Falscher Verdacht – Haytabo

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ein improvisierter Science-Fiction-Film

Ein in die Jahre gekommener Biochemiker (Eddie Constantine) ist einem ganz großen Mythos der Wissenschaft auf der Spur: einem Mittel gegen die lästige Sterblichkeit der Menschen. Mit Aufzeichnungen eines Professors aus dem 19. Jahrhundert scheint er eine grandiose Entdeckung in dieser Angelegenheit gemacht zu haben, doch es fehlen wichtige Informationen, so dass sich der Forscher gemeinsam mit seiner Frau (Karin Schaake) in das Dorf begibt, in dem jener Professor (Rainer Langhans) einst lebte. Die Reise bleibt allerdings erfolglos, und resigniert reist das Paar wieder ab. Doch daheim in seinem gigantischen Gewächshaus wird der Wissenschaftler bald darauf von einem Außerirdischen (Hannes Fuchs) aufgesucht, der ihn bei der Suche nach der Unsterblichkeitsdroge unterstützen will. Herrscht auch zunächst Misstrauen, so bringt der Helfer aus einer anderen Welt doch beide Wissenschaftler aus unterschiedlichen Jahrhunderten und ihre Frauen zum Austausch zusammen, der sich allerdings in kargen metaphysischen Fetzen erschöpft, und am Ende zählt nicht mehr die unbedingte Entdeckung der Formel für Unsterblichkeit, sondern das Bewusstsein der eigenen Existenz in Anbetracht der Ewigkeit, und die beiden Paare wanken gemeinsam mit dem Außerirdischen glücklich durch den Schnee – so sterblich und unsterblich wie eh und je.
Von den Figuren über die Handlung bis hin zur Atmosphäre lässt sich dieser Film als durch und durch seltsam bezeichnen, was daran liegen mag, dass es sich dabei um ein experimentelles Regiedebüt aus dem Jahre 1971 handelt. Schauspieler und Filmemacher Ulli Lommel, bekannt als Hauptdarsteller in Rainer Werner Fassbinders frühem Werk Liebe ist kälter als der Tod (1969), berichtet in dem Interview „Reise in die Vergangenheit“, das unter den Extras der DVD zu finden ist, dass er bei seinem ersten Spielfilm Falscher Verdacht – Haytabo keineswegs nach einem Drehbuch vorgegangen sei, sondern schlicht mit seiner Crew am Morgen besprochen habe, was nun wie gedreht werden solle. Und genau so erscheint der Film auch, als eine Folge von Bildern und Szenen, lang eingestellt, in denen die Darsteller beinahe wahllos agieren und sprechen, locker von der angedeuteten Geschichte zusammengehalten, mit der unterschiedlichsten Musik von Deep Purple über Elton John bis hin zu Gregorianischen Gesängen unterlegt. Eddie Constantin in der Hauptrolle des alternden Wissenschaftlers ist ganz der coole Mann mit Hut, der nur in unpassenden Momenten wölfisch lächelt und verdammt alt und müde wirkt auf seiner Suche nach Unsterblichkeit, während die junge Uschi Obermaier als Rotkäppchen aus einer anderen Zeit in üppigen Schneelandschaften herumstolpert und Fassbinder sich im leichten lila Hemd durch die Kälte kratzt und am Feuer Poesie verbreitet – ein derart schräges und ebenso agierendes Ensemble, dass es schon wieder komisch ist. Neben seiner kruden Originalität als unspektakulärer wie ungewöhnlicher Science-Fiction-Film stellt Falscher Verdacht – Haytabo, der von seinen Machern und Mitwirkenden mittlerweile nicht ohne Selbstironie betrachtet wird, allemal ein abgefahrenes Dokument der deutschen Filmgeschichte aus jenen Tagen dar, als ein Film noch sozusagen unter befreundeten Beteiligten mit den einfachsten und wenigen Mitteln – das Budget betrug ungefähr 20000 Mark – innerhalb kürzester Zeit teilweise spontan entstehen konnte.

Falscher Verdacht – Haytabo

Ein in die Jahre gekommener Biochemiker (Eddie Constantine) ist einem ganz großen Mythos der Wissenschaft auf der Spur: einem Mittel gegen die lästige Sterblichkeit der Menschen.
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