Fremde Tochter (2017)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Interreligiöse Liebe

Eine Schülerin Marke Hartz IV verliebt sich in einen Moslem, wird schwanger und das junge Paar wird von allen Seiten angefeindet … Das hätte schweres Betroffenheitskino werden können, doch Regisseur Stephan Lacant gelingt es, einen viel besseren Film zu schaffen, als es die Prämisse befürchten lässt: Fremde Tochter ist ein sehenswertes Drama, das seine kleineren Mängel durch die gelungenen Milieuschilderungen auswetzt.

Lena wohnt im sozialen Brennpunkt und mit ihren Freundinnen, Bekannten und der Mutter ist sie sich einig, dass von Moslems nichts Gutes kommen kann. „Taliban!“, ruft sie ihnen zu, das Bewusstsein von islamistischem Terror ist so tief verankert, dass es sich in diversen zynischen Sprüchen Luft verschafft. Die Mutter (Heike Makatsch, liebevoll aber sozialgeplagt) wird rausgeschmissen, das ist die erste Szene des Films, wie sie mit ihrem Kleinwagen das Auto des Chefs rammt, nochmal und nochmal. Lena muss mithelfen beim Geldverdienen, sie geht abends putzen in einem Büro. Hier lernt sie Farid kennen, zunächst feinden sie sich an, mit ihren flotten Sprüchen weiß Lena sich zu behaupten, wenn es darum geht, sich abzugrenzen. Dann rauchen sie zusammen. Meinst du, ich will was ‚nem Arab anfangen? – Meinst du, ich will ‚ne Bitch? Schnitt, und sie bumsen im Klo. So weit, so gut; doch am nächsten Tag spricht Farid sie wieder an. Und sie beginnen, sich näher kennenzulernen. Denn Farid ist zärtlich, das kennt sie so gar nicht. Allein im Großraumbüro können die beiden nach Herzenslust herumtollen, so schön hat in letzter Zeit selten jemand glückliche Schäferstündchen inszeniert: Nacktverstecken zwischen Schreibtischreihen …

Dieses Glück in den Mittelteil des Films zu überführen, gelingt Lacant nicht ganz; das Liebespaar scheint beinahe vergessen, wenn jetzt diverse Nebenhandlungen die Oberhand bekommen: Die Mutter muss fürs Amt Arbeitsbescheinigungen vorlegen, die sie vom Chef nicht bekommt – der hatte sie sexuell belästigt, sie hatte ihm das Auto demoliert. Der zwölfjährige Nachbarsohn ist abhängig vom brutalen Stiefvater und er hat eine Pistole, die er auch mal gegen Farid zieht. Wären diese beiden Nebenhandlungen heruntergedimmt, wäre viel gewonnen – sie sind zu stark, zu melodramatisch, zu sehr auf den emotionalen Affekt getrimmt. Der kleine suizidale Junge sieht zu Lena auf und träumt von der Liebesheirat mit ihr; der Chef gibt die Papiere nur gegen einen Fick heraus – und nicht mal dann. In all dem Schlamassel bemerkt Lena, dass sie schwanger ist. Mit Farid hat sie jetzt kaum mehr etwas zu tun, irgendwie scheinen sich die beiden verloren zu gehen, sind dann aber in einer etwas holprigen Wendung doch noch das Liebespaar, wenn er sich bei einer Party auf dem Dach zu ihr bekennt.

Dieser Hauptstrang des Films wirkt hier zu schwach, dabei liegt in ihm so viel Stärke. Vor allem in der Zeichnung der islamischen Sphäre, die Lacant spürbar am Herzen liegt. Er schafft es, tatsächlich authentisch von gläubigen Moslems jenseits des Radikalismus zu erzählen, Moslems, denen der Glaube wichtig ist, Moslems, die schon wegen der Anfeindungen von außen ihr Leben unter sich ausmachen. Farids Familie, die Moschee, die Kinder im Islamunterricht – das ist faszinierend geschildert, wirkt sehr echt, und es ist ein Leben, das auch Lena begeistert, die sich aus Liebe zu Farid, aus Liebe zum Kind dem islamischen Glauben zuwendet.

Für die Mutter ist das ebenso katastrophal wie für Farids Glaubensbrüder: Will sie jetzt nur aus einer Laune heraus Moslem werden? Lacant nutzt geschickt seine Inszenierung, um die Wahrhaftigkeit der beschriebenen Milieus in ein filmdramatisches Finale zu überführen – wenn er dann nur nicht den richtigen Zeitpunkt für sein Filmende nicht verpassen würde …
 

Fremde Tochter (2017)

Eine Schülerin Marke Hartz IV verliebt sich in einen Moslem, wird schwanger und das junge Paar wird von allen Seiten angefeindet … Das hätte schweres Betroffenheitskino werden können, doch Regisseur Stephan Lacant gelingt es, einen viel besseren Film zu schaffen, als es die Prämisse befürchten lässt:

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Meinungen

Toni · 25.04.2018

Katastrophal, unauthentischer Film, der AFD-Gedankengut nur bestätigt. Plumpe Erzählung und Inszenierung. Veraltetes, klischeehaftes Bild von Frau, Mann, sozial-schwachen Menschen und Muslimen.