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Ein aus dem Gefängnis entlassener Mann kommt in eine Stadt und muss sie vom Klammergriff eines Tyrannen befreien. In seinem Spielfilmdebüt nutzt der Südafrikaner Michael Matthews bekannte Western-Motive, um eine stimmungsvolle Geschichte über die Post-Apartheid-Gesellschaft zu erzählen.

Five Fingers for Marseilles (2017)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Stadt in Angst

Die größten Zeiten des Westerngenres liegen weit zurück. Und doch versuchen Filmemacher regelmäßig, der uramerikanischen Kinogattung neue Impulse zu verleihen. Martin Koolhoven etwa legte im Jahr 2016 mit Brimstone – Erlöse uns von dem Bösen eine düster-nihilistische Rache-Mär vor, deren explizite Gewaltbilder mehrfach die Grenze zum Horror überschreiten. Nur ein Jahr später präsentierte Michael Matthews beim renommierten Filmfestival von Toronto sein abendfüllendes Regiedebüt „Five Fingers for Marseilles“, das schwarze Protagonisten in den Mittelpunkt rückt und klassische Western-Elemente in einen eher ungewöhnlichen Kontext stellt: nämlich das Leben nach der Abschaffung der Apartheid in Südafrika.

Das von Sean Drummond zu Papier gebrachte Drehbuch setzt allerdings bereits ein, als das System der Rassentrennung noch in voller Blüte steht. Wie überall im Land schlägt sich auch in der Kleinstadt Marseilles die gnadenlose Unterdrückung im Alltag der schwarzen Bewohner nieder. Fünf Jugendliche haben sich jedoch geschworen, die Ungerechtigkeiten zu bekämpfen. Als es zu einer Auseinandersetzung mit zwei weißen Gesetzeshütern kommt, eskaliert die Lage. Tau (Toka Mtabane), der den Spitznamen The Lion trägt, erschießt die beiden Polizisten und ergreift daraufhin die Flucht. Viele Jahre später kehrt der frisch aus dem Gefängnis entlassene Rebell (nun gespielt von Vuyo Dabula) in seine Heimat zurück und erkennt, dass es den Menschen selbst nach dem Ende der Apartheid nicht viel besser geht. Obwohl einige seiner alten Freunde mittlerweile in wichtigen Positionen sitzen, scheint es nur wenig Hoffnung für den Ort zu geben. Denn der skrupellose Gangsterboss The Ghost (Hamilton Dhlamini), der den Slum-Hügel beherrscht, dehnt seinen Einfluss mit grausamen Methoden kontinuierlich aus.

Ein Mann kommt in eine Stadt, will eigentlich nur seine Ruhe haben, sieht sich allerdings mit bedrückenden Verhältnissen konfrontiert und fühlt sich irgendwann berufen einzugreifen. Michael Matthews greift bestens vertraute Westernkonventionen auf und lässt seine grimmige Geschichte in einen erwartbar tödlichen Showdown münden. Auf Plot-Ebene ist Five Fingers for Marseilles gewiss nicht preisverdächtig und orientiert sich unübersehbar an großen Klassikern des Genres. Die glorreichen Sieben von John Sturges kommen einem sofort in den Sinn. Aber auch Italo-Perlen wie Sergio Leones Dollar-Trilogie und Sergio Corbuccis kultisch verehrter Django. Westernfreunde dürften durchaus ihre Freude haben, alle Anspielungen und Verneigungen zu finden.

Das manchmal mit Auslassungen und Ellipsen arbeitende, komplett in der Bantu-Sprache Sesotho gedrehte Debüt entwickelt dennoch genügend Eigenständigkeit und Sogkraft. Zwar braucht der Film ein wenig, um in Gang zu kommen. Sind die Fronten allerdings einmal abgesteckt, serviert Matthews dem Zuschauer einige packende Wortduelle und Spannungsszenen, die nicht zuletzt von einer pulsierenden Musikuntermalung (verantwortlich: James Matthes) leben.

Five Fingers for Marseilles wartet mit kantigen, einprägsamen Gesichtern auf – besonders hervorstechend: der schillernde Bandenführer The Ghost – und zieht den Zuschauer mit imposanten Bildern der kargen Berglandschaft in seinen Bann. Eine individuelle Note bekommt der atmosphärische, über einen eher bedächtigen Rhythmus verfügende Neo-Western freilich auch deshalb, weil er gesellschaftliche und strukturelle Probleme Südafrikas verhandelt. Gleich zu Anfang wird Bezug genommen auf das Grauen des Kolonialismus, das sich während der Apartheid und nach ihrer Abschaffung in abgewandelter Form fortsetzt. Alte Bündnisse und Freundschaften, das ist eine schmerzhafte Erkenntnis Taus, sind mitunter nichts mehr wert, da sich manch ein früherer Weggefährte für einen Pakt mit dem Teufel entschieden hat. Bei aller Düsternis blitzt aber auch ein wenig Zuversicht auf. Dann nämlich, als sich überraschend neue Allianzen ergeben und ein abgebrannter Haufen in den Kampf gegen Ausbeutung und Knechtschaft zieht.

Five Fingers for Marseilles (2017)

Zwei Jahrzehnte ist es her, dass die „Five Fingers“ die südafrikanische Stadt Marseilles aus den Händen korrupter Polizisten befreiten. Tau hat dafür einen hohen Preis bezahlt, — wegen zweifachen Mordes musste er damals ins Gefängnis. Als er nun freikommt und nach Marseilles zurückkehrt, muss er feststellen, dass es einen neuen Feind gibt, der versucht, die Kontrolle über die Stadt zu gewinnen …

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