Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss (1978)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Deutsche Vergangenheitsbewältigung

Als im Januar 1979 im westdeutschen Fernsehen der US-amerikanische Vierteiler Holocaust ausgestrahlt wurde, gab es bereits im Vorfeld hitzige Kontroversen über diesen filmischen Umgang mit dem Thema des Genozids an Millionen jüdischen Menschen zur Zeit des Nationalsozialismus. Denn die im Serienformat konzipierte Leidensgeschichte der Familie Weiss und ihres Umfeldes stellt eine Auseinandersetzung mit der Schoah auf einer fiktiven Ebene dar, die einige Kritiker schlicht als unangemessen bis unwürdig erachteten.

Doch das westdeutsche Fernsehpublikum begrüßte die Ausstrahlung von Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss mit sensationellen Einschaltquoten: Sahen sich bereits 11,5 Millionen Zuschauer die erste Folge an, stieg diese Zahl bis zum vierten Teil auf 15 Millionen an. Und auch jenseits der knapp siebenstündigen Sendezeit beherrschte das Thema des Völkermords an den Juden sowie seine Darstellung in der Serie öffentliche und private Diskurse, die in diesem Maße bislang nicht stattgefunden hatten. Nach drei Jahrzehnten des schwierigen Umgangs und einer weitreichenden Tabuisierung zahlreicher Aspekte ließen sich die deutschen Zuschauer derart emotionalisieren, dass bei den Sendern des Dritten Programms, das den Vierteiler zeigte, 30.000 Anrufe von berührten Zuschauern eingingen – eine überwältigende Reaktion mit signifikanter Bedeutung für die Bereitschaft der Deutschen, sich in dieser Form mit diesem unsagbar grausamen Kapitel ihrer Geschichte konfrontieren zu lassen.

Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss ist in vier Teile über einen Zeitraum von zehn Jahren gegliedert: 1. Die hereinbrechende Dunkelheit (1935-1940), 2. Die Straße nach Babi Yar (1941-1942), 3. Die Endlösung (1942-1944) und 4. Die Überlebenden (1944-1945). Erzählt wird das schreckliche Schicksal der jüdischen Familie Weiss, die bis auf den jüngsten Sohn Rudi (Joseph Bottoms), der nach Prag flüchtet und in den Widerstand geht, von den Nazis ermordet wird. Parallel dazu steht der Jurist Erik Dorf (Michael Moriarty) im Fokus, der als Nationalsozialist Karriere macht und maßgeblich an der Planung und Ausführung des organisierten Massenmordes beteiligt ist. Im Rahmen der Darstellung dieser persönlichen Geschichten mit ihren entsetzlichen Details werden die historischen sozialpolitischen Zusammenhänge skizziert, wobei markante Ereignisse wie der Aufstand im Warschauer Ghetto ausführliche Schwerpunkte bilden.

Auch wenn Holocaust eine fiktive Serie ist, die zwar dokumentarisch untermauert, aber keineswegs punktgenau präzise und oftmals hinsichtlich der Geschehnisse innerhalb einer Familie überkonstruiert daherkommt, zeichnet sie sich allein schon durch ihre ganz besondere Rezeptionsgeschichte aus, die ihr eine bedeutsame Rolle innerhalb der deutschen Vergangenheitsbewältigung zuweist. Dass die Hölle der Schoah letztlich nicht darstellbar ist, schon gar nicht im Rahmen einer derartigen Fernsehserie, schließt nicht aus, dass eine solche es offenbar vermochte, auf sehr emotionale und doch überwiegend unpathetische Weise Millionen Menschen in Westdeutschland vor den Bildschirm zu bannen und weithin hörbare Diskussionen auszulösen, die zuvor oftmals im Unbehagen erstarrt blieben.

Neben zwei Golden Globes für Rosemary Harris und Michael Moriarty als Beste Darsteller wurde Holocaust noch mit zahlreichen weiteren Auszeichnungen prämiert. Betrachtet man heute die Folgen dieser ergreifenden Geschichte, deren authentischer Hintergrund so unbegreiflich ist, so wird deren Wirkungsmacht erneut deutlich, die damals hierzulande um sich griff. Es ist bei allen kleinen und größeren dramaturgischen Schwächen das Bemühen, das subtile Menschliche in einer zutiefst inhumanen Umgebung zu orten, das an dieser aufwändig und teilweise an Originalschauplätzen inszenierten Serie berührt.

Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss (1978)

Als im Januar 1979 im westdeutschen Fernsehen der US-amerikanische Vierteiler „Holocaust“ ausgestrahlt wurde, gab es bereits im Vorfeld hitzige Kontroversen über diesen filmischen Umgang mit dem Thema des Genozids an Millionen jüdischen Menschen zur Zeit des Nationalsozialismus.

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