Holding the Man

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Love, love, love

Es geht um Liebe. Gegenseitige, tief empfundene Liebe. Daran lässt dieser Film von Anfang an keinen Zweifel. Er zeigt uns alles, von der ersten Schwärmerei bis zum letzten Atemzug des Geliebten sowie der kaum erträglichen Trauer des Hinterbliebenen. Der Tod bricht in Holding the Man zu früh über das junge Dasein der beiden Hauptfiguren herein; vieles muss für das Paar unerreicht und unentdeckt bleiben, kann nicht verwirklicht oder ausgefochten werden. Die Geschichte basiert auf den gleichnamigen, 1995 posthum veröffentlichten Memoiren des australischen Theaterschauspielers, Schriftstellers und Aktivisten Timothy Conigrave (1959-1994), in denen dieser das Glück und den Schmerz einer 15-jährigen Beziehung, den Kampf gegen Vorurteile sowie die Konfrontation mit HIV schildert. Auf Grundlage der Bühnenadaption von Tommy Murphy, der auch das Drehbuch verfasste, hat Regisseur Neil Armfield ein filmisches Zeitstück in Szene gesetzt, das selbst in seinen emotionalsten Momenten nie zu einem tränentreibenden Schmachtfetzen verkommt, sondern stets aufrichtig bleibt. So ist ein kleines Meisterwerk aus Down Under entstanden.
Die Handlung wird nicht durchgängig chronologisch erzählt; sie umfasst die zweite Hälfte der 1970er Jahre sowie die darauffolgende Dekade und die beginnenden 1990er Jahre. 1976 verliebt sich der extrovertierte Timothy (Ryan Corr) in seinen sportlichen, stillen Mitschüler John (Craig Stott). Die beiden Teenager besuchen eine Jesuitenschule in Melbourne; Timothy möchte Schauspieler werden, John ist Kapitän des Football-Teams. Die zaghafte Annäherung führt bald zu großen Gefühlen, die weder vom konservativen Lehrkörper noch von der enttäuscht bis entrüstet reagierenden Familie getrübt werden können. Nach diversen Bewährungsproben ziehen Timothy und John gemeinsam nach Sydney, wo sie erfahren müssen, dass sie beide HIV-positiv sind. Als John krank wird, gibt Timothy sein Bestes, um ihn zu pflegen.

Holding the Man ist ein sehr trauriger Film. Doch er ist auch wunderschön, ohne beschönigend zu sein, und witzig, ohne seinen ernsthaften Kern zu vergessen. Können Filme einem das Herz brechen? Oh ja, das können und tun sie, wenn sie so seelenvoll daherkommen wie dieser. „A love story for everyone“ lautet die tagline zu der australischen Produktion. Einerseits stimmt das: Jeder Mensch, unabhängig von Alter, Geschlecht und sexueller Orientierung, sollte sich in diese Erzählung einfühlen können – denn sie stellt grundsätzliche Fragen über Liebe und Verantwortung und liefert Antworten, die Allgemeingültigkeit besitzen. Andererseits versuchen Drehbuch und Regie aber nicht zwanghaft, auch wirklich niemanden zu ‚verschrecken‘, wie dies bei der Entwicklung etlicher Queer-Cinema-Vertreter der jüngeren Zeit (etwa Roland Emmerichs Stonewall) höchstes Gebot zu sein scheint. Die beiden Protagonisten sind queere Figuren, die ihrer Ecken und Kanten nicht beraubt werden. Sie sind fraglos sympathisch – allerdings dürfen Timothys exorbitantes Ego und Johns Übermaß an Nachsichtigkeit zugleich enervierend sein und uns zuweilen an den Rand der Verzweiflung bringen. Klug ist überdies, dass Holding the Man klischierte Negativfiguren vermeidet. Den Lehrern und Eltern kommt im Verlauf der Coming-of-Age- und Coming-out-Story eine gewisse antagonistische Funktion zu; dennoch werden sie nicht dämonisiert. Insbesondere Johns strenger Vater, den Anthony LaPaglia ganz hervorragend verkörpert, ist erstaunlicherweise ein äußerst anrührender Nebencharakter, der seinen Prinzipien tragisch verhaftet ist.

Dem perfekt miteinander harmonierenden Hauptdarsteller-Duo Ryan Corr und Craig Stott gelingt es dank einer eindrücklichen Spielleidenschaft, sowohl als Schüler im Gefühlstaumel als auch in den späteren, zunehmend bitteren Lebensjahren von Timothy und John zu überzeugen. Die beiden tragen maßgeblich dazu bei, dass Holding the Man ein beachtlicher Triumph wird – ein Werk voller Würde und Wärme, Verve und Energie.

Holding the Man

Es geht um Liebe. Gegenseitige, tief empfundene Liebe. Daran lässt dieser Film von Anfang an keinen Zweifel. Er zeigt uns alles, von der ersten Schwärmerei bis zum letzten Atemzug des Geliebten sowie der kaum erträglichen Trauer des Hinterbliebenen. Der Tod bricht in „Holding the Man“ zu früh über das junge Dasein der beiden Hauptfiguren herein; vieles muss für das Paar unerreicht und unentdeckt bleiben, kann nicht verwirklicht oder ausgefochten werden.
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