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Für eine junge Frau wird ein Urlaub an der türkischen Riviera, den sie zusammen mit ihrem Gangster-Lover verbringt, zu einem Höllentrip, an dessen Ende sie vor einer Entscheidung steht. 

Holiday (2018)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die Frau ohne Eigenschaften

Ganz verloren steht sie am Anfang in den großen und leeren Hallen des Flughafens von Bodrum, diese sehr junge, sehr dünne, sehr langbeinige und sehr blonde junge Frau, die in manchen Momenten später im Film fast noch wie ein Kind erscheint. Sascha (Victoria Carmen Sonne) ist hierher geflogen, um gemeinsam mit ihrem Freund Michael (Lai Yde) einige entspannte Tage an der türkischen Riviera zu verbringen, gemeinsam mit einigen Freunden von Michael, der mit undurchsichtigen bis illegalen Transaktionen (vermutlich Drogen, aber so genau weiß man das nicht) das große Geld verdient. 

Sascha weiß das alles nicht so genau, wozu auch, sie ist schließlich nur die Gespielin, ein „trophy girl“ von der Art, mit der sich alte, reiche und mächtige Männer gerne umgeben, um zu zeigen, was sie sich neben anderen Luxusgütern leisten können. Und die sehr naive Sascha macht dieses Spiel mit, lässt sich benutzen, demütigen, dann wieder mit teurem Schmuck beschenken und fragt nicht viel. Weil sie (anscheinend) genau dieses Leben will. 

Bei Michael aber liegen wegen eines bevorstehenden großen Deals die Nerven blank – und das lässt er nicht nur an seinen Freunden aus, die wohl viel eher untergebene Komplizen sind, sondern vor allem und immer wieder an Sascha. Als diese den niederländischen Aussteiger Thomas (Thijs Romer) kennenlernt und ihm immer wieder begegnet, erwacht Michaels Eifersucht – und die wird schließlich schlimme Folgen haben, wenngleich ganz anders, als man dies zunächst zu wissen glaubt.

Isabella Eklöfs in Sundance ausgezeichnetes Spielfilmdebüt Holiday ist ein Film ohne Moral, ohne nennenswerte Sympathieträger und beinahe auch ein Film ohne Story. Welche Geschäfte Michael genau betreibt, kann man allenfalls erahnen. Welche Rolle die anwesenden Freunde spielen, bleibt im Dunkeln – zumal sie eher wie eine Ansammlung leicht asozialer Proleten denn wie richtige Gangster wirken. Was Sascha denkt, fühlt, will, wo sie herkommt und wo sie hinwill – all dies verschleiert Holiday, überdeckt es mit knalligen Farben und stilisierten Bildern, über denen aller sommerlichen Leichtigkeit zum Trotz etwas zutiefst Morbides und Abgefucktes liegt. Holiday sieht ein wenig so aus, als hätten Nicolas Winding Refn und Terry Richardson die Bildsprache der Hochglanzwerbung bewusst auf die Spitze getrieben – The Neon Demon trifft auf porn chic. Es ist die reine Oberfläche und ultrakapitalistische Oberflächlichkeit, unter denen zwar abgrundtiefe Gefühle brodeln, die aber kaum je zum Vorschein kommen. Und wenn sie es doch tun, entladen sie sich in Gewalt, Sex, Erniedrigung und vollkommener Verdinglichung des menschlichen Gegenüber. Es ist eine abgrundtief hässliche Welt im schicken Gewand, die Eklöf hier vorführt. 

An einigen Stellen ist Holiday nur schwer zu ertragen – und das liegt nicht nur an einer üblen und sehr expliziten Vergewaltigungsszene, sondern auch an der Leere und Kälte der Hauptperson, die bis zum Schluss ein seelenloses Püppchen ohne nennenswerte Gefühle und Eigenschaften bleibt und nicht nur von Michael, sondern auch vom Film selbst permanent zu einer bloßen Hülle reduziert wird. Dies ist umso erstaunlicher, weil der Film selbst und damit auch der Blick auf Sascha von einer Frau stammt, die hier aber auf denkbar großer Distanz zu ihrer Protagonistin bleibt. Kaum zu glauben – und genau deswegen überaus faszinierend, dass Eklöf auch am Drehbuch von Ali Abbasis sehr zärtlichem und empathischen Border mitgewirkt hat.

Holiday ist kein Film, der belehren oder versöhnen will, er hat keine Botschaft, keine Moral und erst recht keine Katharsis, die uns am Ende beruhigen könnte, weil Sascha oder vielleicht auch wir irgendetwas aus diesem Blick in die Hölle gelernt hätten. Sie ist eine auf ewig Verlorene – und vielleicht sind wir dies auch.

Holiday (2018)

Auf den ersten Blick für Sascha, die Geliebte des Gangsterbosses Michael ein sorgloses Luxusleben. Doch hinter der glänzenden Fassade ist sie nicht viel mehr als ein Spielzeug für den skrupellosen Mann, mag aber auch nicht auf die Annehmlichkeiten verzichten, die ihr dieses Verhältnis einbringt. Dann trifft sie zufällig auf einen Fremden und lässt sich auf eine Affäre mit ihm ein. Doch das kann nicht gut gehen, denn Michael sieht sie als seinen Besitz an …

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