Formentera (2012)

Eine Filmkritik von Björn Helbig

Die Flüchtigkeit des Glücks

Nachdem in ihrem Debütfilm Jagdhunde die winterliche Uckermark die Kulisse für das Drama bot, ist der Schauplatz von Ann-Kristin Reyels neuem Film die sonnendurchflutete Ferieninsel Formentera. Auch in Formentera lotet die Regisseurin den Bereich menschlicher Beziehungen aus und lässt unterschiedliche Lebensentwürfe aufeinanderprallen. Und erneut ist ihr ein faszinierender, vielschichtiger Film gelungen.

Ein junges Paar aus Berlin, Nina (Sabine Timoteo) und Ben (Thure Lindhardt), machen ihren ersten Urlaub ohne Kind auf der spanischen Insel Formentera. Sie wohnen bei Bekannten von Ben, die dort schon seit Jahren ein Aussteigerleben führen. Was als gemeinsamer Erholungsurlaub gedacht war, nimmt binnen kurzer Zeit eine Wendung: Nina fühlt sich durch die Nähe ihrer Gastgeber eingeengt und beäugt außerdem argwöhnisch Bens Flirt mit der hübschen Mara (Vicky Krieps). Als Nina zufällig erfährt, dass Ben still und heimlich Pläne schmiedet, aus beruflichen Gründen dauerhaft auf die Insel zu ziehen, fühlt sich Nina übergangen. Aus Wut geht sie nach einer nächtlichen Strandparty mit Mara im Meer schwimmen und lässt Ben am Ufer zurück. Am nächsten Tag kehrt Nina allein zurück — Mara bleibt verschwunden.

In den ersten 30 Minuten erscheint Ann-Kristin Reyels Formentera wie ein großartig gespielter und mehrdimensionaler, aber dennoch gewöhnlicher Beziehungsfilm. Auch wenn er eine sehr spezielle Situation des Paares zum Inhalt hat, geht es um zwischenmenschliche Konflikte von allgemeiner Gültigkeit, die den Zuschauer tief in die Geschichte hineinziehen. Nach und nach stellen sich Dissonanzen zwischen Ben und Nina ein, bis schließlich elementare Probleme zutage treten. Doch spätestens mit der Strandparty, der meisterlichen Meer-Sequenz und den folgenden, fast surrealen Szenen, nimmt Formentera eine unerwartete Wendung — das Beziehungsdrama wird zum Krimi. Wo ist Mara? Die folgenden Tage der Angst, in denen Ninas Verhalten zwischen Trotz und Lethargie schwankt und Bens Nervosität steigt, werden für das Paar zum Katalysator. Der Druck, dem sie ausgesetzt sind, sucht sich ein Ventil und zum ersten Mal seit ihrer Ankunft auf der Insel sprechen die beiden über ihre unterschiedlichen Vorstellungen vom Leben.

Ann-Kristin Reyels erzählt die Geschichte in ruhigen Einstellungen. Sie interessiert sich, wie schon in Jagdhunde, für die ausdrucksstarken Gesichter der Protagonisten und für die Landschaft der Insel. Beides, Personen und Natur, bekommen ihren Raum. Jedes Bild, jeder Dialog wirkt präzise, doch gleichzeitig haftet allem eine Offenheit an, die dem Zuschauer Platz für eigene Deutungen lässt. Dass Formentera ein beeindruckender Film geworden ist, liegt aber nicht nur an Reyels gekonnter Inszenierung und ihrem sensiblen Blick für die Befindlichkeiten der Figuren und deren Konstellationen: Thure Lindhardt und vor allem Sabine Timoteo statten ihre Charaktere mit großer Komplexität aus — stets nachvollziehbar und trotzdem im Detail rätselhaft. Auch ihnen ist zu verdanken, dass Formentera so gut funktioniert.

Trotz viel Sonne, einer Prise Humor und seiner magischen Momente ist Formentera ein düsterer Film. Am Ende wird der Zuschauer dennoch nicht ohne ein Quäntchen Hoffnung entlassen. Ninas und Bens Konflikte sind bis zum Schluss nicht gelöst. Sie verlassen ein paar Tage vor dem eigentlichen Abreisetag gemeinsam die Insel — zurück nach Berlin. Der Zuschauer darf hoffen, dass die beiden ihre unterschiedlichen Vorstellungen vom Leben wieder in Gleichklang bringen können. Wenn sie es schaffen, offen miteinander zu reden.
 

Formentera (2012)

Nachdem in ihrem Debütfilm „Jagdhunde“ die winterliche Uckermark die Kulisse für das Drama bot, ist der Schauplatz von Ann-Kristin Reyels neuem Film die sonnendurchflutete Ferieninsel Formentera. Auch in „Formentera“ lotet die Regisseurin den Bereich menschlicher Beziehungen aus und lässt unterschiedliche Lebensentwürfe aufeinanderprallen. Und erneut ist ihr ein faszinierender, vielschichtiger Film gelungen.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Chris · 05.10.2012

Traumhafte Kulisse, wunderbare Schauspieler, gute dichte Story

Vanessa · 15.09.2012

Wir haben den Film vor zwei Tagen beim Cambridge Film Festival gesehen. War sehr sehr gut!
Was ist denn das für Musik am Ende des Films?

Dominik Staszko · 11.07.2012

Klingt sehr spannend! Ich bin gespannt! ;)