das. Während normalerweise die Selbstfindungsgeschichten in der deutschen Provinz angesiedelt sind, geht Sonja Heiss in ihrem Abschlussfilm an der HFF München, nicht nur einen Schritt, sondern gleich viele tausend Kilometer weiter. Ihre Protagonisten – fünf an der Zahl – sind Backpacker, Individualtouristen, die aus verschiedensten Gründen in Indien und Thailand umherreisen und dabei allerhand merkwürdige Erfahrungen machen.
Da sind beispielsweise die beiden Engländer Joshua (Ricky Champ) und Adam (Gareth Llewelyn), die sich weniger für Land und Leute interessieren als vielmehr für die nächsten Partys, für Alkohol, Drogen und natürlich Sex an den malerischen Stränden Thailands. Doch da ihre Erwartungen nicht erfüllt werden, sind sie vor allem mit ihrem Gegenüber konfrontiert. Und das stellt ihre Freundschaft auf eine harte Probe. Sinnhaftigkeit ganz anderer Art sucht Marion (Eva Löbau), die auf ihrer Reise vor allem nach spiritueller Erleuchtung sucht. So ganz mag sich die allerdings nicht einstellen, denn mit ihrem Freund zuhause gibt es einen handfesten fernmündlichen Beziehungsknatsch, der sich nicht so einfach wegtanzen und -meditieren lässt. Liam aus Irland (Chris O’Dowd) hat sich ebenfalls vor den Problemen zuhause aus dem Staub gemacht – er ist auf der Flucht vor den konkreten Folgen eines One-Night-Stands und sucht gemeinsam mit einem einheimischen Kamelführer das Glück in der Wüste. Doch auch dort findet er nicht die Antworten auf seine Fragen. Während Liam noch überlegt, für ein paar Monate zu bleiben, will Svenja (Svenja Steinfelder) nichts wie weg. Sie hat ihren Anschlussflug verpasst, sitzt in einem Hotelzimmer in Bangkok fest und versucht verzweifelt, per Telefon einen neuen Flug zu erwischen. Doch das Gespräch mit dem Mann vom Reisebüro ist voller Missverständnisse, so dass es schließlich zu einem Anschluss der etwas anderen Art kommt.

Vier Episoden webt Sonja Heiss in ihrem Film zusammen, und nur zum Schluss kreuzen sich zwei der Geschichten. Was die einzelnen Handlungsstränge aber miteinander verbindet, ist die Mischung aus improvisierten Spielszenen und einem offensichtlich dokumentarisch angehauchten Blick, der nicht allein im Exotischen verharrt, sondern immer wieder auf die Befindlichkeiten der jungen Protagonisten abzielt, deren scheinbare Weltgewandtheit in scharfem Kontrast zu ihrer Heimatlosigkeit steht.

Originell ist Hotel Very Welcome auf jeden Fall – etwas Vergleichbares gab es im deutschen Kino auf jeden Fall bislang noch nicht. Schon allein die Idee der Regisseurin Sonja Heiss, sich mit ihren Schauspielern auf eine Reise zu begeben und während dieser gemeinsamen Zeit einen Film entstehen zu lassen, zeugt von einiger cineastischen Abenteuerlust. Allerdings – und das muss auch erwähnt werden – ist der Film bisweilen auch himmelschreiend banal, kratzt mehr als einmal lediglich an der Oberfläche und bewegt sich auf reichlich ausgetretenen Klischeepfaden. Wenn sich beispielsweise Svenja durch Telefonhotlines kämpft, um endlich einen Anschlussflug nach Hause zu finden, dann wirkt das wie ein nicht enden wollender Witz über die Fallstricke globaler Kommunikation. Ob diese Merkwürdigkeiten und Brüche nun in der Absicht der Filmemacherin liegen, darüber lässt sich trefflich streiten. Und es wird mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit etliche Stimmen geben, die die Banalitäten des Films als gewollt, beabsichtigt und zutreffend verteidigen werden. Gut möglich, dass sie Recht haben. Aber gänzlich überzeugen kann der Film nicht, zumal die Qualität der einzelnen Episoden doch recht unterschiedlich ausfallen. Wahrscheinlich ist es wie mit dem Individualtourismus – man muss sich eben die Rosinen rauspicken und den Rest schnell vergessen.

Hotel Very Welcome

Fünf junge Menschen auf der Suche nach sich selbst – das klingt bereits wie ein typischer deutscher Debütfilm und in der Tat ist Hotel Very Welcome auch genau das.
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Meinungen

cubaconvoi · 17.06.2010

Ein toller Film! kaum zu glauben, dass es kein Dokumentarfilm ist. Habe bisher nie so authentische Schauspieler gesehen.

hännschen · 20.11.2008

ich weiß ja nicht ob der autor schon einmal mit dem rucksack unterwegs gewesen ist, aber ich habe kaum einen so genau beobachtenden film gesehen. wahrscheinlich kann sich darüber wirklich nur amüsieren, wer sich wiederfindet. schade.

georg · 11.12.2007

Lustiger, ungewöhnlicher, berührender Film!
g