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Die Romanverfilmung „Grüne Tomaten“ von Jon Avnet glänzt mit den vier Top-Schauspielerinnen Kathy Bates, Jessica Tandy, Mary Stuart Masterson und Mary-Louise Parker – und ist auch nach 30 Jahren noch ein Hochgenuss.

Grüne Tomaten (1991)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Eine Ode an die Freundschaft

Im Jahre 1987 avancierte der Roman Grüne Tomaten von US-Autorin Fannie Flagg zu einem Bestseller. Erzählt wird darin auf zwei Zeitebenen von jeweils zwei Frauen aus der Provinz von Alabama – einmal in den 1920er und 1930er Jahren und einmal in der (damaligen) Gegenwart der 1980er Jahre. Der Erfolg des Werks rief alsbald Hollywood auf den Plan, weshalb Flagg in Zusammenarbeit mit Carol Sobieski eine Drehbuchfassung anfertigen konnte. Unter der Regie von Jon Avnet kam „Grüne Tomaten“ 1991/92 schließlich auf die große Leinwand und wurde, begleitet von zahlreichen Nominierungen und diversen Auszeichnungen, zum erhofften Hit.

Neben Filmen wie Freundinnen (1988) von Garry Marshall, Magnolien aus Stahl (1989) von Herbert Ross oder Thelma & Louise (1991) von Ridley Scott zählt Grüne Tomaten zu einer Reihe von modernen Melodramen der 1980er und frühen 1990er Jahre, in denen enge Beziehungen zwischen Frauen im Zentrum stehen. Die Werke sind in ihrem Stil weniger artifiziell-übersteigert als das Gefühlskino der Classical-Hollywood-Ära und insbesondere in ihrer Zeichnung der weiblichen Figuren weitaus progressiver und komplexer. Auch drei Dekaden nach seiner Uraufführung ist Grüne Tomaten noch immer ein überzeugendes Porträt von vier Frauen, das mit erfrischendem Humor und stimmiger Südstaaten-Atmosphäre geschildert wird.

Für den Witz sorgt in erster Linie der Strang, der in den 1980er Jahren angesiedelt ist. Darin erhalten wir einen Einblick in den Alltag der Hausfrau Evelyn (Kathy Bates), die sowohl mit sich selbst als auch mit ihrer Ehe äußerst unzufrieden ist. Ihr Gatte Ed (Gailard Sartain) nimmt sie kaum wahr – und auch in ihrem übrigen Umfeld stößt die wenig selbstbewusste Frau immer wieder auf Schroffheit. Während des Besuchs bei Eds (ebenfalls hochgradig unfreundlicher) Tante in einem Altenheim lernt Evelyn die gesprächige Seniorin Ninny (Jessica Tandy) kennen. Diese beginnt, ihr die Geschichte der Freundinnen Idgie (Mary Stuart Masterson) und Ruth (Mary-Louise Parker) zu erzählen, die einst das kleine Whistle Stop Café betrieben und gegen etliche Widerstände zu kämpfen hatten.

Wie schon in der Romanvorlage werden die beiden Zeitebenen klug miteinander verwoben. Die Begegnung mit Ninny sowie die sich entwickelnde Freundschaft und nicht zuletzt die lebhaften Schilderungen der Erlebnisse von Idgie und Ruth inspirieren Evelyn dazu, Veränderungen in ihrem verdrießlichen Dasein vorzunehmen: Neben äußerlichen Neuerungen, etwa einer schickeren Garderobe, ist es vor allem ein emanzipierteres Auftreten, mit dem sie ihren unaufmerksamen Ehemann ebenso zurechtweist wie dreiste Mitmenschen auf dem Supermarktparkplatz. Die wunderbare Kathy Bates, die kurz zuvor für ihre furchterregende Darbietung im Psychothriller Misery (1990) mit dem Oscar geehrt wurde, spielt dies mit perfektem Comedy-Timing, nimmt die Krise ihrer Figur dabei jedoch stets ernst. „Ich bin zu jung, um alt zu sein, und ich bin zu alt, um jung zu sein“, stellt Evelyn in einer Szene ernüchtert fest. Nicht minder großartig ist Schauspielveteranin Jessica Tandy (Die Vögel), die sowohl die Schlagfertigkeit als auch die Güte ihrer Rolle punktgenau trifft. Die Vertrautheit, die sich zwischen Evelyn und Ninny einstellt, ist dank der Chemie zwischen Bates und Tandy überaus berührend; durch die cleveren Dialoge wird wiederum jeglicher Kitsch vermieden.

