Gekaufte Wahrheit - Gentechnik im Magnetfeld des Geldes

Eine Filmkritik von Lida Bach

Wahre Lügen

„Ein Zyniker ist, wer von allem den Preis kennt und von nichts den Wert“, wusste schon Oscar Wilde. Folgt man diesem Bonmot, dann ist die Unternehmenspolitik von Monsanto nicht zynisch. Mehr als eine Milliarde US-Dollar war dem auf Biotechnologie spezialisierten Agrarriesen im letzten Jahr die Forschung wert. Sein Ziel, zehn Prozent des Gesamtgewinns in die Wissenschaft zu investieren, hat der international operierende Konzern damit überschritten. Weitere Spenden dienen augenscheinlich wohltätigen Zwecken. So sollte 2010 Saatgut im Wert von vier Millionen US-Dollar an haitianische Bauern gehen. Der vom Forbes Magazin zum Unternehmen des Jahres gekürte Konzern kann 2011 sein 110-jähriges Firmenjubiläum begehen. Für Bertram Verhaag kein Grund zum Feiern. Sein ambitionierter Dokumentarfilm zeigt auf, wie die Gekaufte Wahrheit zur Währung im perfiden Geschäft zwischen Wissenschaft und Agrarmultis wird.
Einer von zwanzig. So ist das Verhältnis von abhängigen und unabhängigen Wissenschaftlern. Ignacio Chapela und Árpád Pusztai zählen zu den fünf Prozent. Der in Mexiko geborene Biologe und der britische Biochemiker arbeiten heute in unabhängigen Forschungsprojekten. Was es bedeutet, auf der anderen Seite zu stehen, wissen beide aus bitterer Erfahrung. Chapelas 2001 veröffentlichter Bericht über die Vermischung von mexikanischem Mais und Genmais war der erste Artikel, den das Wissenschaftsmagazin Nature je zurückzog. Grund dafür waren die massiven Proteste Monsantos gegen den Bericht und Chapelas Person. Noch deutlicher macht das Schicksal des Nahrungsmittelforschers Árpád Pusztai, warum der Regisseur seine Öko-Reportage als „dokumentarischen Thriller“ bezeichnet. Nachdem er in einem TV-Interview auf die möglichen Gefahren von genmanipulierter Kost hinwies, wurde Pusztai der Laborzutritt verwehrt, seine Unterlagen eingezogen, Pusztai selbst gekündigt und aus dem Wissenschaftsgremium ausgeschlossen.

Die Konzernspenden bezahlen die Forschungseinrichtungen mit ihrer Souveränität. Unternehmen wie Monsanto behalten sich im Gegenzug für ihre großzügige Unterstützung die Einflussnahme auf die Wissenschaft vor. Woran geforscht wird, welche Ergebnisse veröffentlicht und welche Studien unter Verschluss gehalten werden, bestimmen die Finanziers. Was allgemein für wahr erachtet wird ist meist kaum mehr als eine überzeugend dargelegte Behauptung. Einen geringfügig kleineren Betrag als für Forschung steckt Monsanto in Lobbyarbeit und Politik. Alles auf der Welt hat seinen Preis. Auch die Wahrheit. Wer Geld besitzt, kann sich die Wahrheit mit Förderkapital und materieller Unterstützung sichern. Verhaag wirft die „gekaufte Wahrheit“ in seiner brennend aktuellen Dokumentation in die Waagschale und stellt dem schönen Schein Skepsis und den Mut zur Kontroverse entgegen. In der heutigen Gesellschaft sind die effektivsten Mittel auf dem großen Wahrheitsmarkt die Medien und die Forschung. Wer nicht über gewaltige Summen verfügt, muss Zeit, Aufwand und Engagement investieren. Und manchmal kostet die „gekaufte Wahrheit“ noch mehr. Manchmal kostet sie den eigenen Ruf oder die wirtschaftliche Sicherheit. So erlebten es Ignacio Chapela und Árpád Pusztai.

Beim Versuch die verzerrten Fakten objektiv zu relativieren muss Verhaags Inszenierung um die eigene Glaubwürdigkeit ringen. Die auf Spannung ausgerichteten Stilmittel, der belehrende Grundton und die überdeutlichen Intentionen machen Gekaufte Wahrheit mehr zum filmischen Pamphlet als zur neutralen Reportage. Verhaags Hauptverdienst ist nicht die Erläuterung der verstrickten Machenschaften zwischen den Agrar- und Biotechnologiekonzernen und der Forschung. Stattdessen deckt die Reportage auf, dass der Glaube an eine souveräne Wissenschaft und eine uneigennützige Unterstützung der Forschung reine Illusion sind. Niemand tut grundlos etwas Gutes. Diese niederschmetternde Tatsache führt Gekaufte Wahrheit drastisch vor Augen.

Gekaufte Wahrheit - Gentechnik im Magnetfeld des Geldes

„Ein Zyniker ist, wer von allem den Preis kennt und von nichts den Wert“, wusste schon Oscar Wilde. Folgt man diesem Bonmot, dann ist die Unternehmenspolitik von Monsanto nicht zynisch. Mehr als eine Milliarde US-Dollar war dem auf Biotechnologie spezialisierte Agrarriese im letzten Jahr die Forschung wert.
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Meinungen

Manfred Wolf · 02.07.2014

Gestern 1. Juli 2014 zeigte ARTE den Beitrag "Krieg der Patente".
Jetzt versuche ich eine Kopie von gekaufte Wahrheit aufzutreiben.
Sehr gute Recherche

Karla Ternacht · 07.06.2012

Hab mir den Film gerade auf onlinefilm.org angeschaut - sehr interessant!