Fast & Furious 8 (2017)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Action, Drama – und Schauspielkunst!

Bei einer Besprechung zum achten Teil einer Filmreihe müsste man wohl eigentlich mit einem ausgiebigen „Was bisher geschah“-Abschnitt anfangen. Was sich in den vorigen sieben „Fast-&-Furious“-Abenteuern so alles zutrug – von den Aus-Feinden-werden-Freunde- und Aus-Freunden-wird-Familie-Narrativen über das vermeintliche Ableben der großen Liebe, die Rückkehr samt Amnesie und das wiedergefundene Glück bis hin zu brüderlicher Rache und zahlreichen Bedrohungen sowie Rettungen –, hat inzwischen tatsächlich das Ausmaß eines russischen Romans beziehungsweise einer kostspieligen Seifenoper angenommen. In der Handlung von „Fast & Furious 8“ (dessen Originaltitel „The Fate of the Furious“ noch eine Spur dramatischer ist) werden sich allerdings vermutlich auch Zuschauer_innen, die von all diesem Vorwissen gänzlich unbelastet sind, problemlos orientieren können. Die familiären Verzweigungen und unverhofften Allianzen mit Ex-Gegnern werden darin munter fortgeführt – und mit einer sehr fiesen Schurkin angereichert.

Zu Beginn verbringen Dominic „Dom“ Toretto (Vin Diesel) und Letty (Michelle Rodriguez) ihre Flitterwochen in Havanna, wo sich Dom ein Autorennen mit einem gefürchteten Einwohner liefert. Als der Ex-Detective Luke Hobbs (Dwayne Johnson) eine Massenvernichtungswaffe in Berlin entwenden muss, wird er von dem Paar sowie von der übrigen „Familie“ um Roman Pearce (Tyrese Gibson), Tej Parker (Ludacris) und Ramsey (Nathalie Emmanuel) unterstützt. Dom wurde jedoch bereits in Havanna von der Terroristin Cypher (Charlize Theron) rekrutiert, die etwas gegen ihn in der Hand hat. Er verrät seine eigenen Leute, wodurch Hobbs im Knast landet und dort auf Deckard Shaw (Jason Statham) trifft, der sich einst mit der „Familie“ angelegt hatte. Als Dom in Cyphers Auftrag Jagd auf einen Koffer mit Atom-Codes macht, sorgen der Regierungsagent Mr. Nobody (Kurt Russell) und dessen jüngerer Kollege (Scott Eastwood) dafür, dass sich Hobbs, Shaw, Letty und das restliche Team dem Abtrünnigen entgegenstellen können.

Die Inszenierung von F. Gary Gray (Straight Outta Compton, The Italian Job) lässt sowohl Stärken als auch Schwächen erkennen. Dass die Chemie zwischen Vin Diesel und Michelle Rodriguez noch nie so richtig stimmte, die beiden hier aber erneut das unverwüstliche supercouple behaupten müssen, macht den emotionalen Mitvollzug eher schwierig. Eine Gefängnisrevolte, die wie ein Hip-Hop-Video choreografiert ist, gehört wiederum womöglich zum Zynischsten, was das Action-Mainstreamkino in letzter Zeit hervorgebracht hat. Und die Idee, dem akrobatischen Jason Statham in einer längeren Kampfsequenz in einem Flugzeug ein vergnügtes Baby als Co-Star zu geben (das über Kopfhörer den Chipmunks lauscht und daher nichts von dem Geballere mitbekommt), ist maximal für eine Minute amüsant, ehe die Kombination aus infantilem Humor und Brutalität ebenfalls nur noch nervig bis unangenehm ist. Gelungener sind hingegen die screwball-artigen Dialogduelle, die sich Statham und Dwayne Johnson liefern. Auch eine Passage in New York City, in welcher gehackte, selbstfahrende Autos zum Einsatz kommen und letztlich sogar vom Himmel regnen, ist überaus eindrücklich umgesetzt – obschon die Kollateralschäden („Pass auf, da sind Leute!“), wie so oft in Filmen dieses Genres, irritieren. Das Finale in Russland auf gefrorenem Wasser ist passable Routine; ebenso eine anfängliche Verfolgungsjagd in Berlin, die durch eine Abrissbirne geklärt wird.

