Fai bei sogni - Träum was Schönes (2016)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Mutter und Sohn

Der Turiner Journalist Massimo Gramellini landete mit seinem zweiten Roman Träum was Schönes einen Millionenseller. Regisseur Marco Bellocchio hat die traurige Lebensgeschichte eines Neunjährigen, der seine Mutter verliert, mit Valerio Mastandrea, Bérénice Bejo und Nicolò Cabras in den Hauptrollen verfilmt.

Dem kleinen Massimo (Nicolò Cabras) bleibt kaum Zeit, ein Muttersöhnchen zu werden. Und doch steht er zeitlebens der Mutter (Barbara Ronchi) näher als dem Vater (Guido Caprino), obwohl diese unerwartet stirbt, als Massimo neun Jahre ist. Massimos Vater geht in seiner Trauer auf Distanz. Einzig bei Fußballspielen des geliebten FC Turin, dessen Stadion nur einen Steinwurf von ihrer Wohnung entfernt liegt, teilen sie ihre Emotionen. Was dem Jungen bleibt, sind die Erinnerungen an seine Mutter: die gemeinsamen Tänze zum Twist aus dem Radio, das Gruseln auf der Wohnzimmercouch, der titelgebende Wunsch einer guten Nacht. Die unheimliche Figur aus der Fernsehserie, vor der sich Mutter und Sohn so fürchteten, wird Massimo als imaginärer Ratgeber noch eine Weile begleiten. Bis er zum nächsten Mal das Tanzbein schwingt, vergehen Jahrzehnte. Es fühlt sich wie eine Befreiung an.

Marco Bellocchio überführt den autobiografisch gefärbten Roman in einen ruhigen Fluss aus Vor- und Rückblenden. Auf welcher Zeitebene wir Massimo auch begegnen, stets scheint er den Tod oder dieser ihn anzuziehen – ob in seinem kindlichen Hinterfragen des katholischen Glaubens, ob im feierlichen Gedenken an die verunglückte Mannschaft seines Lieblingsklubs oder in seiner aufwühlenden Arbeit als Journalist. Selbst das Haus seines Schulfreundes Enrico wirkt wie ein Mausoleum, Enricos Mutter wie eine vor langer Zeit zu Grabe Getragene. Für den Teenager Massimo (Dario Dal Pero) ist dieses Geschöpf der Nacht ein Lichtblick. Enricos jugendliche Rebellion erschließt sich dem Halbwaisen nicht. Zu gern spürte Massimo den Blick der eigenen Mutter während des Schwimmunterrichts. Zu gern stellte er seine Mutter den Klassenkameraden vor, anstatt sich in die Lüge zu flüchten, sie lebe in New York. Eine Sehnsucht, die sich bis ins Erwachsenenalter fortsetzt. Massimos (jetzt: Valerio Mastandrea) Freundinnen sehen der verstorbenen Mutter erstaunlich ähnlich. Wirklich lange hält er es mit keiner aus. Statt seine Trauer zu verarbeiten, stürzt er sich in Arbeit.

So düster die Ausgangslage, so entsättigt die Farbgebung, so zurückgenommen das Spiel der Darsteller auch sein mag, Marco Bellocchio hat aus Träum was Schönes zwar einen melancholischen, aber keinen traurigen Film gemacht. Immer wieder mischt sich spitzbübischer, von der Musik kommentierter Humor darunter. Bellocchio konzentriert sich dabei in vielen engen Innenansichten ganz auf seinen Protagonisten und dessen Jahrzehnte währende Trauerarbeit, an deren Ende ein gelüftetes Geheimnis steht. Eine neue Frau, Elisa, und eine neue berufliche Aufgabe bringen die Wende. Doch auch das erzählt Bellocchio erfrischend eigenwillig. Bérénice Bejo taucht als Elisa erst nach mehr als einer Stunde Laufzeit auf. Und auf den ersten Kuss zwischen den beiden müssen wir bis kurz vor Schluss warten. Die letzten Szenen gehören dann aber Mutter und Sohn. Das Warten lohnt sich.

Fai bei sogni - Träum was Schönes (2016)

Der Turiner Journalist Massimo Gramellini landete mit seinem zweiten Roman „Träum was Schönes“ einen Millionenseller. Regisseur Marco Bellocchio hat die traurige Lebensgeschichte eines Neunjährigen, der seine Mutter verliert, mit Valerio Mastandrea, Bérénice Bejo und Nicolò Cabras in den Hauptrollen verfilmt.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen