Heino Jaeger - Look Before You Kuck

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Geisterbeschwörung eines großen Humoristen

Immer wieder begegnete einem in den letzten Jahren der Name Heino Jaeger. Er ist, so liest man dann, eines jener seltenen Genies des deutschen Humors – und dennoch kennen ihn bislang vor allem Eingeweihte oder solche, die über die neu editierten CDs und Bücher Jaegers gestolpert sind, die beim Schweizer Verlag Kein & Aber erschienen sind. Nun könnte man ein wenig traurig darüber sein, dass es ein Verlag aus der Schweiz sein muss, der diesen verborgenen Schatz hebt und Jaegers boshafte kleine Preziosen wieder zum Klingen und auf Papier bringt. Andererseits muss man sich freuen, dass überhaupt jemand diese wertvolle Erinnerungsarbeit leistet, die nun durch Gerd Kroskes zweistündige dokumentarische Spurensuche Heino Jaeger — Look Before You Kuck noch eine weitere Fortsetzung erfährt.
Die biografischen Details sind schnell erzählt: 1938 in Hamburg geboren erfährt Jaeger schon in jungen Jahren die Grausamkeit des Krieges und die Verstrickung der eigenen Familie in diesen Weltenbrand: Als Kind muss Heino mit ansehen, wie der Dresdner Feuersturm wütet, der eigene Vater ist ein strammer Nazi – Erlebnisse und Prägungen, die in seinem späteren Wirken deutlich sichtbar nachhallen. In Hamburg findet er eine kleine Gruppe von Gleichgesinnten, die so genannte Anti-68er-Bewegung mit Joschka Pintschovius, Alexander Knispel, Michael Mau, Hanns Witteck, die wie er den Verheißungen von Ideologien und Revolutionen kritisch bis ablehnend gegenüberstanden. Die nicht jedes historische Erbe über Bord warfen, sondern gerne mal — vielfach ironisch gebrochen – den Geist des Kaiserreichs und des Militärs beschworen und damit aneckten. Aber genau darum ging es ja auch.

Jaeger war aber nicht nur Kabarettist, Stegreif-Imitator und Schöpfer seltener Radiokunststücke, sondern auch ein Maler und Zeichner von einigem Talent und mit ungewöhnlichen Vorlieben für merkwürdige militärische Travestien, irgendwo zwischen Otto Dix und Surrealismus, naiver Malerei und persönlichem Albtraum.

Manchmal hat diese Spurensuche nicht allein wegen des verschlungenen Lebenswegs des Porträtierten etwas entschieden Unheimliches, Düsteres, Gespenstisches. Das liegt vor allem daran, dass Jaeger so etwas wie das unfassbare, geisterhafte Zentrum dieses Films bildet, seine Leerstelle, seinen Nullpunkt, um den sich alles dreht, der aber nur noch in Form von verblassten Fotografien und uralten Tonbändern (den klassischen Trägermedien, mit denen man jede Art von Gespenstern zu rematerialisieren versucht) exisitiert — und im Gedächtnis derer, die ihn kannten. Die stehen naturgemäß im Mittelpunkt dieses filmischen Nachrufes, weil der Beschriebene ja nicht mehr da ist, nicht mehr befragt und gezeigt werden kann.

Es ist neben anderen Zeitzeugen (die niemals mittels einer Bildunterschrift benannt werden, was die Orientierung bisweilen etwas schwierig macht) vor allem Joschka Pintschovius, der Jaegers Lebensweg nachzeichnet: der findet Unterschlupf bei verschiedenen Rundfunkanstalten und endet schließlich in der geschlossenen Abteilung der psychiatrischen Klinik in Bad Oldesloe, nachdem Jaeger (wohl aus Versehen, aber sicher kann man sich da nicht sein) seine Wohnung in Brand gesteckt hatte. Dort verstirbt Jaeger im Alter von nur 59 Jahren.

In den Erzählungen, den vielen kleinen Geschichten, Episoden, Ankedoten schlummert vor allem ein Aspekt, der den Film über einen Komödianten zu einer besonders tragischen Form der dokumentarischen Filmbiografie macht: Es ist das deutlich spürbare Unvermögen, nicht nur den Menschen Heino Jaeger, sondern auch dessen ganz spezielle Form des Humors wieder zum Leben zu erwecken. Wenn die Interviewten von Episoden aus dessen Leben erzählen, die sie als komisch erinnern, dann liegt nach dem Ende der Geschichte in ihren Augen fast etwas Flehentliches, eine unausgesprochene Bitte, man möge den sprichwörtlichen Witz bei der Sache doch verstehen und ihn auf die selbe Weise goutieren, wie sie es tun. Doch nicht jedes der Hörstücke Jaegers verfängt heute auf die gleiche Art und Weise, was auch daran liegt, dass in der ganz spezifischen Art eines Humoristen sich stets auch viel von der Epoche ausdrückt, in der er lebte und wirkte. Ganz selten nur verlässt der Humor die Ebene des in-seiner-Zeit-Verhafteten und überdauert die Wechsel der Zeiten, Gesellschaftsformen und Moden, wird unsterblich. Heino Jaeger hingegen war ein Sterblicher, der viel zu früh ging. Die große Stärke von Gerd Kroskes Hommage an diesen bundesrepublikanischen Quergeist und eigenartigen Kauz ist, dass er Jaeger nicht überhöht, sondern ihm in seinem Film seine Fehler, seine Schwächen, seine Merkwürdigkeiten lässt. Fast scheint es so, als würde dieser Film immer stärker werden, je mehr Schwäche er seinem unsichtbaren, geisterhaften Protagonisten zugesteht.

Heino Jaeger selbst, so muss man wohl annehmen, hätte diesen Film über sein Leben gemocht; vielleicht hätte er auch ein wenig darüber gespottet, hätte die Stimme verstellt und all die auftretenden Freunde von früher nachgemacht. Wie das eben so seine Art war. Anscheinend, so heißt es, ist gerade ein weiterer Film zum Leben Heino Jaegers in Arbeit, Rocko Schamoni soll dabei das Drehbuch verfassen und Lars Jessen Regie führen. In der Hauptrolle soll dabei Olli Dittrich agieren, der seit langem schon ein bekennender Jaeger-Fan ist und seine „Dittsche“-Auftritte ausdrücklich von dem Vorbild ableitet.

Vielleicht ist das ja eine Art späte Wiedergutmachung an einem beinahe Vergessenen, von dem Loriot einst sagte: „Wie konnte es geschehen, dass Heino Jaeger 25 Jahre ein Geheimtipp blieb? Wir haben ihn wohl nicht verdient.“

Heino Jaeger - Look Before You Kuck

Immer wieder begegnete einem in den letzten Jahren der Name Heino Jaeger. Er ist, so liest man dann, eines jener seltenen Genies des deutschen Humors – und dennoch kennen ihn bislang vor allem Eingeweihte oder solche, die über die neu editierten CDs und Bücher Jaegers gestolpert sind, die beim Schweizer Verlag Kein & Aber erschienen sind. Nun könnte man ein wenig traurig darüber sein, dass es ein Verlag aus der Schweiz sein muss, der diesen verborgenen Schatz hebt und Jaegers boshafte kleine Preziosen wieder zum Klingen und auf Papier bringt.
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