Everly

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Eine Wohnung, eine Frau, viele Tote

Für manche Filmemacher ist es der ultimative Reiz, eine Geschichte innerhalb einer sehr begrenzten Lokalität stattfinden zu lassen. Alfred Hitchcock konzentrierte sich in Lifeboat auf ein Ruderboot, Joel Schumacher in Phone Booth auf eine Telefonzelle, Rodrigo Cortés in Buried auf einen Sarg – minimalistischer geht es nicht mehr. Aber toppen kann man fast alles immer noch. Und so lässt Joe Lynch Everly in einer Wohnung (und dem dazugehörigen Flur) spielen, macht aber einen rasanten Actionfilm daraus.
Everly (Salma Hayek) wurde vor Jahren entführt und vom Yakuza Taiko (Hiroyuki Watanabe) als Sexsklavin gehalten. Sie hat ihn an einen Polizisten verraten, aber als Taiko das mitbekommt, will er ihr eine Lektion erteilen. Everly wird von seinen Leuten misshandelt, gelangt jedoch an eine Waffe. Zehn Minuten später sind jede Menge Yakuza und Nutten tot. Aber Everly kommt aus dem Haus nicht raus. Taikos Männer haben es umstellt. Und er droht, sowohl ihre Mutter als auch ihre Tochter zu töten.

Die Konzentration auf einen Schauplatz hätte schief gehen können, Joe Lynch stürzt aber sein Publikum ebenso wie seine Hauptfigur mitten ins Geschehen und bedarf gar keiner großen Erklärung. Die Gute auf der einen, die Schurken auf der anderen Seite, dazwischen gibt es nichts. Das mag man als schablonenhafte Charakterisierung abtun, erleichtert aber das bedingungslose Frohlocken ungemein, wenn Everly einem nach dem anderen den Garaus macht. Schwarzweißzeichnung hin oder her, Lynch geht sofort in die Vollen. Das funktioniert auch, weil er mit Salma Hayek eine Hauptdarstellerin hat, die sich hier neu erfindet. Solche Rollen werden Frauen nicht häufig angeboten, schon gar nicht solchen, die jenseits der 40 sind. Aber Hayek brilliert.

Sie ist verletzlich und zäh zugleich, zurückhaltend und schlagkräftig, ein 1,57 Meter großes Energiebündel, das ebenso wie die Kamera niemals stillsteht. Obwohl in seinen Möglichkeiten so begrenzt – bleibt die Kamera doch immer innerhalb des Gebäudes – wird das nie zur Beeinträchtigung, sondern zu einer Stärke. Lynch konzentriert das alles, sowohl in seiner Geschichte, als auch der Präsentation und der ökonomischen Laufzeit. Dabei bevölkert er das Ganze mit zum Teil fast schon surreal anmutenden Figuren, hier vor allem des Sadisten und seines Masochisten.

Everly gerät momentweise vielleicht etwas zu sehr außer Rand und Band, bleibt dabei aber reichlich abgefahren und dementsprechend interessant. Im Minimalistischen aufzugehen und sich darüber hinwegzusetzen, ist eine Kunst, die Joe Lynch wirklich beherrscht. Der Realismus fliegt zur Tür raus, herein kommt indes die umwerfende Salma Hayek. Recht viel schöner kann ein Actionfilm nicht sein.

Everly

Für manche Filmemacher ist es der ultimative Reiz, eine Geschichte innerhalb einer sehr begrenzten Lokalität stattfinden zu lassen. Alfred Hitchcock konzentrierte sich in „Lifeboat“ auf ein Ruderboot, Joel Schumacher in „Phone Booth“ auf eine Telefonzelle, Rodrigo Cortés in „Buried“ auf einen Sarg – minimalistischer geht es nicht mehr.
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