Dies gilt auch für den Strang um Idgie und Ruth. Bedauerlich ist, dass die romantischen Gefühle zwischen den beiden jungen Frauen, die in Flaggs Roman angelegt sind, im Film auf ein rein platonisches Verhältnis reduziert werden. Aus späteren Interviews geht hervor, dass die Darstellerinnen Mary Stuart Masterson und Mary-Louise Parker die lesbische Beziehung ihrer Figuren gerne klar zum Ausdruck gebracht hätten. Obwohl ihnen dies nicht ermöglicht wurde, gelingt es den beiden aber auch so, durch ihr subtiles Spiel die innige Liebe zwischen der robusten Idgie und der melancholischen Ruth zu vermitteln und somit über die damaligen Vorgaben und Einschränkungen zu triumphieren. Darüber hinaus sind Idgie und Ruth zwei bemerkenswerte Heldinnen, die sich gegen patriarchalische Strukturen, gegen Gewalt, Sexismus und Rassismus auflehnen. Solidarität, ein Gerechtigkeitsempfinden unabhängig vom gerade geltenden (Un-)Recht und ein unerschütterlicher Widerstandsgeist – das sind die Themen, die der Film mit dem nötigen Feinsinn bearbeitet und die ihn zu Recht zu einem modernen Klassiker gemacht haben.

Grüne Tomaten (1991)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Appetitanregendes Wohlfühlkino

Dieser US-amerikanische Spielfilm von 1991, der nun im Doppelpack in der Kinofassung und erstmals auch als Director´s Cut bei Arthaus erscheint, war seinerzeit ein internationaler Überraschungserfolg. Grüne Tomaten von Jon Avnet erzählt auf zwei Zeitebenen die Geschichten von vier starken Frauen und ihren Freundschaften, die sie über die Widrigkeiten des Schicksals hinwegtrösten. Während die Rahmenhandlung in der Gegenwart Anfang der 1990er Jahre angesiedelt ist, spielt die Erzählung innerhalb der Geschichte zur Zeit der 1930er Jahre in den Südstaaten.

Evelyn Couch (Kathy Bates) ist eine verheiratete, unglückliche Frau in den mittleren Jahren, die mit Hilfe von Selbsterfahrungskursen eine neue Orientierung in ihrem Leben sucht. Als sie bei einem Besuch im Krankenhaus die hochbetagte, allein stehende Ninny (Jessica Tandy) kennen lernt, freunden sich die beiden allmählich miteinander an, und für Evelyn werden die Besuche bei der alten Dame zu einem ganz besonderen, geliebten Ritual. Denn Ninny beginnt bald, ihr die Geschichte zweier Freundinnen zu erzählen, die einst vor langer Zeit gemeinsam in Alabama das „Whistle Stop Café“ führten, und Evelyn ist begeistert von den starken Persönlichkeiten Idgie (Mary Stuart Masterson) und Ruth (Mary-Louise Parker) sowie von deren unverbrüchlicher Verbindung, die einige Bewährungsproben zu überstehen hatte …

Grüne Tomaten, der unter anderem 1992 für Jessica Tandy als Beste Nebendarstellerin und für das Beste Drehbuch von Fannie Flagg – ebenfalls Autorin der Romanvorlage Fried Green Tomatoes at the Whistle Stop Cafe – und Carol Sobieski zweifach für den Oscar nominiert wurde, ist ein Wohlfühlfilm über die Freundschaften und Emanzipationen äußerst sympathischer Frauenfiguren. Mit liebevollen visuellen und dramaturgischen Details ausgestattet steht hier eine Emotionalität im Vordergrund, die vor allem dem weiblichen Publikum einige breit gefächerte Einladungen zur Identifikation mit den Protagonistinnen bietet. Die Darstellerinnen agieren mit überzeugendem Engagement und verkörpern ganz hervorragend die Entwicklungen dieser mutigen Frauen, während die männlichen Charaktere im Gegensatz dazu nahezu unveränderliche, berechenbare Konstanten darstellen. Auch wenn sich hinter der vordergründigen Handlung sicherlich einige nicht auf den ersten Blick erkennbare Filigranitäten und Symbolismen verbergen, bleibt Grüne Tomaten zwar ein insgesamt äußerst positiver, anregender Film, dessen starke Momente sich durchaus in die Erinnerung des Zuschauers eingraben, doch für ein Meisterwerk der Filmkunst fehlt es hier schlichtweg an Ambivalenzen und Brüchen, die sich jenseits einer allzu harmonischen Gefälligkeit ereignen.
 

Grüne Tomaten (1991)

Dieser US-amerikanische Spielfilm von 1991 war seinerzeit ein internationaler Überraschungserfolg.

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