Frenzy (1972)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Filigrane Filmkunst

Im Jahre 1972 außer Konkurrenz bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes uraufgeführt markiert Frenzy den vorletzten Film innerhalb des umfangreichen Werkes des legendären britisch-US-amerikanischen Regisseurs Alfred Hitchcock. Diesen satirisch-makabren Krimi inszenierte der Meister humoristischer Spannung nach über zwanzig Jahren Filmschaffen in den USA wiederum in London, und die Kulisse seiner Geburtsstadt spielt zweifellos die charmanteste Nebenrolle innerhalb dieses aufregenden Horror-Stücks um einen wahnsinnigen Frauenmörder, einen unschuldig Verdächtigten und einen schrägen Ermittler.

Der einstige Pilot Richard „Dick“ Blaney (Jon Finch) hat bessere Zeiten gesehen, bevor er als trinkseliger Barkeeper mit dem Hang zu unflätigen Zornesausbrüchen schließlich seinen Job verliert. Pleite und wieder einmal mit seiner Ex-Frau Brenda (Barbara Leigh-Hunt) verstritten, der er beim gemeinsamen Abendessen im Club eine hässliche Szene macht, nächtigt Dick bei der Heilsarmee, doch sein Schicksal wartet mit noch härteren Geschützen auf: Als der unbekannte Krawatten-Mörder, der London mit einer Serie brutaler Sexualverbrechen heimsucht, Brenda ermordet, gerät er selbst in dringenden Tatverdacht.

Als er Unterschlupf bei seiner ehemaligen Kollegin Babs (Anna Massey) findet und diese ebenfalls der Krawatte zum Opfer fällt, kommt der Flüchtige beim auffällig zuvorkommenden Gemüsehändler Robert Rusk (Barry Foster) unter, der ihn allerdings an die Polizei verrät, die in Person von Chief Inspector Oxford (Alec McCowen) von Scotland Yard unter enormem Druck steht, diesen schaurig-spektakulären Fall zu lösen. Dessen Frau (Vivian Merchant), die ihn mit skurrilen französischen Mahlzeiten attackiert, spekuliert derweil treffsicher über den Mörder, während die Unappetitlichkeit der Details ihrem Gatten zu schaffen machen.

Nach seiner Verurteilung zu lebenslanger Haft gelingt Dick dann die Flucht aus dem Knast und er sucht den Mann auf, den er für den wahren Täter hält. Doch dieser ist ihm längst einen Schritt voraus und inszeniert eine Falle für ihn, die den Anschein erweckt, als habe Dick nunmehr eine weitere Frau getötet. Aber auch Chief Inspector Oxford, der das grausige Szenario mit Dick und der Frauenleiche betritt, ist mittlerweile von dessen Unschuld überzeugt und will nun seinerseits den Mörder stellen, der sich gerade anschickt, mit einem riesigen Koffer im Schlepptau nach Hause zurückzukehren …

Mit derber Komik, kribbeliger Spannung und kruden Gewalttätigkeiten gespickt gelingt es Alfred Hitchcock, der auch hier zu Beginn des Films seinen gewohnten Cameo-Auftritt absolviert, diese wendungsreiche Geschichte nach einem Roman von Arthur La Bern derart geschickt zu inszenieren, dass der Zuschauer trotz des frühen Wissens um die Identität des Mörders der Auflösung der Verstrickungen gebannt entgegenfiebert. Frenzy stellt filigrane Filmkunst auf höchstem Niveau dar, die gleichermaßen aufregend unterhält wie durch den ansprechend installierten Zusammenhang von Essen, Brutalität und pathologischer Sexualität besticht.
 

Frenzy (1972)

Im Jahre 1972 außer Konkurrenz bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes uraufgeführt markiert „Frenzy“ den vorletzten Film innerhalb des umfangreichen Werkes des legendären britisch-US-amerikanischen Regisseurs Alfred Hitchcock.

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Meinungen

Martin Zopick · 18.03.2022

Obwohl man den Mörder Bob Rusk (Barry Foster) kennt und beim ersten Mord zuschauen kann, bleibt dieser Klassiker bis zum Ende spannend. Das liegt an der Erzählweise des Meisters. ‘Die Polizei (Alec McCowen als Chief Inspector Oxford) ist wie immer auf dem Holzweg‘ und die Regie setzt uns auf die falsche Fährte von Dick Blayney (Jon Finch). Drei Männer drehen sich um zwei ermordete Frauen. Ein Höhepunkt ist der Mord an Brenda (Barbara Leigh-Hunt). Hier wird deutlich, dass ‘Onkel Bob‘ ein impotenter Psychopath ist, der bei Mutti lebt. Es geht ihm nicht um Penetration, sondern um den Genuss der Macht und den Todeskampf des Opfers. Eine für Hitch auch optisch untypisch freizügige Einstellung. Der zweite Höhepunkt ist die Fahrt auf dem Laster zwischen Kartoffelsäcken. Großartiger Schnitt mit einem armseligen Mörder.
Das ist der humorvollste der Hitchcock-Filme. Gleich zu Anfang ist wegweisend ‘Hier ist Covent Garden, kein Lustgarten.‘ Und wenn Frau Oxford die feine französische Küche pflegt (Fischköpfe oder Schweinefüße), bleibt kein Auge trocken. (‘Damen verzichten heute eher auf ihre Unschuld, als auf ihre Klamotten‘.) Dabei hilft sie ihm noch bei der Lösung des Falles. Gradlinige Logik gegen schlichte Intuition. Der Mörder knackt die Finger der toten Babs (Anna Massey), Mrs. Oxford ein Salzstängli. Er vertritt hingegen eher die Meinung ‘Es geht nichts über ein gutes englisches Frühstück – und das dreimal am Tag.‘
Das spannende Finale hat dann noch eine Überraschung parat ehe Oxford den Mörder darauf hinweist ‘Sie haben ihre Krawatte nicht an‘. Ein Klassiker also in mehrfacher Hinsicht.