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Allerspätestens seit den Ereignissen vom 11. September 2001 ist klar, dass das Ziel terroristischer Gewalt keineswegs allein die Toten sind, sondern es immer auch um das Erzeugen von Bildern geht, die anschließend um die Welt gehen. „Hotel Mumbai“ versucht sich dieser bildpolitischen Problematik zu stellen, gelingt es ihm auch? 

Hotel Mumbai (2018)

Eine Filmkritik von Lucia Wiedergrün

Krieg der Bilder

„Hotel Mumbai“, das Regiedebüt von Anthony Maras, widmet sich der Frage wie ein Film mit dem politischen Unterpfand von Bildern, die durch Terroranschläge um die Welt gehen, verfahren soll. Er berichtet „based on true events“ von den Terroranschlägen, die im November 2008 Mumbai erschütterten und hunderten von Menschen das Leben kosteten. Der Film konzentriert sich dabei auf den über Stunden stattfindenden Angriff und die damit verbundenen Geiselnahmen im Luxushotel Taj Palace. Eindrücklich wird vor allem die absurde Zerstörungsgewalt der verwendeten Schnellfeuerwaffen gezeigt, die es einer so kleinen Gruppe von Männern erlauben, ein ganzes Hotel unter ihre Kontrolle zu bringen. Das Rattern der Magazine prägt sich tief ein und hallt auch noch lange nach dem Verlassen des Kinos im Kopf nach. 

Im Zentrum der erzählten Geschichte steht ein ensemble cast, der versucht, den verschiedenen Ebenen der Ereignisse und ihrer Opfer gerecht zu werden. Neben Arjun (Dev Patel), einem aufopferungsvollen jungen Kellner, und Hemant Oberoi (Anupam Kher), dem pflichtbewussten Chefkoch, stehen eine junge englisch-amerikanische Familie sowie deren Kindermädchen, gespielt von Tilda Cobham-Hervey, Armie Hammer und Nazanin Boniadi, im Zentrum der filmischen Erzählung. Hotel Mubai konzentriert sich dabei immer wieder ausführlich auf das Hotelpersonal, das unter Einsatz des eigenen Lebens für die Rettung seiner Gäste eintritt. Diese wiederum scheinen nicht immer das volle Ausmaß dieser Opferbereitschaft anzuerkennen, sondern den außergewöhnlichen Einsatz des Personals mitunter durchaus als ihr Recht zu betrachten. Der Film versucht die darin enthaltenen Problematiken in Szene zu setzen, doch ist seine Positionierung dabei nicht immer ganz klar. Zu sehr werden die indischen Helden dann doch immer wieder als loyale Diener und weniger als eigenständige mutige Menschen inszeniert. 

Auf interessante Weise setzt Hotel Mumbai die absurde Situation der allgegenwärtigen Kommunikationsmöglichkeiten eines Terrorangriffs im 21. Jahrhundert in Szene. So ergeben sich mitunter seltsame Echtzeiteffekte, wenn die Überlebenden in den Mauern des Hotels genauso angespannt auf die Fernsehbildschirme starren wie ihre Verwandten zu Hause und alle sich von den vor dem Taj Palace stationierten Nachrichten-Moderator*innen Antworten darauf erhoffen, wann und wie dieser Albtraum vorbei sein könnte. Dabei kreist der Film auch in anderer Hinsicht immer wieder um die Feedbackschleifen der terroristischen Bilderzeugung, wenn beispielsweise die anonyme Stimme am Telefon, welche die jungen Männer durch ihre terroristische Mission lenkt, wiederholt davon spricht, dass die Welt ihren Taten zuschauen würde. Dabei wird auch konkret die Prestigeträchtigkeit der ausländischen Hotelgäste diskutiert. 

Wenn der Film, fragt man sich dann, so genau um diese Aufmerksamkeitsmuster weiß, wie kann es dann sein, dass die Anschläge auf Bahnhöfe und andere Orte, die ganz Mumbai erschütterten, im Off passieren? Und wie ist es möglich, dass die vielen einheimischen Toten zu Anfang des Films zum reinen Vorspiel werden? Es ist klar, dass der Film eine Auswahl treffen muss und es scheint wenig überraschend, dass eine amerikanisch-australisch-indische Co-Produktion sich dann für genau diesen Teil der Ereignisse im November 2008 entscheidet. Aber wäre es nicht langsam Zeit, dieser Hierarchisierung des Sterbens eine andere Bildpolitik entgegenzusetzen?

Hotel Mumbai ist ein gut gemachter Thriller, der versucht, sich in dem schwierigen Terrain seiner Thematik möglichst sensibel zu bewegen und tatsächlich gelingt ihm das auch immer wieder. Dennoch bleibt am Ende die Frage zurück, welches Eigenleben die Bilder entwickeln, die eine indische Tragödie zu einem Hollywoodspielfilm werden lassen. Diese Frage ist nicht abseitig, sondern entstammt dem Film selbst, denn in jedem Fall muss man Hotel Mumbai zu Gute halten, dass jeder, der nach dieser Sichtung noch behauptet, Bilder seien einfach nur Bilder und Inszenierungen wären unpolitisch, die letzten zwei Stunden offenbar verschlafen hat. 

Hotel Mumbai (2018)

„Hotel Mumbai“  basiert auf den wahren Ereignissen des Terroranschlags auf das „Taj Mahal Palace Hotel“ im Jahre 2008. Als sich die Attacke ereignet, finden sich höchst unterschiedliche Menschen in einem Kampf ums Überleben zusammen — unter ihnen einen junges, vermögendes Ehepaar (Armie Hammer und Nazanin Boniadi), der russische Geschäftsmann Vasili (Jason Isaacs) und der gerade erst beförderte Hotelangestellte Arjun (Dev Patel). 

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