Frost/Nixon (2008)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Eine Sternstunde des politischen Fernsehens

Zufall oder nicht: Kaum glauben sich die Vereinigten Staaten von Amerika durch die Wahl Barack Obamas zum Präsidenten am Anfang eines neuen Weges hin zu mehr Ehrlichkeit in der Politik, wird auch das amerikanische Kino spürbar politischer. Gus van Sants Film Milk über den ersten bekennenden Homosexuellen, der je in ein politisches Amt gewählt wurde, ist sicherlich eines der Beispiele dafür. Und Ron Howards Frost / Nixon schlägt einen ähnlichen Weg ein. Beide Filme basieren auf wahren Ereignissen und spielen annähernd in der gleichen Zeit – den Siebzigern. Und beide sind eine Abrechnung mit dem konservativen Geist der Republikanischen Partei und können durchaus auch vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse als Resumée der zurückliegenden Ära von George W. Bush gelesen werden. Damit enden die Gemeinsamkeiten allerdings auch schon.

Ron Howards Film über ein legendäres TV-Duell, das US-Fernsehgeschichte geschrieben hat, basiert auf dem Theaterstück des britischen Autors Peter Morgan, das 2006 in London seine Premiere feierte. Im Mittelpunkt der realen Ereignisse steht der aus England stammende Talkmaster David Frost (Michael Sheen), dessen Stern am Sinken ist, nachdem seine Show gerade abgesetzt wurde. Dann kommt Frost auf die rettende Idee: Wie wäre es, den über den Watergate-Skandal gestolperten Ex-Präsidenten Richard Nixon (Frank Langella) zu interviewen und sich über die gnadenlose Demaskierung des gefallenen Politikers seriöse journalistische Meriten zu verdienen? Beide Kombattanten glauben sich auf der sicheren Seite: Nixon sieht in dem Interview eine letzte Chance, sich zu rehabilitieren, zumal sein Gegner nicht gerade als politisch beschlagen gilt. Und Frost ist fest entschlossen, Nixon mit allen Tricks zu einem Geständnis vor laufender Kamera bringen zu können. Schließlich hat er die Gage für den TV-Auftritt Nixons aus eigener Tasche bezahlt und damit wirklich alles riskiert. Es beginnt ein Kampf zweier Männer, die zu allem entschlossen sind. Denn das letzte der vier 90-minütigen Interviews werden 45 Mio. Amerikaner gebannt an den Fernsehapparaten verfolgen – die höchste Einschaltquote, die jemals eine politische Sendung in den USA erreichte.

Mit Michael Sheen (Die Queen / The Queen, auch hier stammte das Drehbuch von Peter Morgan) und Frank Langella verpflichtete Regisseur Ron Howard exakt diejenigen Schauspieler für die beiden Hauptrollen, die bereits in der ursprünglichen Theaterfassung als David Frost und Richard Nixon brilliert hatten. Für den Film erweist sich das als Glücksgriff, denn sowohl der smart-schmierige Frost wie auch angeschlagene Taktiker Nixon sind trotz ihres deutlich ambivalenten Charakters zwei Figuren, deren Faszination man sich nicht entziehen kann. Dabei vertraut Howard auf die geschliffenen Dialoge des Theaterstücks und inszeniert das Rededuell beinahe im Stil eines Westerns oder eines finalen Boxkampfs. Anders als bei dem Theaterstück aber baut Howard Interviewpassagen ein, die dem Gezeigten und ohne Zweifel meisterlich Inszenierten Authentizität verleihen sollen und erweitert den Blick auf das Umfeld der beiden Kontrahenten, ohne die zentralen Begegnungen aus dem Auge zu verlieren. Und tatsächlich sind es dann auch vor allem die Rededuelle und der Austausch verbaler Finten und Gemeinheiten, die den Reiz dieses Films ausmachen. Zugleich aber, und das ist zweifelsohne das große Verdienst dieses Films, zeigt Howard auch, wie viel Macht in der politischen Meinungsbildung den Medien zukommt. Die TV-Duelle zwischen dem Talkmaster und dem Ex-Präsidenten haben jedenfalls die Weichen gestellt für eine neue politische Streitkultur der damals noch jungen Medien-Demokratie.

Auch und gerade für Kinobesucher, die nicht en detail mit den politischen Hintergründen der Nixon-Ära vertraut sind, bietet Frost / Nixon geschliffene Unterhaltung und vor allem zwei brillante Schauspieler in Höchstform. Und vielleicht markiert er ja eine Trendwende im US-amerikanischen Kino — weg von tumber Action und hin zu mehr Bewusstsein für Politik und eine kritische Auseinandersetzung mit der Macht der Medien.
 

Frost/Nixon (2008)

Zufall oder nicht: Kaum glauben sich die Vereinigten Staaten von Amerika durch die Wahl Barack Obamas zum Präsidenten am Anfang eines neuen Weges hin zu mehr Ehrlichkeit in der Politik, wird auch das amerikanische Kino spürbar politischer.

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Meinungen

Henno · 23.02.2009

Politisches Kino auf Hollywood-Art könnte grauenvoll sein. Hier definitiv nicht. Großartige Schauspieler, eine sehr genaue Regie und eine packende Geschichte mixen sich zu einem Film der Extraklasse zusammen, die einen an die politischen und mutigen Hollywoodfilme der 70er erinnert.