Glücksformeln

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Optimismus mit Augenmaß

Wer hätte das gedacht: Ganz so miesepetrig, wie wir Deutschen hingestellt werden, sind wir gar nicht. Mit immerhin 7,1 von 10 möglichen Punkten liegen wir im Mittelfeld eines internationalen Vergleichs. Es gibt also Hoffnung auf ein glückliches Leben. Ganz so, wie es Larissa Trüby in ihrem ebenso informativen wie optimistisch stimmenden Dokumentarfilm beschreibt: ohne den Hurra-Zwang gängiger Ratgeber, aber mit Augenmaß für das Machbare. Es erfordert schon etwas Mut, ein solches Thema anzugehen in einer Zeit, in der es von Versprechungen á la „77 Wege zum Glück“ nur so wimmelt und die Zeitschrift Psychologie Heute sogar von einer „Tyrannei des Glücks“ spricht. Aber Larissa Trüby verabreicht dem Kinozuschauer mit Glücksformeln keinen weiteren Happinesskurs, selbst wenn der etwas unglücklich gewählte Titel in eine solche Richtung deuten könnte. Sondern sie präsentiert wissenschaftliche Erkenntnisse und individuelle Erfahrungen auf eine wohltuend sachliche Weise. Und zugleich in einer bildstarken, assoziationsreichen, kinogerechten Tonlage.
Der Schlüssel zum Erfolg dieses Films liegt darin, dass er keinen Schlüssel zum Glück sucht. Sondern gleich zu Beginn klarmacht, dass jeder Mensch seinen ganz eigenen Mix aus Erfahrungen, Erlebnissen und Einstellungen braucht, um Glücksgefühle zu empfinden. Es gibt somit kein Rezept für das Glück, sondern Glück ist selber ein Rezept. Es besteht aus mehreren Zutaten, die alle dazu beitragen, dass sich der Genuss einstellt. Fehlt nur eine einzige Zutat, kann das Wohlbefinden getrübt sein. Zumindest für denjenigen Menschen, der genau auf dieses Rezept schwört.

Das bedeutet aber auch, dass man jenseits aller individuellen Geschmacksempfindungen die einzelnen Zutaten benennen kann, die in der einen oder anderen Kombination bei jedem Menschen zum Glück beitragen. So zum Beispiel ein Beruf oder Tätigkeiten, die wirklich Spaß machen. Wie bei dem 34-jährigen Musiker Philipp, der seine Erfüllung im Songschreiben und Gitarrespielen findet, auch wenn er derzeit davon nicht leben kann. Lieber verzichtet er auf den materiellen Wohlstand seiner Altersgenossen, als einem gut bezahlten Job seine Lebensfreude zu opfern.

Als entscheidender und wissenschaftlich gut erforschter Glücksfaktor gilt unter anderem eine gelingende Liebesbeziehung, wie etwa bei Martin und Margarete (beide 71), die seit 45 Jahren ein Paar sind. Sie teilen in ihrem Jugendgästehaus am Fuß der Alpen nicht nur die Liebe zur Natur und zur Arbeit mit jungen Menschen. Für solche Partnerschaften, die auch nach Abklingen der ersten Verliebtheit Bestand haben, seien nicht die mehr oder weniger ausgeprägten Beziehungstalente ausschlaggebend, erklärt das amerikanische Forscherpaar John und Julie Gottman. Viel wichtiger sei die bewusste Entscheidung, zu einer Beziehung auch dann zu stehen, wenn die rosarote Brille ihren Dienst versagt.

Elegant verwebt Larissa Trüby den Wechsel zwischen Einzelschicksalen und Forschungsergebnissen zu einem Erzählfluss, der sich fast unmerklich seinen Weg zu den verschiedenen Aspekten des Themas bahnt, gelenkt von den sinnlichen Eindrücken, die die Lebensverhältnisse und vor allem die Stimmung der Protagonisten spiegeln. Den roten Faden hat die langjährige Assistentin von Tom Tykwer in ihrer ersten Kinodokumentation natürlich bewusst gesponnen. Aber in einem so farbenfrohen Teppich, dass das Konstrukt komplett hinter der bunten Oberfläche verschwindet. Natürlich wird jeder Zuschauer seine eigenen Fäden weiterspinnen, wie er sein Leben mit etwas mehr Glücksgefühlen bereichern könnte. Und wird auf Patentrezepte nach diesem Film wohl gern verzichten.

Glücksformeln

Wer hätte das gedacht: Ganz so miesepetrig, wie wir Deutschen hingestellt werden, sind wir gar nicht. Mit immerhin 7,1 von 10 möglichen Punkten liegen wir im Mittelfeld eines internationalen Vergleichs. Es gibt also Hoffnung auf ein glückliches Leben.
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