Himmel über der Wüste (1990)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Auf der Flucht vor der großen Leere

Für Melancholiker oder solche, die es werden wollen, ist es ein heftiges Vergnügen, sich in entsprechender Stimmung ein großartiges Werk des berühmt-berüchtigten Bernardo Bertolucci anzuschauen. Himmel über der Wüste / The Sheltering Sky nach einer Romanvorlage von Paul Bowles mit einer heiß-kalten Debra Winger und einem brennend-coolen John Malkovich verströmt die ebenso zärtliche wie gnadenlose Schwermut einer ungezielten Reise durch die Sahara, die letztlich an die existentiellen Fragen des menschlichen Daseins und deren Abgründe rührt.

Des gesellschaftlichen Treibens überdrüssig und in einer Schaffenskrise gefangen fahren der Komponist Port Moresby (John Malkovich) und seine Frau Kit (Debra Winger), eine Schriftstellerin, von New York aus mit dem Schiff im Jahre 1947 nach Marokko, um auf unbestimmte Zeit den nordafrikanischen Kontinent zu bereisen – zwei Intellektuelle, des Diskurses müde, mit der gewaltigen Sehnsucht nach extremen Berührungen in und mit einer undurchdringlichen Fremde. Rasch schließt sich ihnen der wohlhabende George Tunner (Campbell Scott) an, fasziniert vor allem von der anziehenden Kit, die sich launenhaft mal umschwärmen lässt, dann aber wieder auf Distanz geht, bis sie sich schließlich einer Affäre mit ihrem Verehrer hingibt. Port, der eines Nachts eine bizarre erotische Begegnung mit einer ausgebufften Hure hat und stark um sich selbst kreist, ahnt, dass sich Kit noch stärker als zuvor von ihm entfernt und richtet die Reiseroute so aus, dass Tunner das Paar verlässt, mit der vagen Verabredung, sich später erneut zu treffen. Und dann treten Kit und Port ihren letzten gemeinsamen Weg an, der sie sich selbst und der Wüste ausliefern wird, auf Leben und Tod, vor dem Szenario destillierender Identitäten.

Es ist die beinahe grausame Intensität und der tragische Hauch einer Unentrinnbarkeit, die Himmel über der Wüste zu einem filmischen Juwel mit einer bildgewaltigen Sprache werden lassen, die die Ungenauigkeit von Worten hinter sich lässt. Kameramann Vittorio Storaro wurde für seine Kunst mit dem Preis der New Yorker Filmkritiker geehrt, und auch die Musik von Ryuichi Sakamoto wurde mit dem Golden Globe und durch die Filmkritiker von Los Angeles ausgezeichnet. War auch Paul Bowles, der im Film mit fast achtzig Jahren die kleine Rolle des wenig präsenten Erzählers übernahm, nicht begeistert von der Verfilmung seines Stoffes, wurde Himmel über der Wüste doch ein internationaler Erfolg und zudem ein Werk von einer tristen Schönheit, die gleichermaßen verstört wie tröstet, mit unbarmherziger Ambivalenz.
 

Himmel über der Wüste (1990)

Für Melancholiker oder solche, die es werden wollen, ist es ein heftiges Vergnügen, sich in entsprechender Stimmung ein großartiges Werk des berühmt-berüchtigten Bernardo Bertolucci anzuschauen.

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