Fiakerlied

Eine Filmkritik von Rajko Burchardt

"I führ' zwa harbe Rappen"

„Ein Fiakerschicksal“, verkünden zu Beginn des Films Zeitungsausschnitte, die ein leblos von seinem Wagen fallender Kutscher bei sich trägt. Zügig folgt der Schnitt ins Vergangene: Ferdinand Strödl (Paul Hörbiger) ist ein Altwiener Fiaker, der für die Fuhrwerksbesitzerin Henghappel (Else Reval) arbeitet. „Sie spielen mit dem Glück!“, maßregelt ihn die vergrämte Witwe schon am frühen Morgen; „das tun wir Menschen alle“, kontert Ferdinand den offenbar regelmäßigen Schlagabtausch. Gegen die gute Laune des sorgenfrei trällernden Ferdinand also ist kein Ankommen, obwohl er vielen seiner Fahrgäste nicht nur ein zuverlässiger Kutscher, sonder oft genug auch Seelsorger sein muss.
Daran hat vor allem der wohlhabende Max Jolander (Franz Schafheitlin) Schuld. Er wird im Vorspann als „ein feiner Herr“ eingeführt, eitler Geck aber träfe es schon eher. Jolander bestellt den Kutscher immer wieder zu Verabredungen mit jungen Frauen, denen er nach vergnügten Nächten alsbald das Herz bricht. Es ist eine verachtenswerte Figur, gefühlskalt, vergnügungssüchtig, vielleicht nicht ohne Zufall von faschistoider Gesinnung. Zugleich aber bringt ihr aristokratisches Gehabe – ihre mit Monokel und kleinem Kaiserbärtchen so kultivierte wie alberne Erscheinung – Leben in eine zunächst biedere Handlung, deren „Fiakerschicksal“ von ebendiesem Jolander besiegelt wird.

Eines Abends lernt Ferdinand die junge Praterartistin Ludmilla (Gusti Huber) kennen, nachdem sie in dessen Kutsche Zuflucht suchte. Weil er das Mädchen in seiner Stallkammer „sittenwidrig“ übernachten ließ, wird Ferdinand von Madame Henghappel entlassen. Jolander bietet dem unerwartet zu beruflicher Selbstständigkeit verdammten Fiaker finanzielle Unterstützung an, wirft allerdings auch selbst ein Auge auf Ludmilla. Das Liebesdreieck verkompliziert sich, als deren Lebenspartner Golo (Hermann Erhardt), ein Messerwerfer vom Prater, die fremden Avancen gegenüber seiner Assistentin nicht länger hinnehmen möchte.

Fiakerlied ist eine Dramatisierung des gleichnamigen Wienerliedes von Gustav Pick, sein Plot vom Text des 1885 für Fürstin Pauline von Metternich geschriebenen Gassenhauers inspiriert. Obgleich das Stück aufgrund der jüdischen Herkunft seines Komponisten während des Dritten Reiches verboten war, wird es im Film unverändert gesungen – und Picks Name einfach aus den Stabangaben entfernt. Dieser unfreiwillige Hinweis auf jenes Kulturdiktat der Nazis, das die eigenen menschenverachtenden Bedingungen offenbar nur denkbar widersprüchlich durchzusetzen wusste, ist symptomatisch für ein NS-Kino, dessen Falschheit und Ignoranz schon in bloßen Titelkarten Ausdruck finden.

Die Produktion der von Hauptdarsteller Paul Hörbiger und Regisseur E.W. Emo mitbegründeten Algefa (Allgemeine Filmaufnahme- und Vertriebs-GmbH) sollte wie die meisten Arbeiten ihrer Filmgesellschaft vor allem volkstümliche Unterhaltung versprechen. Sie ist natürlich nationalsozialistische Reichskunst, aber nicht dezidiert propagandistisch. Tatsächlich tun sich hinter dem unpolitischen Groschenheftcharakter ihrer Handlung sogar einige Abgründe auf. Insbesondere der finstere, dem heiteren Tonfall der ersten zwei Akte zuwiderlaufende Schlussteil ist von einer Melancholie und Bedrohlichkeit, die mit leichten Unterhaltungsabsichten unvereinbar scheinen – und das Titel gebende Lied sehr angemessen verstimmen.

Bislang nicht einmal über Umwege verfügbar, ist Fiakerlied nun in der auch weiterhin hochinteressanten Filmjuwelen-Edition auf DVD erschienen. Bild und Ton sind nicht restauriert, als Vorlage diente augenscheinlich eine 35mm-Kopie recht mitgenommenen Zustandes. Alles rauscht, knarzt und zischt hübsch vor sich hin, lediglich die Dialoge sind manchmal schlicht nicht zu verstehen. Untertitel gibt es keine, dafür aber ein Booklet mit Hintergrundinformationen zu Regisseur und Besetzung. Das alles kommt im stabilen Hochglanzschuber und zu einem moderaten Preis.

Fiakerlied

„Ein Fiakerschicksal“, verkünden zu Beginn des Films Zeitungsausschnitte, die ein leblos von seinem Wagen fallender Kutscher bei sich trägt. Zügig folgt der Schnitt ins Vergangene: Ferdinand Strödl (Paul Hörbiger) ist ein Altwiener Fiaker, der für die Fuhrwerksbesitzerin Henghappel (Else Reval) arbeitet.
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