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Drei Mütter, drei Lebensentwürfe, die gleichen Probleme. Felicitas Darschin hat ein Drehbuch von Alexandra Helmig verfilmt. Eine Komödie über gesellschaftliche Erwartungshaltungen und selbst gesetzte Zwänge.

Frau Mutter Tier (2018)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Auf dem Spielplatz ist die Hölle los

Mütter, welch seltsame Wesen. Man(n) findet sie auf Spielplätzen, vor Kitas und im Reformhaus – immer auf der Jagd nach dem pädagogisch wertvollsten Kurs und dem gesündesten Snack für den Nachwuchs. Sie sollen Kind und Karriere unter einen Hut bringen, Geschäftsfrau, Hausfrau und Ehefrau sein, gute Laune ausstrahlen und dabei blendend aussehen. Doch irgendeiner weiß es immer besser, nicht nur klugscheißende Väter, sondern vor allem: andere Mütter.

Auftritt: Marie (Julia Jentsch), Vollzeitmutter, die in ihrer Münchner Spielplatz-Clique passiv-aggressiv den Ton angibt. Frühmorgens harkt sie erst mal den Sand. „Schau mal hier, wie viele verunreinigende Kleinteile wir schon gefunden haben“, belehrt sie ihren Sohn, der den Ernst der Lage nicht begreift. Sein Essen ist fein säuberlich sortiert, die Windeln für die jüngere Schwester sind stets griffbereit. Maries Leben ist wie ihre Wohnung: aufgeräumt und funktional. Nur ihr Mann Udo (Matthias Weidenhöfer) passt nicht ins System. Denn der ist immer auf Achse. Auf dem Spielplatz drängt sich derweil Ariane (Brigitte Hobmeier) mit selbst gebackenen veganen Dinkelkeksen in den Vordergrund. Die Hippie-Übermama hat nicht nur ein paar Kinder mehr als die stets adrette Marie, sondern auch noch Zeit zu arbeiten. Eine Unverschämtheit!

Berufstätig sind auch die beiden anderen Mütter, um die die episodische Handlung und Stefan Biebls Kamera kreisen. Werberin Nela (Alexandra Helmig) will nach der Geburt ihres Sohnes in einer neuen Agentur durchstarten und verschweigt deshalb dessen Existenz. Ihr Mann Lutz (Florian Karlheim) und Schwiegermutter Gisela (Gundi Ellert), die mit ihren „Oma-Ausnahmetagen“ Nelas Erziehung untergräbt, wünschen sich indes weiteren Nachwuchs. Die alleinerziehende Tine (Kristin Suckow) hat schon mit einer Tochter alle Hände voll zu tun. Mutter Heidi (Ulrike Arnold), die mehr ans eigene Liebesleben als ans Wohl der Enkelin denkt, ist keine große Hilfe. Zwischen Bio-Laden-Job, Kita-Platz-Suche, Modeblog und Männerjagd in der Bar gegenüber bemerkt Tine gar nicht, dass die wahre Liebe direkt vor ihrer Nase sitzt.

Alexandra Helmig hat selbst jede Menge Hüte auf. Sie ist Autorin, Schauspielerin und Musikerin, Familienmensch und Mutter zweier Töchter. Sie hat die Theatervorlage und das Drehbuch (anfangs gemeinsam mit Rudi Gaul) zu Frau Mutter Tier geschrieben, den Film produziert, eine der Hauptrollen übernommen und einen Song zum Soundtrack beigesteuert. Ihre Geschichte spielt mit Rollenbildern und gesellschaftlichen Erwartungshaltungen. Helmigs Beobachtungen von Gruppendruck und Optimierungswahn sind besonders treffend.

Die Drehbuchautorin entführt ihr Publikum in eine pränatale Parallelwelt, in der die bilinguale Erziehung bereits im Mutterleib beginnt und Tagesstätten auf Jahre hin ausgebucht sind. Hier ist jedes Kind hochbegabt, wird jeder noch so krumme Strich auf einem Stück Papier zu einem künftigen Picasso. Das ist vor allem dann höchst amüsant, wenn Frau zum (Mutter-)Tier mutiert. In der schönsten Szene des Films geraten Marie und Bio-Laden-Leiterin Gitti (Annette Frier) aneinander. Shampoo-Flaschen fliegen, Gitti packt den verbalen Dampfhammer aus, bevor Marie ihrem Gegenüber im wahrsten Wortsinn zeigt, was eine Harke ist. Das hat Biss. Der Rest des Films ist ziemlich zahnlos. Und dazwischen, leider: jede Menge Leerlauf.

Regisseurin Felicitas Darschin hat aus Helmigs Vorlage eine leichte Sommerkomödie gemacht. Die unterhält, tut aber keinem weh. Die Wege der Protagonistinnen kreuzen sich mehrfach in diesem überschaubaren Kinderkosmos, werden aber nie zwingend zu einer gemeinsamen Narration zusammengefügt. Zwischenbilder der hüpfenden Hauptdarstellerinnen und durch die Luft wirbelnder Plastikförmchen verknüpfen die parallel erzählten Müttergeschichten. Allzu schnell plätschern diese arg seicht dahin. Darschins Inszenierung fehlt es deutlich an Tempo und Timing.

Am Ende hat sich jede der drei Frauen aus ihren Zwängen befreit, hat wie in den Zwischenbildern lockergelassen. Das ist nett. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.

Frau Mutter Tier (2018)

Vollzeitmama Marie hat alles im Griff und gibt immer Tausend Prozent: Kindererziehung, Haushalt, Terminplanung mit dem Ehemann, eigentlich kein Problem für die Enddreißigerin, wenn da nicht ihre übertriebenen Ansprüche an sich selbst wären. Die Marketingleiterin Nela dagegen versucht, die Bedürfnisse von Söhnchen Leo mit dem Neustart der eigenen Karriere unter einen Hut zu bringen versucht, während ihr Ehemann sich ein zweites Kind wünscht. Und Singlefrau Tine versucht trotz kleiner Tochter, sich ihr Leben als junge Zwanzigjährige zurück zu erobern.

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