Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Es gibt kein richtiges Leben im Falschen

Dass Ben Afflecks Regiedebüt bereits vor dem eigentlichen Kinostart in die Schlagzeilen geriet, war in diesem Fall weniger auf die außerordentlichen Qualitäten des Films zurückzuführen als vielmehr auf die Parallelen zwischen Fiktion und Realität. Seit Monaten bereits hält der Fall der in Portugal verschwundenen Maddie McCann die Medien und die gesamte Öffentlichkeit in Atem. Weltweit, besonders aber in Großbritannien, der Heimat der Familie McCann, ist die Stimmung angespannt, gibt es jeden Tag neue Vermutungen, Erkenntnisse oder Theorien. Aufgrund der Parallelen zwischen Afflecks freilich lange vorher entstandenem Film und dem realen Fall, vor allem aber wegen der frappierenden Ähnlichkeit des verschwundenen Mädchens in Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel / Gone Baby Gone mit Maddie McCann, zog der Verleih in Großbritannien den Filmstart zurück, dort ist der Film bis zum heutigen Tage nicht in den Kinos zu sehen. Hierzulande, mit etwas mehr Abstand, startet Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel / Gone Baby Gone hingegen zum regulären Termin.
Ben Afflecks Film spielt auf vertrautem Terrain, zumindest was die Location des Films anbelangt: Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel / Gone Baby Gone ist in dem heruntergekommenen Bostoner Viertel Dorchester angesiedelt, wo der Schauspieler geboren wurde und aufwuchs; jenem Ort, dem er und sein Jugendfreund Matt Damon bereits in ihrem Drehbuch zu Good Will Hunting ein filmisches Denkmal setzten. In diesem Viertel, in dem der so genannte „White Trash“ lebt, verschwindet eines Tages die kleine Amanda McCready (Madeline O’Brien) spurlos. Da Amandas Mutter Helene (Amy Ryan) drogenabhängig ist und sich in schlechter Gesellschaft bewegt, beauftragen Bea McCready (Amy Madigan) und ihr Mann Lionel (Titus Welliver), Onkel und Tante der Verschwundenen, die beiden Privatdetektive Patrick Kenzie (Casey Affleck) und Angie Gennaro (Michelle Monaghan), nach Amanda zu suchen. Das behagt vor allem dem Police Chief Jack Doyle (Morgan Freeman) überhaupt nicht, doch schließlich lässt er sich darauf ein, dass die beiden Privatermittler sich mit den Detectives Remy Bressant (Ed Harris) und Nick Poole (John Ashton) austauschen. Und schnell stoßen die vier auf Abgründe von Gewalt, Kriminalität und Misstrauen und ein Gewirr von Motiven und Spuren. Und bald schon sehen sie sich der Frage ausgesetzt, ob es erlaubt sein kann, falsche Maßnahmen zu ergreifen, um das Richtige zu erreichen…

In den letzten Jahren musste man sich schon ernsthaft Sorgen um Ben Afflecks einstmals so verheißungsvolle Karriere machen: Statt formidabler Schauspielleistungen glänzte der Schauspieler eher durch private Skandälchen und Nominierungen für die Goldene Himbeere als schlechtester Schauspieler sowie etliche eher uninspirierte Auftritte. Mit Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel / Gone Baby Gone läutet Affleck ein neues Kapitel seiner Entwicklung ein, und es scheint so, als habe er nach einigen Niederlagen und Fehlern zu alter Stärke zurückgefunden. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass Affleck für seinen Film nach Boston zurückkehrt – gerade so, als bedürfe es für den Neubeginn der Versicherung über die eigene Herkunft und die Prägungen, die man erfahren hat. Und so erweist sich die Verortung des Stoffs im Bostoner Arbeiterviertel Dorchester als Glücksgriff, denn Afflecks intime Kenntnisse des Handlungsortes erlauben eine beinahe dokumentarisch anmutende Einführung, die den düsteren Grundton für die Handlung setzt. Solchermaßen auf einem festen Fundament ruhend wagt Affleck viel und scheut nicht davor zurück, einen enorm komplexen und moralisch vielschichtigen Plot zu entspinnen, der über die Überraschungsmomente hinaus eine Vielzahl von Problemen und Implikationen aufgreift und zu einem spannend anzusehenden Geflecht zusammenfügt, das niemanden schont – erst recht nicht die beiden sympathischen Ermittler, die sich permanent mit der Frage konfrontiert sehen, ob das eigentlich richtig ist, was sie da tun. Trotz einigen kleinen Unsicherheiten und Brüchen in der Dramaturgie bietet Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel / Gone Baby Gone spannende und komplexe Krimikost, die lange nachwirken dürfte.

Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel

Dass Ben Afflecks Regiedebüt bereits vor dem eigentlichen Kinostart in die Schlagzeilen geriet, war in diesem Fall weniger auf die außerordentlichen Qualitäten des Films zurückzuführen als vielmehr auf die Parallelen zwischen Fiktion und Realität.
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