Esperanza

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Das Narrenschiff

Ein Schiff, auf dem sich verschiedene, zumeist schräge Typen versammeln, um im Verlauf einer Reise Kostproben nahezu aller menschlichen Schwächen zu geben — seit Sebastian Brants Satire Das Narrenschyff aus dem Spätmittelalter hat dieses Motiv unzählige Ausformungen erfahren, vor allem in der Bildenden Kunst. Doch auch im Film erfuhr Brants Stoff eine Neubearbeitung durch Stanley Kramer (Ship of Fools / Das Narrenschiff, 1965) mit Heinz Rühmann in seiner ersten und einzigen Rolle in einem Hollywood-Film. Zsolt Bács’ Film Esperanza, der vor zwei Jahren bei der Perspektive Deutsches Kino der Berlinale zu sehen war, ist durchaus auch als Neubearbeitung des Narrenschiffs zu verstehen, doch um es vorweg zu nehmen: Der Film wird dem großen Vorbild trotz technischer Qualitäten und schauspielerischer Potenz nur selten gerecht.
Ausgerechnet in der Silvesternacht verpasst eine Gruppe von Passagieren die letzte Fähre nach Dänemark. Doch die bunt zusammengewürfelte Gesellschaft hat Glück im Unglück: Denn die Crew der „Esperanza“, eines abgetakelten Vergnügungsdampfers, erklärt sich glücklicherweise bereit, die Reisewilligen doch noch nach Kopenhagen zu bringen. Man ahnt es bereits: Die Fahrt auf dem Kahn mit angestaubter Pracht und einer seltsamen Besatzung wird für alle Anwesenden zu einer harten Geduldsprobe, zumal der Kapitän sich im dichten Nebel heillos verfährt und keine Chance besteht, den angestrebten Hafen pünktlich vor Mitternacht zu erreichen. Die schräge Besatzung des Kahns nutzt die Chance, um Schicksal zu spielen und all die verlorenen Seelen wieder auf den richtigen Weg zu führen…

Zsolt Bács’ Bemühen und seine Vorbilder sind deutlich spürbar. Doch die Lust am Absurden und am grotesken Humor, sie schießt immer wieder über das Ziel hinaus, einen Film im Stile Federico Fellinis, Jean-Pierre Jeunets oder Emir Kusturicas zu machen. Dabei stimmt zu Beginn fast alles: Das Setting ist stimmig, die Schauspieler zeigen sich allesamt in bester Spiellaune und die Kameraführung kleidet die Geschichte in eine angenehm antiquierte, angestaubt wirkende Nostalgie, vor deren Hintergrund die Figuren aller Übertreibung zum Trotz deutliche Spuren der Melancholie bekommen.

Doch im Verlauf der Überfahrt und damit des gesamten Films gerät die anfängliche Balance aus dem Gleichgewicht, gewinnen Mätzchen und Zoten die Überhand und die Off-Stimme des allgegenwärtigen, aber niemals sichtbaren Kapitäns (Ben Becker als „The Voice“) erklärt sicherheitshalber immer was gerade geschieht und wie das alles zu verstehen ist. Immer wieder gelingen Bács und seinen spielfreudigen, aber oft übertrieben agierenden Darstellern (er selbst ist in der Rolle des grimmigen Schiffskochs zu sehen) groteske Einlagen und komische Szenen. Doch dem Film ergeht es letzten Endes genauso wie dem Koch der Esperanza, der permanent nach den richtigen Zutaten für das formidable Silvestermenü sucht – es fehlt der letzte Pfiff, vieles wirkt durchaus ambitioniert und insgesamt ergeben die verschiedenen fein ausgesuchten Zutaten kein wirkliches rundes und stimmiges Gericht. Dennoch: Wer skurrilen Humor, schräges Personal und eine symbolisch aufgeladene, märchenhafte Story mag, der kann in diesem Film so manche kleine Überraschung entdecken. Und bei allen Abstrichen, die man machen muss – unterhaltsam ist der Film auf jeden Fall.

Esperanza

Ein Schiff, auf dem sich verschiedene, zumeist schräge Typen versammeln, um im Verlauf einer Reise Kostproben nahezu aller menschlichen Schwächen zu geben — seit Sebastian Brants Satire Das Narrenschyff aus dem Spätmittelalter hat dieses Motiv unzählige Ausformungen erfahren, vor allem in der Bildenden Kunst.
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Meinungen

· 18.06.2008

eher langweilig gewesen

Marie · 01.06.2008

Schöner Film,schöne Musik,tolle Schauspieler-ein feinsinniger und anspruchsvoller Film

elke · 28.05.2008

habe den film zur premiere in berlin gesehen und habe mich rundum gut unterhalten gefühlt. gutes ensemble, schönes setting und die musik ist klasse!

· 27.05.2008

ambitioniert und unterhaltsam, streckenweise leicht hölzern, humoristische Ansätze wirken teilweise deplaziert, schauspielerisch durchweg überzeugend, insgesamt durchaus sehenswert