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Einlass nur für Schwerverbrecher! In seinem Regiedebüt „Hotel Artemis“ erzählt Drew Pearce von einem geheimen Krankenhaus, das sich auf die Behandlung Krimineller spezialisiert hat. Kann diese spannende Prämisse den kammerspielartigen Scifi-Action-Noir-Mix tragen?

Hotel Artemis (2018)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Obhut für verletzte Gangster

Dystopien sind im Kino gerade sehr gefragt, wobei manche Filme – siehe Blade Runner 2049 – an existenziellen Fragen des Menschseins kratzen. Für einen philosophischen Überbau interessiert sich Drehbuchautor Drew Pearce (Iron Man 3) in seinem Regiedebüt Hotel Artemis eher wenig, sondern nutzt sein Zukunftsszenario in erster Linie als stimmungsvollen Hintergrund für einen knackig-effektiven, nicht gerade anspruchsvollen, manchmal drastischen Genre-Mix, der munter Action-, Noir- und Science-Fiction-Elemente durcheinanderwirbelt.

Im Los Angeles des Jahres 2028 gehen die Menschen auf die Straße, um mit allen Mitteln gegen die Wasserprivatisierung zu demonstrieren. Im Schutz des außer Kontrolle geratenen Bürgeraufstandes überfallen Sherman Atkins (Sterling K. Brown), sein Bruder Lev (Brian Tyree Henry) und zwei weitere Gangster eine Bank, müssen allerdings überhastet den Rückzug antreten. Als sie auf eine Polizeieinheit treffen, kommt es zu einem Schusswechsel, bei dem Lev schwer verwundet wird. Um sein am seidenen Faden hängendes Leben zu retten, sucht Sherman Hilfe im legendären Hotel Artemis, einem geheimen, nach strengen Regeln geführten Krankenhaus, zu dem einzig Kriminelle mit Mitgliedsstatus Zutritt haben. Klinikleiterin Jean Thomas (Jodie Foster), von allen nur „Schwester“ genannt, nimmt Sherman und Lev in ihrer Einrichtung auf und weist ihnen, gemäß ihren Zimmerbezeichnungen, die Codenamen „Waikiki“ und „Honolulu“ zu. Ebenfalls vor Ort sind der narzisstische Waffenhändler „Acapulco“ (Charlie Day) und die Auftragskillerin „Nice“ (Sofia Boutella), zwischen denen urplötzlich ein Streit entbrennt. Nervosität kommt auch deshalb auf, weil der größte Gangsterboss der Stadt (Jeff Goldblum), der das Untergrundhospital finanziert, eine Behandlung verlangt.

Dass es für einen kurzweiligen Genreritt nicht unbedingt eine clever konstruierte Geschichte und ausgeklügelte Figuren braucht, demonstriert Regiedebütant Pearce auf durchaus überraschende Weise. Preisverdächtig ist die Geschichte sicher nicht. Angemessen griffig und vielversprechend dafür aber die Prämisse, aus der sich ein recht dichtes Kammerspiel entwickelt. Auch wenn die Protagonisten mit Hintergründen aus dem Drehbuchsetzkasten ausgestattet sind, folgt man ihnen bereitwillig durch die schummrig beleuchteten Gänge des Artemis, dessen nostalgischer, abgeranzter Art-déco-Stil eine interessante Symbiose mit den futuristischen Errungenschaften des Klinikapparates eingeht. Ein klobiger Walkman und ein altmodisches Telefon haben hier ebenso ihren Platz wie aus dem Nichts auftauchende Bildschirme und 3D-Drucker für menschliche Organe.

Da sich das Geschehen auf nahezu einen Handlungsort und eine einzige Nacht konzentriert, entsteht so etwas wie ein klaustrophobisches Gefühl. Dass die immer stärker werdenden Spannungen innerhalb des Krankenhauses irgendwann in eine Eskalation münden werden, ist absolut erwartbar. Und doch erzeugt Pearce im letzten Akt, unterstützt von den treibenden Klängen seines Komponisten Cliff Martinez, einen ordentlichen Sog. Nicht unerheblich für die Wirkung des Genrecocktails sind die Darbietungen der Schauspieler, denen es mitunter gelingt, mehr aus ihren Rollen herauszuholen, als es das Skript wahrscheinlich hergibt. Einen einprägsamen Auftritt legt etwa Oscar-Preisträgerin Jodie Foster hin, die, auf alt getrimmt, das pedantische Wesen der unter Agoraphobie leidenden Klinikchefin mit einer umwerfenden Schrulligkeit zum Besten gibt. Für trockene Humoreinsprengsel sorgt Guardians of the Galaxy-Hüne Dave Bautista, der ihren loyalen Assistenten verkörpert. Nicht unerwähnt bleiben darf überdies Sofia Boutella, die schon im letztjährigen Reboot von Die Mumie inmitten eines völlig verkorksten Horrorspektakels eine bemerkenswerte Ausstrahlung verströmte. Auch in Hotel Artemis überzeugt sie mit einem geheimnisvoll-abgründigen Charisma und stemmt ohne Probleme den herausfordernden Part einer kampftechnisch bewanderten Femme fatale, die besonders im Finale einige mitreißende Gefechte austrägt.

Die vom Regisseur im Presseheft geäußerte Faszination für die Stadt Los Angeles spiegelt sich in seinem Debütwerk deutlich wider. Pearce versucht, den Glamour der Westküstenmetropole einzufangen, ihre Verdorbenheit, die aus vielen alten Filmen bekannte Noir-Stimmung, und zitiert mit dem Auslöser des im Hintergrund ablaufenden Aufstandes womöglich bewusst Roman Polańskis Chinatown, einen modernen Klassiker des Detektivfilms, der bekanntlich einen gigantischen Wasserskandal zum Vorschein kommen ließ.

Hotel Artemis (2018)

Los Angeles in der nahen Zukunft: Das „Hotel Artemis“ ist ein geheimes Krankenhaus für Kriminelle, wo diese sich behandeln lassen können, ohne dass die Polizei davon erfährt. Als sich eines Tages ein Gangster dahin einliefern lässt, nur um einen anderen zu töten, muss eine resolute Krankenschwester eingreifen, um das Schlimmste zu verhindern.

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