Heinz Rühmann Edition

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Sieben Meisterstreiche des sympathischen unter den Schauspielern

Beginnend mit dem schwarzweißen Stummfilm Das Hohelied der deutschen Mutterliebe / Das deutsche Mutterherz aus dem Jahre 1926 von Géza von Bolváry bis hin zu seiner letzten, feinfühlig verkörperten und stark berührenden Filmrolle in Wim Wenders‘ In weiter Ferne, so nah! (1993) gestaltete und erlebte der deutsche Schauspieler Heinz Rühmann (1902-1994) eine ungewöhnliche wie wechselhafte Karriere – und eine ebensolche Existenz. „Er war nie modern, und er war nie unmodern“, bemerkt der Regisseur, Intendant und Kulturpolitiker August Everding in der Dokumentation Heinz Rühmann – Kleiner Mann ganz groß (1994) von Bernhard Springer – ein Ausschnitt daraus ist als Bonus innerhalb der Heinz Rühmann Edition enthalten – über den vielseitigen Akteur, der in weit über hundert Filmen mitgewirkt hat.
Der Mustergatte unter der Regie von Wolfgang Liebeneiner bildet den chronologischen Auftakt dieser sieben markante Filme aus den Jahren 1937 bis 1958 präsentierenden Heinz Rühmann Edition. Bevor er sie auf der Kinoleinwand verkörperte, hatte Heinz Rühmann die Rolle des penetrant pedantischen Bankdirektors William „Billy“ Bartlett, dessen zuverlässig langweilige Lebensweise seine junge Frau Margret (Leny Marenbach) beinahe zur Scheidung treibt, bereits ab 1922 zunächst im Ensemble des Bremer Schauspielhauses etliche Male mit enormem Erfolg gespielt. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs trat er – letztlich insgesamt rund 2000 Mal – mit einer eigenen Inszenierung dieser dynamischen Komödie auf den ersten Bühnen des Nachkriegsdeutschlands in der damaligen sowjetischen Besatzungszone auf, nachdem das zunächst über ihn verhängte Filmverbot seitens der Aliierten aufgehoben wurde und er eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erhalten hatte. Im Zuge der so genannten Entnazifizierung, die auch Heinz Rühmann auf Grund von Denunziationen durch Kollegen durchlaufen musste, wurde der vormalige „Staatsschauspieler“ sowohl vor der zivilen Kammer als auch vor dem Militärgericht von allen Vorwürfen freigesprochen.

Aus dem Jahre 1939 stammt der heitere Schwarzweißfilm Hurra, ich bin Papa! unter der Regie von Kurt Hoffmann nach dem Drehbuch von Thea von Harbou, in dem sich Heinz Rühmann vom sorglosen studentischen Lebemann zum fürsorglichen, verantwortungsbewussten Vater wandelt. Die folgenden Filme der Edition setzen 1954 mit Auf der Reeperbahn nachts um halb eins ein und zeigen Heinz Rühmann an der Seite von Hans Albers (1891-1960) und Gustav Knuth (1901-1987) als wenig erfolgreichen Betreiber eines Hamburger Lokals im berühmten Vergnügungsviertel. Während Hans Albers hier als Sänger von so genannten Gassenhauern für Stimmung sorgt, beinhaltet Heinz Rühmanns Rolle auch kleine Auftritte als Clown, die wonnig sein diesbezügliches Talent erstrahlen lassen. Daran schließen sich drei Filme an, die den zunehmend differenzierter agierenden Mimen mit selbstkritischem Hang zum Perfektionismus zu einem der beliebtesten deutschen Schauspieler jener Jahre avancieren lassen: Wenn der Vater mit dem Sohne (1955), Charleys Tante (1956) und Der Hauptmann von Köpenick (1956), allesamt auch heute noch absolut sehenswerte, markante Meilensteine der Karriere des damals bereits über 50-Jährigen.

Zusammen mit Gert Fröbe (1913-1988) nimmt er es in Der Pauker von 1958 mit einer Horde respektloser Jugendlicher auf, nachdem die beiden populären Kollegen kurz zuvor bereits gemeinsam im Krimidrama Es geschah am hellichten Tag nach dem Roman Das Versprechen von Friedrich Dürrenmatt zu sehen waren. Heinz Rühmann als engagierter Lehrer und Gert Fröbe als grobschlächtiger Catcher, der sich von seinem gebildeten Zimmernachbarn seine grammatikalischen Unzulänglichkeiten ausbügeln lässt und diesem derweil Unterricht in körperlicher Selbstverteidigung erteilt, bilden hier ein allerliebst-schrulliges Gespann gutgelaunter Genre-Unterhaltung. Wie auch die übrigen Filme der Heinz Rühmann Edition eignet sich Der Pauker mit seinem handfesten Humor und seiner überschaubaren, moralisch abgefederten Geschichte auch für ein ganz junges Publikum, denn auch die gesellschaftlichen Klischees jener Zeiten werden jenseits ihrer inhärenten Selbstverständlichkeit überwiegend auf heitere, lässige Weise ganz gemütlich auf die Schippe genommen.

Wenn Heinz Rühmann als sympathische Hauptfigur dieser Edition am Ende der geradezu für sein lebendiges, tragikomisches Format geschaffenen Geschichten gewinnt, geschieht das niemals im Sinne eines versierten Superhelden, der alle Schwierigkeiten im Handumdrehen bewältigt. Vielmehr tritt er zuvorderst spätestens im Verlauf der Unwegsamkeiten als sensibler, vielschichtiger Darsteller mit schlichter Präsenz auf, dessen engagierte Entwicklung mit den Bandagen seines humorigen Humanismus letztlich glückliche bis triumphale Siege des kleinen Mannes über die Fallstricke einer unbarmherzigen Umgebung erkämpft. Auch bereits bekannten und anderweitig nicht übel besetzten Rollen vermag dieser Heinz Rühmann seine ganz persönliche, unaufdringlich-eigenwillige Art der schauspielerischen Dynamik zu verleihen, die mitunter ganz neue Interpretationsaspekte produzieren kann. Würde er noch leben und wirken, so behauptet bedauernd so mancher Fan, würde er heutzutage zweifellos einen überragenden Tatort-Kommissar abgeben.

Heinz Rühmann Edition

Beginnend mit dem schwarzweißen Stummfilm „Das Hohelied der deutschen Mutterliebe“ / „Das deutsche Mutterherz“ aus dem Jahre 1926 von Géza von Bolváry bis hin zu seiner letzten, feinfühlig verkörperten und stark berührenden Filmrolle in Wim Wenders‘ „In weiter Ferne, so nah!“ (1993) gestaltete und erlebte der deutsche Schauspieler Heinz Rühmann (1902-1994) eine ungewöhnliche wie wechselhafte Karriere – und eine ebensolche Existenz.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen