Holy Cow (2015)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Der Traum des Bauern ist eine fremde Kuh

„Eine Frau ginge, aber keine Kuh!“, befindet einer der Dorfältesten, die der Bauer Tapdiq um Rat fragt. Er will eine europäische Kuh nach Lahic bringen, die viermal so viel Milch gibt wie die einheimischen Rinder. Die Ältesten, ohne deren Zustimmung in dem traditionsbewussten aserbaidschanischen Dorf nichts geht, sind aber strikt dagegen. Importiertes, noch dazu aus dem Ausland, habe hier nichts zu suchen – wie gesagt, bis auf ganz wenige Ausnahmen. Tapdiq wird also unwirsch weggeschickt, aber der Bauer weiß, dass er seine große europäische Kuh doch kaufen wird, sobald er das nötige Geld zusammen hat. In den drei Jahren, die Tapdiq auf die Verwirklichung seines Traums warten muss, droht ihm der Ausschluss aus der Dorfgemeinschaft und seine Frau Vafa stellt sich ebenfalls quer. Nicht einmal ein Poster des erträumten Schwarzbunt-Viehs will sie an der Wand dulden, aber Tapdiq setzt sich durch. Frauen haben in dem muslimischen Dorf im Kaukasus ohnehin nicht viel zu melden.

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Der aserbaidschanische Filmemacher Imam Hasanov hat Tapdiq für seinen ersten Kino-Dokumentarfilm Holy Cow begleitet, eine Produktion mit deutscher, aserbaidschanischer und rumänischer Beteiligung. Ihn interessierte, wie sich ein ganz traditionelles Dorf für neue kulturelle Einflüsse öffnen kann. Der gottesfürchtige und ehrbare Familienvater Tapdiq vertritt die moderne Auffassung, dass jeder seines Glückes Schmied sei. Wenn er sich eine große europäische Kuh in den Kopf setzt, dann geht es um das westliche Prinzip der Selbstverwirklichung. Und natürlich auch um das Ausprobieren, um neue Impulse. Wie er seinen Plan unerschrocken durchsetzt, hat etwas Schelmenhaftes. Auch sonst nimmt der beobachtende Dokumentarfilm Anleihen bei der Komödie: Die Ältesten, die draußen im Dorf sitzen und sich über Tapdiqs Vorhaben ereifern, sind für manchen Kalauer gut.

Hasanov aber wird Zeuge, wie sich Tapdiqs Unerschrockenheit letztlich auszahlt. Einer der Alten schwenkt um und findet auf einmal, Aserbaidschan gehöre ja jetzt zu Europa. Später fasst er sogar in zwei sich widersprechenden Argumenten den Wettstreit der Mentalitäten zusammen, um den es bei diesem Thema generell geht: Zuerst findet er, für Wohlstand müsse von oben gesorgt werden, dann sagt er plötzlich, es hänge vom Einzelnen ab, wie sich das Dorf entwickele, was hier an Neuem hereinkomme. Tapdiq kann sich nur freuen über so viel Zustimmung, aber auch ohne diese hätte er sich genauso rührend gekümmert um seine „Madona“, wie er die schließlich erstandene Kuh anhimmelnd nennt. Tapdiqs Freude steht ihm ins Gesicht geschrieben, und auch seine Frau lässt sich zögerlich von ihr besänftigen.

Hasanov benutzt diese dramatische Geschichte jedoch nur als Aufhänger, um in ruhigen Bildern das Alltagsleben in der Region im Wechsel der Jahreszeiten einzufangen. Tapdiq baut an seinem Haus, mäht die Wiese mit der Sense, macht Holz. Zurzeit wohnt er mit Frau und den drei Söhnen noch in einem provisorischen Bretterverschlag. Die größeren Söhne weichen ihm kaum von der Seite, schnappen seine Bemerkungen auf und bauen sie in ihre Spiele ein. Vafa kocht im Freien am Holzofen, Hühner laufen herum. Und dennoch, auch in diesem einfachen, entbehrungsreichen Landleben ist die Globalisierung unaufhaltsam: An Weihnachten blinken die Lichter an einem Plastikbäumchen, der Fernseher läuft und informiert wohl selbst die Dorfältesten über das Weltgeschehen. Am Schluss sieht man eine Menge klobiger Pkws die Straße am Fluss entlangfahren. Der Dokumentarfilm wirkt nicht nur atmosphärisch dicht und unterhaltsam, er verbreitet auch Optimismus. Tapdiq dient ihm als Beispiel für die Botschaft, dass die Annäherung der Kulturen, der Brückenschlag zwischen Tradition und Moderne ganz praktisch in kleinen Schritten gelingen kann.
 

Holy Cow (2015)

„Eine Frau ginge, aber keine Kuh!“, befindet einer der Dorfältesten, die der Bauer Tapdiq um Rat fragt. Er will eine europäische Kuh nach Lahic bringen, die viermal so viel Milch gibt wie die einheimischen Rinder. Die Ältesten, ohne deren Zustimmung in dem traditionsbewussten aserbaidschanischen Dorf nichts geht, sind aber strikt dagegen. Importiertes, noch dazu aus dem Ausland, habe hier nichts zu suchen – wie gesagt, bis auf ganz wenige Ausnahmen.

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