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„Gangbyun Hotel“ ist der 5. Film von Hong Sang-soo innerhalb von nur 18 Monaten. Niemand kann so einfühlsam wie der koreanische Regisseur beide Seiten nachvollziehen, wenn Menschen aneinander vorbeireden.

Hotel by the River (2018)

Eine Filmkritik von Katrin Doerksen

Menschen im Hotel

In einer Szene in „Gangbyun Hotel“ schießt der Dichter Young-hwan (Ki Joo-bong) ein Foto seiner erwachsenen Söhne mit den Kuscheltieren, die er ihnen in Ermangelung besserer Geschenke gekauft hat. Wir bekommen es nie zu sehen, aber wahrscheinlich existiert irgendwo in Südkorea ein Smartphone mit diesem Foto von Kwon Hae-hyo und Yu Jun-sang mit ihren Kuscheltieren, und ich würde einiges dafür geben, es zu sehen. Wie üblich in den Filmen von Hong Sang-soo erzählt „Gangbyun Hotel“ (sein 5. Spielfilm in nur 18 Monaten) zwar eine eingedampfte, sehr minimalistische Geschichte. Aber beiläufig weist er weit darüber hinaus.

Unterhalten sich die Figuren im Film – über miesem Kaffee, opulenten Grillplatten und natürlich mehreren Flaschen Soju – dann schwingen familiäre Dramen mit, weit zurückliegende Zerwürfnisse, nie besprochene Verletzungen. Im Heimat Hotel (der Name wird nie ausgesprochen, er steht nur auf ein Kopfkissen gestickt) am Ufer des Hangang hält sich der Dichter Young-hwan ein paar Tage auf, um Zeit zum Schreiben zu finden. Weil ihn das Gefühl beschleicht, bald zu sterben, lädt er die beiden Söhne zu sich ein, die er lange nicht mehr gesehen hat. Erst im Laufe des Films wird sich herausstellen, warum ihr Verhältnis zueinander so komplexbehaftet ist.

In von sanftem Licht durchflutetem Schwarz-Weiß hält der Regisseur fest, wie sie sich gegenseitig umtänzeln. Sowohl Verbal – ihre Gespräche schwanken stets zwischen peinlich berührter Höflichkeit und offen zutage tretendem Befremden – als auch körperlich. Ständig verschwindet eine der Figuren scheinbar spurlos und die anderen müssen auf der Suche in das eiskalte Winterwetter hinaus. Sang-soo lässt sich dabei von seiner Intuition leiten. Als er einmal Yu Jun-sang beim Heraustreten aus dem Hotel filmt, läuft eine Katze ins Bild. So unbeholfen die Kamera auf das Tier zoomt, kann sich dieser Moment nur spontan ergeben haben.

Neben Sang-soos gewohnten Varianten der Meditation über zwischenmenschliches aneinander Vorbeireden lässt sich Gangbyun Hotel wieder deutlicher als seine vorherigen Filme symbolisch als Kommentar zur Teilung Koreas lesen. Da ist zum einen das Setting am Ufer des Hangang, dessen zwei Arme in Nord- und Südkorea entspringen, vereint durch die Hauptstadt Seoul fließen und schließlich die Grenze zwischen beiden Ländern bilden. Zum anderen arbeitet der Regisseur einmal mehr mit Dopplungen: zwei Brüder, einander in angespannter Hassliebe verbunden. „Seite an Seite“, bedeutet der Name des Jüngeren, erklärt ihr Vater. Aber so entschieden Sang-soos formale Haltung ist, so sehr vermittelt er auch den Eindruck einer tief sitzenden Hilflosigkeit, wenn es darum geht, die vertrackten Situationen zu lösen, in die sich seine Figuren hineinmanövrieren.

Es gibt noch eine zweite Partei von Interesse im Hotel am Fluss. Yeon-ju (Song Seon-mi) leistet der jungen Sang-hee (Kim Min-hee) Gesellschaft, die Ruhe sucht, nachdem sie von ihrem Freund, einem verheirateten Mann, verlassen wurde. In dieser Hinsicht wirkt Gangbyun Hotel wie eine inoffizielle Fortsetzung zu Sang-soos Berlinalefilm On The Beach At Night Alone, in dem Min-hee eine Frau spielt, die nach der Trennung von ihrem verheirateten Freund nach Hamburg reist. Eigentlich sind die beiden Frauen einander genug: auf Sang-hees Zimmer vertrödeln sie den Tag, indem sie nebeneinander auf dem Bett liegen, sich ihrer gegenseitigen Zuneigung versichern. Doch es dauert nicht lange, da fallen ihnen die Männer im Hotel auf. Nicht nur der bekannte Dichter, sondern auch einer der Söhne, ein Filmregisseur. Von diesem Moment an beanspruchen die Frauen die Rolle der Kommentatorinnen im Film. Ihnen die Funktion eines griechischen Chors zuzuweisen, wäre übertrieben, doch sind sie es, die Gangbyun Hotel die selbstreferenzielle Note verleihen. „Was macht er für Filme?“ fragt Sang-hee und ihre Freundin erklärt: „Ach, ich verstehe schon, was er versucht. Aber die Massen erreicht er damit nicht.“

Hotel by the River (2018)

Ein alter Dichter, der umsonst in einem Hotel am Flussufer wohnt, hat ohne ersichtlichen Grund das Gefühl, bald sterben zu müssen. Darum ruft er seine beiden ihm fremd gewordenen Söhne herbei. Im selben Hotel nimmt sich eine junge Frau ein Zimmer, nachdem sie vom Mann, mit dem sie zusammenlebte, betrogen wurde. Sie sucht Unterstützung und bittet eine Freundin, ihr Gesellschaft zu leisten. In diesem Hotel am Fluss, wo sich die Menschen nur anstarren, ist das Leben für alle beschwerlich — und ein Tag gleicht dem andern.

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