Hideaways

Eine Filmkritik von Lida Bach

Im Wald, im Wald...

Fluch und Segen sind nur zwei verschiedene Worte für die gleiche Sache. So lautet die Lehre von Mae O´Maras (Rachel Hurd-Wood) Familiengeschichte und Agnès Merlets filmischer Fabel. Um nichts von der tugendsamen Botschaft verloren gehen zu lassen, bedient sich die französische Regisseurin der Stimme ihrer jungen Hauptfigur. Mae verkündet als Hintergrunderzählerin eine Moral, die so zwiespältig ist wie die gedankenverlorene Stimmung. Das Handlungsmärchen ist im Grunde keines, doch das eigene Wesen zu erkennen und zu akzeptieren ist schwer. Das ist die zweite Lehre von The Hideaways.
Merlets naiver Fantasyfilm teilt das Schicksal des romantischen Helden James: er wird zum Opfer der Trugschlüsse über die eigene Natur. Sie hat dem auf einer Farm aufwachsenden Jungen einen bösen Streich gespielt, wie vor ihm allen anderen männlichen Nachfahren der Furlongs. Großvater Charlie erblindet beim Gedanken an Sex – zum Glück im Unglück nur vorübergehend. Was nach einem kuriosen Handicap klingt, zeigt sich in der nächsten Generation von fatalerer Seite. James Vater Philip (Aaron Monaghan) verursacht Elektrizitätsausfälle, sobald er Angst fühlt. So stirbt Philips hochschwangere Frau auf der Fahrt ins Krankenhaus, weil seine Furcht um sie den Automotor lahmlegt. Zuneigung und Fürsorge kostest James Mutter das Leben, in dem Moment, als sie es ihm schenkt. Das traumatische Geschehen scheint der Grund, dass Philip fortan Besorgnis und Befürchtungen in Wut erstickt. Seine Gereiztheit trifft auch seinen 10-jährigen Sohn (James Wilson), zusammen mit einem grausamen Familienerbe.

James besondere Eigenschaft wird ihm und seinen Mitmenschen zum Verhängnis. Schmerzen projiziert James auf seine Außenwelt: in Form einer tödlichen Welle des Verfalls. Ein Auflodern dieser zerstörerischen Aura tötet neben dem Viehbestand auf dem Hof der Furlongs auch James‘ Vater und seine Großmutter (Mairead Reynolds). Der letzte Spross des unglückseligen Klans kommt in die Besserungsanstalt St. Judes. Dort leidet der verzärtelte Landjunge unter den Schikanen des Sportlehrers und seiner Mitschüler Kevin (Craig Connolly) und Stephen (Calem Martin). Das brutale Umfeld provoziert einen neuen Schmerzausbruch, den nur James und sein einziger Freund Liam (Diarmuid O’Dwyer) überleben. Erster ist emotional traumatisiert, zweiter bleibt physisch versehrt. Beide entsagen getrennt voneinander dem gewöhnlichen Leben, von dem sie eine unsichtbare Grenze trennt. Liam flüchtet in nagende Vergeltungsgedanken, sein einstiger Freund in den tiefen, tiefen Wald, den schwärmerische Kamerabilder zum Zauberforst verklären.

Hier endet die düstere, kleine Filmnovelle, denn was fast ein eigener Kurzfilm sein könnte, ist nur die Vorgeschichte. Die eigentliche Handlung ist eine von schmachtender Musik und sentimentalen Waldszenen umrahmte Teenager-Liebe zwischen dem zum Jüngling gereiften James (Harry Treadaway) und Mae. Die eigensinnige Krebspatientin haust Jahre später im zum Hospiz für unheilbar Kranke umgebauten St. Judes. Statt ihr Ende zu erwarten, flüchtet Mae vor der Überfürsorge ihrer Mutter (Susan Lynch) in den nahegelegenen Wald, wo sie einen schönen und scheuen Einsiedler trifft. Doch die Todgeweihte fürchtet weder James noch das Verhängnis, das er ihr bringen könnte. Wer bei malerischer Waldlandschaft, der Romanze einer spröden Einzelgängerin mit dem Nachkommen einer gefährlichen Sippe und einer Liebelei, die nur zur Kinderzeugung konsumiert wird, einen Schimmer Twilight heraufziehen sieht, hat The Hideaways durchschaut.

Die Kehrseite der Mär von der heilenden Macht der Liebe ist die Darstellung von Krankheit als Strafe für Charakterschwäche. Wer sich bessert, wird zur Belohnung geheilt. Wer zugrunde geht, verdient es nicht besser. Die titelgebenden „Versteckten“ sind nicht nur die jungen Verliebten, sondern die kalten Sittenlehren der trivialen Teenager-Träumerei.

Hideaways

Fluch und Segen sind nur zwei verschiedene Worte für die gleiche Sache. So lautet die Lehre von Mae O´Maras (Rachel Hurd-Wood) Familiengeschichte und Agnès Merlets filmischer Fabel. Um nichts von der tugendsamen Botschaft verloren gehen zu lassen, bedient sich die französische Regisseurin der Stimme ihrer jungen Hauptfigur. Mae verkündet als Hintergrunderzählerin eine Moral, die so zwiespältig ist wie die gedankenverlorene Stimmung.
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