Goldrausch - Die Geschichte der Treuhand

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Der große Ausverkauf

„Blühende Landschaften“ hatte Helmut Kohl einst nach der deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990 versprochen. Und die Treuhandanstalt sollte diese marktwirtschaftlichen Veränderungen in Gang bringen, steuern und die nicht überlebensfähigen, früheren volkseigenen Betriebe der ehemaligen DDR abwickeln. Das hehre Ziel der Einrichtung mit dem monströsen Titel „Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums“, deren Wirken am 1. März 1990 vom damals noch existierenden Ministerrat der DDR unter Hans Modrow, beschlossen wurde, war es, das Volksvermögen gerecht zu verteilen. Übrig geblieben ist von den Ankündigungen rückblickend kaum etwas. In Goldrausch – Die Geschichte der Treuhand erfolgt die längst überfällige filmische Aufarbeitung des Wirkens der Treuhandanstalt – und diese gerät zum Lehrstück über Wirtschaftskriminalität, Amtsmissbrauch, Korruption und Größenwahn.
Statt das Volk der Werktätigen nun an den Reichtümern zu beteiligen, wurde das Portfolio schnell zum Tummelplatz für Investoren, die sich die Sahnestückchen oftmals für einen Spottpreis unter den Nagel rissen, für Abzocker und Kaputtsanierer, die Produkte voller Identitätspotenzial im Nu und ohne jede Rücksicht über die Klinge springen ließen. Schnell haben die Verantwortlichen für die aufgebrachten Arbeiter, die an die eigentliche Aufgabe der Treuhand erinnern und diese einfordern, nur noch ein verächtliches Lächeln übrig. Die Deals werden unter der Hand gemacht, dem „Volk“ bleibt nichts anderes übrig, als die Brosamen zu schlucken, die vom Verhandlungstisch herabfallen.

Betrachtet man die Bilder, die der Film von den bewegten Zeiten Anfang der 1990er gesammelt hat, wundert man sich beinahe, dass es angesichts des eklatanten Fehlverhaltens der Treuhandanstalt so ruhig geblieben ist, dass sich die Menschen so ergeben in ihr Schicksal fügten. Stattdessen nutzten andere Kräfte das (durchaus berechtigte) Unbehagen gegenüber dem undurchschaubaren Apparat für ihre Zwecke: Am 1. April 1991 kam es in Düsseldorf zu dem tödlichen Anschlag der RAF auf den damaligen Chef der Treuhand Detlev Karsten Rohwedder, dessen Nachfolge Birgit Breuel übernahm.

Unterm Strich liest sich das Wirken der Treuhand wenig ruhmvoll: Innnerhalb von vier Jahren wurden rund 4.000 Betriebe geschlossen, etwa 2,5 Millionen Arbeitsplätze gingen verloren. Die Treuhandanstalt macht bis zu ihrer Schließung Ende 1994 Schulden in Höhe von insgesamt 256 Milliarden Mark — umgerechnet rund 150 Millionen Mark jeden Tag. Profitiert haben von ihrem Wirken nur wenige.

Goldrausch – Die Geschichte der Treuhand schildert das Wirken der Institution in nahezu chronologischer Reihenfolge, von den hehren Absichten bei der Gründung bis zur Auflösung der Anstalt, mit der der Komplex aber noch längst nicht abgeschlossen ist. Bis heute sind viele der Missbrauchsfälle und Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Tätigkeit der Treuhand nicht vollständig aufgeklärt und werden es wohl auch nie werden.

Man merkt es schnell, dass den Filmemachern das Thema am Herzen liegt, der Dokumentarfilm ist akribisch recherchiert, bemüht sich trotz aller Parteinahme um eine ausgewogene Sicht der Dinge, ist informativ und stellenweise spannend wie ein Krimi – zumindest wenn man sich für die Materie interessiert. Natürlich erinnert der Off-Kommentar, der Wechsel aus Interview-Sequenzen und Archivaufnahmen stark an Fernsehdokumentationen. Andererseits liegt das unter Umständen auch daran, dass trotz des Doku-Booms in den Kinos die genuin politischen Beiträge in den letzten Jahren stetig abgenommen haben – wenn man den großen Themenblock Umwelt und Gesundheit einmal ausdrücklich ausnimmt. Umso mehr ist es zu begrüßen, dass Goldrausch – Die Geschichte der Treuhand ein Thema aufgreift, das nach dem Willen so mancher Beteiligten am besten für immer vom Mantel der Geschichte verdeckt bleiben würde. Man ahnt, dass sich hinter der ganzen Geschichte noch viel mehr an dunklen Machenschaften verbirgt, als hier angedeutet wird.

Beinahe unwillkürlich drängt sich dabei – ohne dass dies expressis verbis geäußert würde, die Parallele zur Gegenwart auf. Der Verdacht, dass in Sachen Euro-Rettungsschirm und alternativlosen Maßnahmen zur Stützung „Notleidender“ Banken Milliarden und Abermilliarden möglicherweise auch wieder nur einigen Wenigen nutzen und die große Masse die Zeche zahlt, dieses mulmige Gefühl wird nach dem Betrachten des Films nicht gerade kleiner.

Ein kleiner Wermutstropfen überschattet diesen wichtigen Film doch – und der macht auch das Schreiben darüber nicht gerade einfacher: Zwischen dem Regisseur und der Produktionsfirma kam es im Lauf des Schnitts zu einer Auseinandersetzung, die schließlich dazu führte, dass der Filmemacher seinen Namen zurückzog. Es wäre schön gewesen, wenn man sich gerade angesichts der Wichtigkeit des Themas geeinigt hätte und wenn auf diese Weise auch eine Diskussionsmöglichkeit mit dem Regisseur über seine Sichtweise der Dinge hätte zustande kommen können. Dennoch ist und bleibt der Film der erste Schritt auf dem Weg zu einer längst überfälligen Aufarbeitung des Wirkens der Treuhand. Ob weitere Schritte in diese Richtung folgen werden, muss freilich bezweifelt werden.

Goldrausch - Die Geschichte der Treuhand

„Blühende Landschaften“ hatte Helmut Kohl einst nach der deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990 versprochen. Und die Treuhandanstalt sollte diese marktwirtschaftlichen Veränderungen in Gang bringen, steuern und die nicht überlebensfähigen, früheren volkseigenen Betriebe der früheren DDR abwickeln. Das hehre Ziel der Einrichtung mit dem monströsen Titel „Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums“, deren Wirken am 1. März 1990 vom damals noch existierenden Ministerrat der DDR unter Hans Modrow, beschlossen wurde, war es, das Volksvermögen gerecht zu verteilen. Übrig geblieben ist von den Ankündigungen rückblickend kaum etwas.
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