Darstellerisch – das mag für einen Beitrag dieser Reihe durchaus überraschen – ist Teil 8 streckenweise ziemlich reizvoll geraten: Dem seit Fast & Furious Five vor allem durch Muskelmasse sowie hübsche Gesichter erweiterten Personal, dessen Qualitäten gewiss noch nie im Mienenspiel lagen und das mit Paul Walker (1973-2013) völlig unvermittelt sein ausdrucksstärkstes Mitglied verlieren musste, wird als willkommener Kontrast ein bisschen Schauspielkunst gegenübergestellt. Dies funktionierte bereits in kleiner Dosis im Vorgängerfilm mit Kurt Russell als Mr. Nobody, welcher wieder mehrere feine Kurzauftritte absolviert, und setzt sich nun fulminant fort. Zum einen mit Charlize Theron, die schon in diversen halb gelungenen Blockbustern (etwa Prometheus oder Snow White and the Huntsman) einen spürbaren Spaß an garstigen Rollen hatte. Als Cypher ist sie kein plakativ-durchgeknalltes bad girl, sondern eine durch und durch bösartige Antagonistin, deren Motiv gar nicht so uninteressant ist, jedenfalls deutlich origineller und obendrein zeitgemäßer als „Weltherrschaft!“ oder „Rache!“ oder – ganz schlimm – enttäuschte Liebe. Die Konfrontationspassagen zwischen Theron und Vin Diesel lassen an die herrlichen Szenen zwischen Sharon Stone und Arnold Schwarzenegger in Paul Verhoevens Total Recall denken, in denen auf ähnlich eigenwillig-unterhaltsame Weise Intensität auf weitgehende Ausdruckslosigkeit traf. Und zum anderen ist da noch Helen Mirren, die in einem fabelhaften Cameo einige köstliche Sprüche von sich geben darf („Sie haben Zeit, bis ich meinen Tee ausgetrunken habe – und ich bin verdammt durstig!“), zudem eine Leopardenmuster-Jacke trägt, wie nur Helen Mirren sie tragen kann, – und nebenbei so manches Mutterfiguren-Klischee mit Hochgenuss demontiert. Diese Neuzugänge machen Fast & Furious 8 selbstverständlich noch lange nicht zum großen Schauspielkino; sie sorgen jedoch dafür, dass die darstellerische Ebene erstmals zu einem wirklich nennenswerten Faktor im Kosmos von Dom und seiner „Familie“ wird. Insgesamt ist Grays Werk ein kurzweiliges Hollywoodstudio-Produkt, das irgendwo zwischen komprimierter Leinwand-Soap und ungebremstem, nicht immer stimmigem Action-Wahnsinn ein paar erstaunlich gute Einfälle und Momente hat.

Fast & Furious 8 (2017)

Bei einer Besprechung zum achten Teil einer Filmreihe müsste man wohl eigentlich mit einem ausgiebigen „Was bisher geschah“-Abschnitt anfangen. Was sich in den vorigen sieben „Fast-&-Furious“-Abenteuern so alles zutrug – von den Aus-Feinden-werden-Freunde- und Aus-Freunden-wird-Familie-Narrativen über das vermeintliche Ableben der großen Liebe, die Rückkehr samt Amnesie und das wiedergefundene Glück bis hin zu brüderlicher Rache und zahlreichen Bedrohungen sowie Rettungen –, hat inzwischen tatsächlich das Ausmaß eines russischen Romans beziehungsweise einer kostspieligen Seifenoper angenommen.

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