Horsehead - Wach auf, wenn du kannst

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Was ist das Leben anderes als ein Traum?

Am Anfang stand ein Gemälde: „Nachtmahr“ von Johann Heinrich Füssli (1741-1825), in dem eine Frau schläft, ein Dämon sitzt auf ihr und ein Pferdekopf schiebt sich durch den roten Vorhang. Regisseur Romain Basset war von jeher von diesem Gemälde fasziniert, das er in einem Pariser Museum sah. Für ihn zeigte es niemals nur einen Pferdekopf. Vielmehr ist die Gestalt eine mythologische Kreatur. Das waren die ersten Gedanken, mit denen er schwanger ging – aus ihnen sollte Horsehead werden.
Jessica litt schon immer unter Albträumen. Nun kehrt sie nach Jahren in ihr Elternhaus zurück, begegnet dort aber noch schlimmeren Träumen. Sie wird von Visionen heimgesucht, die immer gewalttätiger und grotesker werden. Es sind Bilder ihrer Familie, aber auch die einer pferdeähnlichen Kreatur, die ihr begegnen. Dabei taucht Jessica aber nicht nur in eine Traumwelt ein, sondern stößt auch auf ein Familiengeheimnis.

Der Plot ist nicht die Stärke des Films, er erinnert mit seiner Konzentration auf eine rauschartige Präsentation der Bilder, eingehüllt in eine gediegene Farbpalette und umrahmt von einem an die Werke der ProgRock-Band Goblin erinnernden Score an die besten Filme von Dario Argento. Es ist Stil über Substanz, dem hier gehuldigt wird, das aber mit einer gehörigen Portion Symbolismus, die jedem Traumdeuter das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt.

Horsehead ist wie ein Traum. Er beginnt ohne Vorspiel, er folgt keiner narrativen Linie, er weicht vom Weg ab, hin zum Irrealen, zum Unfassbaren, zum Ungreifbaren, aber er hat Herz, er hat Verstand, und – das am wichtigsten – er brodelt über vor Emotion. Es ist ein filmischer Traum, den man spürt und der einen nicht mehr loslässt. Hinter all der Sinnbildlichkeit versteckt sich tatsächlich aber auch eine Geschichte, doch man muss sich auf sie einlassen, man muss der eigenen Interpretationsfähigkeit vertrauen und man muss in der Lage sein, auch dann genießen zu können, wenn nicht alle Fragen haarklein aufgeklärt werden.

Es ist ein Puzzle, das Basset hier präsentiert. Mit jeder verstreichenden Minute werden weitere Stücke aneinandergereiht, bis am Ende die Erkenntnis steht. Nicht nur in Hinblick auf die inhaltliche Ausrichtung, sondern vor allem darauf, dass man gerade einen Film gesehen hat, der weit abseits üblicher Genre-Konventionen besteht.

Phantasmagorisch, hypnotisch, enigmatisch, aber dabei faszinierend und in den Bann ziehend, all das ist Horsehead, der mehr als nur eine Verbeugung vor dem transzendentalen Genre-Kino der 1970er Jahre ist. Er dringt in das Unterbewusste ein, lässt Wirklichkeit und Traum miteinander verschmelzen und gipfelt in einem Schlussbild, das alles sein kann. Oder nichts – ganz nach dem, was man selbst zu Horsehead mitgebracht hat.

Horsehead - Wach auf, wenn du kannst

Am Anfang stand ein Gemälde: „Nachtmahr“ von Johann Heinrich Füssli (1741-1825), in dem eine Frau schläft, ein Dämon sitzt auf ihr und ein Pferdekopf schiebt sich durch den roten Vorhang. Regisseur Romain Basset war von jeher von diesem Gemälde fasziniert, das er in einem Pariser Museum sah.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen