The Final Girl

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Dirty Paris, Stadt der Frauen

Es ist einer der ältesten Witze über Pornos, dass sie deshalb bei Männern so beliebt seien, weil Männer sich in dieser Art von Filmen endlich mal in die Lage versetzt sähen, der Handlung voll und ganz zu folgen. Die besteht meist eher aus mehr oder minder minder hanebüchenen Ausgangssituationen, die dazu angetan sind, die beteiligten Figuren möglichst schnell in Wallung und dementsprechend folgerichtig zur Kopulation zu führen. Hat man Glück, wird der zuvor angerissene Handlungsfaden nach dem Akt wieder aufgegriffen und weitergesponnen – bis zur nächsten Kopulation. Natürlich sind solcherlei Behauptungen über das vornehmlich männliche Publikum der „blue movies“ volllkommen aus der Luft gegriffen und entbehren jeglicher Grundlage. Dennoch fallen Pornofilme bislang trotz einiger Bemühungen, eine „pornographie des auteurs“ zu installieren (zum Beispiel durch das dänische Unternehmen „Innocent Picvtures“, an dem unter anderem Lars von Trier beteiligt ist), weniger durch dramaturgische Rafinesse auf, sondern eher durch die Wiederholung beliebter Grundmuster auf.
In dieser Hinsicht fühlt sich der Beginn von Todd Verows „lesbian romance porn“ The Final Girl für (*hüstel*) Kenner der Materie am Anfang durchaus vertraut an: Eine hübsch und ausgiebig tätowierte Burlesque-Tänzerin (Wendy Delorme) erklimmt auf der Suche nach einer Bleibe das Dachgeschoss eines Hauses in Paris und trifft dort auf eine junge Frau (Judy Minx), die das leerstehende Zimmer anbietet. Als die Vermieterin nach Sicherheiten fragt, weiß die Tänzerin sofort, was zu tun ist und verführt ihre zukünftige Mitbewohnerin ebenso gekonnt wie berechnend. So weit, so gut. Und bis zu diesem Zeitpunkt bis auf die Kameraarbeit auch wenig überraschend für einen Film mit eher „erotischer“ Ausrichtung. Dann aber beginnen die Irritationen – und die sind durchaus auch inhaltlich und formal deutlich zu spüren.

Denn irgendwann erwacht die Neugier in der Tänzerin: Wer war die geheimnisvolle Vormieterin, die eines Tages spurlos verschwand und deren Dinge das Zimmer noch bevölkern? Mit Hilfe des zurückgelassenen Tagebuchs von Leena (Brenda Velez) macht sie sich auf die Spuren der Verschwundenen und gerät immer mehr in deren Bann. Wie von Zauberhand geführt erlebt sie deren Zweifel und deren Depressionen sowie deren erotische Eskapaden nach und scheint sich immer mehr in Leena zu verwandeln. Und mit dieser Faszination für die mysteriöse Verschwundene ist sie keineswegs allein, wie sich herausstellen wird…

Fast scheint es so, als habe Todd Verow, eine der Ikonen des „gay cinema“ mit seinem neuesten Film The Final Girl eine lesbische Variation von Roman Polanskis Der Mieter / Le locataire (1976) im Sinn gehabt. Hier wie dort gerät ein Mensch in den Bann eines geheimnisvollen Abwesenden und verwandelt sich immer mehr in diesen, indem er sich dessen Erleben und dessen Gedanken aneignet bzw. angeeignet bekommt. Bemerkenswert bei Verow ist nicht nur die enorme stilistische Vielfalt, mit der er seine Geschichte erzählt – von Lynchesken Traumbildern wie dem Strip der Tänzerin zu Beginn des Films hin zum sehr intimen „Direct Cinema“-Stil der Realsequenzen, denen man das Unmittelbare, Unverstellte, Ungekünstelte der Arbeit mit einer leichten und beweglichen Videokamersa ansieht bis zu den oft ins Abstrakte kippenden Schwarzweiß-Bildern, die die Tagebucheintragungen illustrieren, wirkt der Film wie ein formales Glossar der Trends des Undergroundkinos der letzten 50 Jahre. Unterstützt von einem merkwürdig retrofuturistischen, aber ungemein atmosphärischen Synthesizer-Score von James Derek Dwyer (der zudem auch Produzent und Co-Drehbuchautor des Filmes ist) und vier umwerfenden Songs von Heather Nova, gelingt The Final Girl mit minimalsten Mitteln eine Gratwanderung zwischen Pornographie und Anspruch, Experiment und Konvention, existenziellem Liebes- und explizitem Sexfilm – eine gewagte Kombination, die man durchaus gerne öfter im Kino sehen würde.

The Final Girl

Es ist einer der ältesten Witze über Pornos, dass sie deshalb bei Männern so beliebt seien, weil Männer sich in dieser Art von Filmen endlich mal in die Lage versetzt sähen, der Handlung voll und ganz zu folgen. Die besteht meist eher aus mehr oder minder minder hanebüchenen Ausgangssituationen, die dazu angetan sind, die beteiligten Figuren möglichst schnell in Wallung und dementsprechend folgerichtig zur Kopulation zu führen.
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