Five Sex Rooms und eine Küche

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Unter deutschen Dächern

Eine beinahe ganz normale Frauen-WG, laut Information der Filmemacherin befindet sich die Wohnung in Frankfurt am Main. Es könnte aber auch jede andere deutsche Stadt sein, wäre da nicht der unverkennbare hessische Dialekt, der immer wieder bei den häufigen Telefongesprächen zu hören ist. Dass dies hier dann doch eine Wohngemeinschaft der besonderen Art ist, das hört man nicht nur, sondern sieht es auch auf Schritt und Tritt. Eva C. Heldmanns Dokumentation beginnt mit Gängen durch die Wohnung; die Kamera heftet sich an die Fersen zweier Lackstiefel, die sich durch die Flure bewegen, sie geht um Ecken, betritt ein Zimmer, von dem sich dann die Tür vor dem allzu neugierigen Kameraauge verschließt – eine Kamerafahrt auf Bodenhöhe, in der die Intention des Films bereits wie bei einem Tableau ausgebreitet wird. Das ist aber auch schon das Offensichtlichste an diesem Film, der den Alltag in einer Modellwohnung (der Ausdruck Bordell wäre übertrieben) schildert.
Lady Tara ist die Leiterin des Wohnungsbordells, das aus fünf verschiedenen Sex-Räumen besteht: das weiße Studio, das an eine Arztpraxis erinnert und auch mit den entsprechenden Utensilien ausgestattet ist, das schwarze Studio mit verschiedensten Foltergeräten, Böcken, Hängevorrichtungen und sonstigen Utensilien aus dem S/M-Bereich, das griechische, das blaue und das gelbe Zimmer. Außerdem gibt es die Küche, wo Tara und ihre Mitarbeiterinnen den größten Teil ihrer Zeit verbringen. Ständig läutet das Telefon, es müssen Auskünfte erteilt, Termine ausgemacht oder Anfahrtsbeschreibungen durchgegeben werden. Die Waschmaschine befindet sich im Dauerbetrieb, nach jedem Besuch gilt es die Zimmer sauber zu machen oder sich auf den nächsten Besuch vorzubereiten. Zwischendrin bleibt noch ein wenig Zeit für Gespräche, für Tratsch und Bekenntnisse aus einem Leben als Prostituierte. Niemals hat man den Eindruck, dass Tara, Nadine, Cindy oder Tina unglücklich mit ihrem Leben sind. Von Zwang oder Ekel findet sich hier keine Spur. Vielmehr hat man – insbesondere bei Tara den Eindruck, dass sie auf beeindruckende Weise ihr Leben und ihre Erfahrungen reflektiert und sehr genau einzuschätzen weiß, was gut für sie oder den Kunden ist und was nicht. Es ist ein ganz normaler Job. Und sie sind gewillt, ihn mit aller Erfahrung und Routine so gut wie möglich zu machen. Auch das ist die Realität der Prostitution in Deutschland – nicht nur die Berichte über Verschleppungen, Menschenhandel und Zwangsprostitution. Leidenschaft, Verzweiflung, Liebe – alle großen Emotionen, die man mit dem „ältesten Gewerbe der Welt“ assoziiert, sind hier auf seltsame, aber niemals befremdlich wirkende Weise ausgespart, haben in der Routine des Alltags mit all seinen Terminen keinen Platz.

Five Sex Rooms und eine Küche ist kein voyeuristischer Film; die Akte, derentwegen sich die Freier in die Wohnung begeben, sind oftmals nur hörbar oder so abstrakt dargestellt, dass man sich daran erinnert fühlt, dass Sex hier eine Ware ist und nichts anderes. Und so passt es bestens zu dem Bild, das Eva C. Heldmann hier vermittelt, dass die Auskünfte, die Lady Tara oder Nadine am Telefon vermitteln, genauso gut in jedem anderen Gewerbe stattfinden könnten: „Zweimal Pizza Margherita“ oder „…wir machen alles im leicht bizarren Bereich“ – wo ist da der Unterschied? Wie zur Illustration der ermüdenden Routine, der sich die Frauen fast immer gut gelaunt aussetzen, rückt die Kamera immer wieder den anwesenden Hund ins Bild, dem das ganze Treiben kaum etwas anderes als einen gelangweilten Blick wert ist.

In der Normalität des Lebens dieser vier Frauen, die Eva C. Heldmann höchst einfühlsam und ohne eigenes spür- und sichtbares Intervenieren in Szene setzt, erscheinen die Wünsche und Begierden der Kunden umso absonderlicher, befremdlicher und verstörender. Zumal Nadine an einer Stelle bekennt, ihre eigene private Sexualität sei so normal, dass die Freier sich unter normalen Umständen wahrscheinlich entsetzlich mit ihr langweilen würden. Und doch sind die Unterwerfung, die Gruppenerziehung, die verborgene, nicht eingestandene Bisexualität, die erst dann ausgelebt werden kann, wenn eine Domina wie Tara den Befehl dazu erteilt, offensichtlich etwas, das in vielen Männern schlummert. Vielleicht erklärt das das Unbehagen, das den Zuschauer trotz vier sehr sympathischer Hauptdarstellerinnen immer wieder beschleicht. Dass eine Wohnung wie die beschriebene mitten in Deutschland dutzendfach, hundertfach existiert, ist viel weniger erschreckend als die Tatsache, dass die Nachfrage, der Bedarf danach so riesig ist. Wie groß die geheimen Wünsche, die unausgelebten Leidenschaften sein müssen, das kann man anhand dieses Films erahnen.

Five Sex Rooms und eine Küche

Eine beinahe ganz normale Frauen-WG, laut Information der Filmemacherin befindet sich die Wohnung in Frankfurt am Main.
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Meinungen

Heinz · 04.03.2009

Wird der Film auch auf DVD raus kommen wenn ja wann und wo kann ich ihn bekommen??