Family Business

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Mutters polnische Betreuerin

Polnische Haushaltshilfen sind in Deutschland, wie die Filmemacherin Christiane Büchner feststellt, längst ein „Massenphänomen“. Wer zum Beispiel alte Angehörige hat, die zu Hause betreut werden wollen, der wird hierzulande wohl vergeblich nach bezahlbaren, rund um die Uhr verfügbaren Kräften suchen. Viele greifen deswegen auf polnische Agenturen zurück, die Frauen vermitteln, welche für Wochen oder Monate am Stück bei den alten Menschen wohnen, sie pflegen, ihnen den Haushalt führen und ihnen Gesellschaft leisten. Die polnischen Frauen sind in dieser Zeit fern von ihren eigenen Familien, die alten Menschen müssen sich auf eine fremde Person einstellen: Das Modell verläuft nicht immer reibungslos. Und doch scheint es zurzeit ein Patentrezept zu sein, um das Problem einer Gesellschaft zu lösen, in der es immer mehr alte Menschen gibt und die zu wenig Vorsorge für den letzten Lebensabschnitt getroffen hat.
Büchners Dokumentarfilm diskutiert die systemischen Hintergründe wie Lohn- und Arbeitskosten oder die Mängel der Pflegeversicherung nicht. Er beobachtet vielmehr, worauf sein Titel verweist, die wirtschaftliche und doch familiäre Beziehung zwischen einem alten Menschen in Deutschland und zwei Betreuerinnen aus Polen. Jowita und Anja ziehen im Wechsel für ein bis zwei Monate nach Bochum ins Haus der 88-jährigen Anne. Deren zwei berufstätige Töchter haben das arrangiert, weil die alte Dame an beginnender Demenz leidet. Die Filmemacherin besucht auch Jowita, ihren Mann und die 13-jährige Tochter: Die Familie baut seit Jahren ein Haus und braucht für die Fertigstellung das Geld, das Jowita in Deutschland verdient.

Die Töchter kennen die spitze Zunge Annes, aber Jowita, die diese Arbeit zum ersten Mal macht, stößt emotional an ihre Grenzen. Anne stört vor allem, dass Jowita nicht gut genug Deutsch spricht, um sich richtig mit ihr zu unterhalten. Jowita wiederum blockt ab, wenn Anne ihr zum Beispiel beim Kochen hineinreden will. So wird die Beziehung schnell relativ mechanisch und erzeugt bei beiden Frauen ein Gefühl der Einsamkeit. Dennoch wird auch immer wieder deutlich, dass sich Jowita und ihre Kollegin Anja einfühlsam und freundlich um Anne bemühen.

Auch Anne gibt sich große Mühe: Das Zusammenleben mit einer fremden Person fällt ihr schwer, sie trifft den richtigen Ton nicht auf Anhieb, schwankt zwischen Neugier, dem Wunsch nach Gesellschaft, Enttäuschung über fehlende Gemeinsamkeiten. Im Laufe der Monate verstärkt sich ihre Demenz. Jowita kann nicht mit einstimmen, wenn Anne unvermittelt Lieder wie „Hoch auf dem gelben Wagen“ singt. Schließlich erkennt Anne sie gar nicht wieder, als sie nach einem Monat in Polen zurückkehrt. Büchner unterbricht zwischendurch die Gegenwartsebene für eine wunderbare Sequenz mit Filmaufnahmen aus dem Familienarchiv. Sie zeigen Anne in jungen Jahren, auf Ausflügen, im Urlaub, mit ihren kleinen Kindern. Auch ohne Worte begreift man auf einmal, dass sich Anne ein gutes Stück ihrer burschikosen Lebhaftigkeit bewahrt hat, empfindet mehr Sympathie für die betagte Frau. Die polnischen Haushaltshilfen aber kennen sie nicht von früher und müssen die Fremdheit mit einem Vorschuss an Herzlichkeit überbrücken.

Für generelle Schlussfolgerungen ist dieser Einzelfall kaum geeignet: Ob eine solche Beziehung gelingt, ist eine Frage der individuellen Persönlichkeit. Aber man erkennt, dass es schwierig ist, den optimalen Weg zwischen menschlicher Nähe und der für ein Arbeitsverhältnis notwendigen Distanz zu finden. Mit seinem wichtigen Thema regt der Film dazu an, sich über die eigene Zukunft Gedanken zu machen und darüber, wie man einmal betreut werden möchte.

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Polnische Haushaltshilfen sind in Deutschland, wie die Filmemacherin Christiane Büchner feststellt, längst ein „Massenphänomen“. Wer zum Beispiel alte Angehörige hat, die zu Hause betreut werden wollen, der wird hierzulande wohl vergeblich nach bezahlbaren, rund um die Uhr verfügbaren Kräften suchen.
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